Commerzialbank: Prozess wird wiederholt, Pucher als Zeuge gefordert

Dass der bisher umfangreichste Prozess zur Commerzialbank am Donnerstag "definitiv" abgeschlossen werde, wie es im Vorfeld vom Landesgericht Eisenstadt hieß, stellte sich gleich zu Beginn der Verhandlung als Irrtum heraus.
Denn Martin Fischer und Mirko Matkovits, die Anwälte der beiden noch verbliebenen angeklagten früheren Unternehmer (ein Spengler und ein Maler), beantragten wegen "Zeitablaufs" eine Neudurchführung der Verhandlung. Weil der bis dato letzte Termin in diesem Verfahren Ende Februar war, sei der Grundsatz der "Unmittelbarkeit" nicht mehr gewährleistet.
Damals wurden Ex-Bankvorständin Franziska Klikovits und ein weiterer Firmenchef (Tischler) u. a. wegen Veruntreuung und Untreue zu sechs Jahren und vier Monaten beziehungsweise zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.
Das Urteil gegen Klikovits ist rechtskräftig, sie wird demnächst ihre Haft antreten, gegen den Tischler noch nicht. Diese beiden Causen sind von der Neudurchführung der Verhandlung also nicht betroffen.
Das Verfahren gegen den hauptangeklagten Bankgründer Martin Pucher wurde ausgegliedert und auf Eis gelegt. Pucher war nie im Gerichtssaal, ein psychiatrischer Gutachter hatte ihm Verhandlungsunfähigkeit attestiert.
Statt der Schlussplädoyers mussten Oberstaatsanwalt Wolfgang Handler von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und die Anwälte am Donnerstag im gut gefüllten großen Saal des Landesgerichts ihre zu Prozessbeginn im Jänner schon einmal gehaltenen Eröffnungsplädoyers noch einmal - in geraffter Form - halten.
Das sei das erste Mal in seiner 20-jährigen Karriere, dass Anwälte eine Neuauflage fordern, nimmt`s Handler gelassen.
Der Kern der Vorwürfe gegen den 70-jährigen früheren Spengler und den 65-jährigen Maler: Ihre finanziell darnieder liegenden Firmen seien von Pucher jahrelang durch unrechtmäßige Kredite und Bargeldübergaben in Kuverts künstlich am Leben erhalten worden, einen Teil der Gelder mussten die Unternehmer gleich als Sponsoring an Puchers Steckenpferd SV Mattersburg weiterleiten.
In Summe seien den Firmen der beiden Angeklagten, für die die Unschuldsvermutung gilt, rund 67 Millionen Euro zugeflossen.
Dass sie für ihre Mandanten eine Neudurchführung verlangten, begründeten die Anwälte aber nicht nur mit der mehr als zweimonatigen Verhandlungspause (die zum Teil auch durch einen krankheitsbedingten Ausfall der Richterin verursacht wurde), sondern auch mit den zwei zentralen Gutachten in der ganzen Causa.
Gutachten im Zentrum
Das im Auftrag der WKStA von Wirtschaftsprüfer Karl Hengstberger verfasste Gutachten über 600 Seiten liegt erst seit Ende April vor, Anwälte und Schöffen hätten zu wenig Zeit gehabt, sich da durchzuackern, beklagte Verteidiger Matkovits.
Darüberhinaus hätte das Gutachten auch zu Tage gefördert, was man bisher allenfalls vermuten konnte, nämlich dass die Commerzialbank "spätestens 1999 zahlungsunfähig war".
Matkovits schließt daraus, "dass mein Mandant ein totes Pferd geritten hat". Denn dieser habe den Malerbetrieb erst 2003 von seinem Vater übernommen und 2005 den ersten Kredit von der Commerzialbank erhalten.
Zeiten, zu denen die Bank längst pleite gewesen sei und keine Kredite vergeben hätte dürfen. Außerdem hätte nicht Pucher den Betrieb des Malers erhalten, sondern Kredite und Bargeld nur vergeben, um die fiktiven Geldkreisläufe in der Bank am Laufen zu halten und so den Untergang der Bank verschleppt.
"DKT-Geld - wo ist der Schaden?"
"Das war DKT-Geld, also wo ist der Schaden", fragte Matkovits in den Saal, was Oberstaatsanwalt Handler nur ein grimmiges Lächeln entlockte.
Während das Gutachten des Wirtschaftssachverständigen Hengstberger, der am Donnerstag auch im Saal anwesend war, von den Anwälten inhaltlich nicht in Frage gestellt wurde, liegt die Sache beim psychiatrischen Gutachten von Peter Hofmann ganz anders.
Als die Richterin Hofmann mit dem Auftrag einer nochmaligen Befundung Puchers vorzeitig aus dem Gerichtssaal entlässt, legt Anwalt Fischer ein Veto ein. Hofmann sei befangen, das Gericht müsse einen anderen medizinischen Gutachter beauftragen, verlangt er.
Hofmann habe schon zwei Gutachten zu Pucher erstellt - ein gut 20-seitiges im Dezember 2024 und ein zwölfzeiliges im März 2025 - wonach der frühere scheinbar allmächtige Bankchef weder verhandlungs- noch aussagefähig sei.
Wie das sein könne, so Matkovits, wo Pucher doch bereits in "mehreren Verfahren ausgesagt hat". Tatsächlich bestätigt ein anderer Anwalt dem KURIER, dass man Pucher zu Hause befragt habe, und in einem Protokoll des Handelsgerichts Wien vom Dezember 2024 scheint Pucher als Zeuge in einem Verfahren rund um den Konkurs des SV Mattersburg auf.
Offenbar könne sich Pucher "aussuchen, wo er erscheint" echauffiert sich Matkovits, der neben der "neuerlichen Einvernahme" von Franziska Klikovits auch die erstmalige von Pucher fordert.
Der Prozess wurde vertagt.
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