Die offene Frage im Begas-Skandal

Die offene Frage im Begas-Skandal
Am 13. April 2012 wurden erste Vorwürfe gegen Begas-Boss Rudolf Simandl publik, auf der Anklagebank saß er nie. Einmal wollte er sich erklären, wurde aber weggeschickt.

Der 13. April 2012 war ein Freitag. Als der Tag zu Ende ging, nahm das Unglück des Begas-Skandals seinen Lauf.

Am späten Abend überraschten die Aufsichtsratschefs des Energieversorgers, Klaus Mezgolits und Günter Toth, in der Eisenstädter Begas-Zentrale mit der Information, der seit 1995 amtierende Vorstand Rudolf Simandl habe seine vorläufige Beurlaubung angeboten.

Wie sich erst später herausstellte, hatte wenige Tage zuvor eine couragierte Begas-Mitarbeiterin im Zuge der damals laufenden Fusion von gemeindeeigener Begas mit Landesstromversorger Bewag zur Energie Burgenland darauf hingewiesen, in der 17-jährigen Ägide Simandls sei „was gelaufen“.

Was dann folgte, war einer der größten Skandale in der burgenländischen Geschichte.

Zur Untermauerung hatte die Mitarbeiterin des Energieunternehmens ein anonymes Kuvert mit Rechnungen vorgelegt, etwa für drei TV-Geräte und eine Kaffeemaschine, die im Unternehmen nicht auffindbar waren.

"Warum wollt ihr mich hinrichten?"

Keine zwei Wochen nach dem schwarzen Freitag wurde Simandl fristlos entlassen. „Warum wollt ihr mich hinrichten“, habe er ihn gefragt, erinnerte sich Michael Gerbavsits, bis Ende 2020 Vorstandsvorsitzender der Energie Burgenland.

Die juristische Aufarbeitung der Malversationen ist aber, streng genommen, bis heute nicht abgeschlossen.

Zwar wurden mittlerweile am Landesgericht Eisenstadt ein von der Energie Burgenland angestrengter Zivilprozess gegen Simandl und andere Ex-Manager und zwei auf Anklagen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) fußende Strafprozesse abgeschlossen und Simandl hat zumindest sieben Millionen Euro an die EB als Begas-Rechtsnachfolgerin zurückbezahlt.

Warum Simandl keinen Tag auf der Anklagebank saß

Aber der inzwischen 71-jährige Südburgenländer musste bisher keinen einzigen Tag auf der harten Anklagebank sitzen, während ein halbes Dutzend früherer Begas-Manager und Geschäftspartner meist zu teilbedingten Haft- und Geldstrafen verurteilt worden sind.

Die offene Frage im Begas-Skandal

Gerichtspsychiater Peter Hofmann hatte Simandl, der seit einigen Jahren in einem Pflegeheim im Südburgenland lebt, schon bald nach Auffliegen der Affäre wegen schwerer Depressionen Verhandlungsunfähigkeit attestiert. Das Landesgericht Eisenstadt ordnete alljährlich eine neuerliche Untersuchung an – Kostenpunkt für den Staat: jeweils 1.000 Euro.

Nach dem bis dato letzten Gutachten im Jahr 2020 will das Gericht erst wieder in fünf Jahren Nachschau halten – zu unwahrscheinlich sei eine entscheidende Besserung von Simandls Gesundheitszustand, ist sein Anwalt Roland Kier überzeugt. Und deshalb hat die WKStA auch finanzstrafrechtliche Ermittlungen gegen Simandl vorerst abgebrochen.

Genau zehn Jahre nach Auftauchen der ersten Vorwürfe fehlt damit immer noch Entscheidendes – Simandls Motiv. Oder wie es Gerbavsits einmal formuliert hat: „Wenn alles vorbei ist“ würde ihn Simandls Sicht der Dinge interessieren.

Die Frage nach dem Warum

Denn bislang ist nur die Sicht der Ankläger aktenkundig: Simandl, für den nach wie vor die Unschuldsvermutung gilt, soll das Unternehmen im Mehrheitseigentum von 110 Gemeinden wie einen Selbstbedienungsladen geführt und sich um rund 3,9 Millionen Euro persönlich bereichert haben. Vorgeworfen wurden ihm Untreue, Veruntreuung, gewerbsmäßig schwerer Betrug und Geschenkannahme.

Die offene Frage im Begas-Skandal

Die Liste der Vorwürfe in der 122-seitigen WKStA-Anklage zum ersten Strafprozess im Jahr 2016 (der zweite fand von Herbst 2020 bis Jänner 2021 statt) reichte von privaten Essen auf Firmenkosten um Zehntausende Euro bis zu Provisionszahlungen von 1,3 Millionen Euro, die Simandl unter anderem zum Ankauf einer Liegenschaft für seinen Sohn verwendet haben soll, statt sie an Begas-Töchter weiterzuleiten. Den Gesamtschaden bezifferte die WKStA mit 6,7 Millionen Euro.

Warum hat einer der mächtigsten Manager des Landes, der nach einem Wirtschaftsstudium und Berufsjahren als HAK-Lehrer und leitender Mitarbeiter bei Wüstenrot als Begas-Vorstand mit einem Jahressalär von 374.148,14 Euro brutto deutlich über dem Landeshauptmann rangierte, all das und dazu noch seine Reputation aufs Spiel gesetzt? Zumal ein Unsummen verschlingendes Hobby wie der SV Mattersburg im Fall von Ex-Commerzialbank-Boss Martin Pucher als Begründung ausfällt.

Simandl wollte sich erklären

Längst, so heißt es von verschiedenen Seiten, könne man mit Simandl darüber kein Gespräch mehr führen. Aber das war nicht immer so.

Vor Jahren, so erinnert sich Ex-Aufsichtsratschef Mezgolits, sei Simandl unerwartet und uneingeladen vor seiner Bürotür gestanden und wollte sich erklären. Der damalige Bezirkshauptmann lehnte aber mit Hinweis auf die laufenden Begas-Verfahren gegen Simandl & Co ab und schickte ihn wieder heim.

Sachlich wohl korrekt und juristisch klug, wie es sich für einen Beamten geziemt. Aber so kann auch Mezgolits zu Simandls Motiv nur sagen: „Das ist mir unbegreiflich“.

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