Warum vollzog Doskozil, der zugab, mit Türkis geliebäugelt zu haben und laut mehreren Quellen am Wochenende in Bad Tatzmannsdorf mit ÖVP-Chef Christian Sagartz, Wirtschaftskammerpräsident Andreas Wirth u. a. zusammengetroffen war, in letzter Minute den Schwenk zu Grün?
Darauf gibt es unterschiedliche Antworten.
Doskozil selbst nannte am Montag den „fragilen“ Zustand der ÖVP als einen Grund. Was damit gemeint ist? Parteichef Sagartz, der mit 22 Prozent das historisch schlechteste Ergebnis einfuhr und die Blauen vorbeiziehen lassen musste, hängt in den Seilen.
Mittlerweile wurde vom Parteivorstand eine Reformgruppe unter Sagartz‘ Leitung eingesetzt, die bis Mitte Juni Vorschläge – auch zur personellen – Neuausrichtung vorlegt.
Zumindest bis dahin soll der seit 2020 amtierende 44-Jährige Partei- und Klubchef bleiben.
Zweite Antwort: Es sind beileibe nicht nur Anhänger von Sagartz im Parteivorstand, die mittlerweile glauben, Doskozil habe nur taktiert und nie die Absicht gehabt, mit der ÖVP zu koalieren.
Aus der SPÖ heißt es dazu, nicht gänzlich ohne Ironie: „Was wäre der Zweck einer solchen taktischen Überlegung gewesen – Sagartz zu destabilisieren?“
Soll heißen: Instabiler könne die Lage für die Volkspartei ohnedies nicht mehr werden. Tatsächlich gehen auch maßgebliche Funktionäre in der Volkspartei davon aus, dass der Reformprozess – und damit wohl die Ära Sagartz – nicht bis Juni dauert. Ein halbes Jahr mit einem Partei- und Klubchef auf Abruf wollen sich die Granden nicht ausmalen.
Die dritte Antwort: Einer, der mit offenem Visier kämpft, ist Wirtschaftsbundobmann Peter Nemeth, 2005 bis 2023 auch Wirtschaftskammerpräsident.
Offenbar habe Doskozil zu Sagartz nicht das nötige Vertrauen für eine Koalition gehabt, bedauert er aus Sicht der Wirtschaft eine vertane Chance. Im ÖVP-Vorstand hat nur Nemeth Sagartz zum Rücktritt aufgefordert.
Teilnehmer berichten, Austria-Wien-Fan Nemeth habe gemeint, auch im Fußball müsse der Trainer gehen, wenn Ziele verfehlt werden. Sagartz, so wird erzählt, wäre dazu bereit gewesen, wenn sich ein Nachfolger gefunden hätte. Es gebe ohnehin mehrere Stellvertreter des Parteichefs, hält Nemeth das für eine Ausrede.
Und er verweist auf Bundesparteichef Karl Nehammer, der von sich aus abgedankt hat. Aber warum hat sich niemand gemeldet, der Sagartz ablösen will? Nemeth: „Der Mut in der ÖVP ist enden wollend“.
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