Ob heuer im Landesgericht Eisenstadt noch ein zweiter Prozess wegen Veruntreuung von Bankgeldern, Untreue, betrügerischer Krida u. a. mit einem Schaden von 70 Millionen Euro über die Bühne geht, ist fraglich.
Denn eine Ende Jänner zugestellte Anklage der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen fünf Beschuldigte – Pucher, Klikovits und drei frühere gewerbliche Unternehmer aus dem Bezirk Mattersburg – wurde von zwei Unternehmern beeinsprucht: Dachdecker Ernst Zimmermann und Maler Christian Stangl. Sie fordern vom Oberlandesgericht (OLG) Wien die Zurückweisung der Anklage.
Stangl (64) war bis vor einigen Jahren Inhaber bzw. Geschäftsführer zweier Firmen mit 138 Mitarbeitern. Sein Anwalt Mirko Matkovits (Kanzlei Beck & Partner) wirft der WKStA vor, bei der Aufarbeitung des Commerzialbank-Desasters das Pferd von hinten aufzuzäumen.
"Pferd von hinten aufgezäumt"
Statt das „Geldbeschaffungssystem“ der langjährigen Bankvorstände in allen Verästelungen aufzuklären, löse die Anklagebehörde einen Teilkomplex „aus dem Gesamtzusammenhang“ und gehe so mit halb garen Vorwürfen in eine Hauptverhandlung. So lautet sein Befund.
Die WKStA räumt zwar ein, dass es sich um einen Teilaspekt des laufenden Verfahrens handle, aber der riesige Commerzialbank-Komplex bestehe nun einmal aus vielen Teilbereichen.
Was wirft die WKStA dem Quintett vor?
Die teilweise seit Anfang der 2000er-Jahre maroden Betriebe der drei Unternehmer – neben Stangl und Zimmermann noch ein Tischler – sollen durch unrechtmäßige Bargeldzuflüsse und Kredite aus der Commerzialbank künstlich am Leben erhalten worden sein.
Durchaus aus Eigennutz, Pucher fürchtete vor allem bei Fälligstellung von Stangls und Zimmermanns Kreditlinien um die Existenz der Commerzialbank und schweren Schaden für seinen Fußballverein SV Mattersburg, zu dessen Sponsoren die Firmen von Stangl und Zimmermann gehörten.
Also „beschloss Pucher“, so steht es in der Anklage, den drei Unternehmern „Bargeld aus dem Vermögen der Bank zu übergeben, welches diese über fingierte Ausgangsrechnungen in ihre Unternehmen einfließen lassen und anschließend zur Obligoreduktion wieder auf ihre Konten bei der Commerzialbank einzahlen sollten.“
Geld im A4-Kuvert
Pucher habe ihnen in seinem Büro immer wieder Bargeld in einem „weißen A4-Kuvert ohne Fenster“ übergeben und Kredite eingeräumt, obwohl Bonität und Sicherheiten fehlten. Das Geld kam aus dem „nicht realen Geldkreislauf“ der Commerzialbank.
Stangl soll so von 2008 bis 2019 Bargeld in der Höhe von 17,5 Millionen Euro und Kredite über 13,3 Millionen Euro erhalten haben.
Aus Sicht der Verteidigung könne man den „Fünftangeklagten“ Stangl nicht auf eine Stufe mit Pucher und Klikovits stellen. Stangl sei entgegen der Einschätzung der WKStA „mit Sicherheit kein Bestimmungstäter“, sondern vom Erstangeklagten Pucher „benutzt“ worden.
Was im Einspruch steht
Wofür benutzt? „Um nicht vorhandene Gelder zu generieren, Liquiditätsengpässe zu verschleiern und (...) Geldflüsse in den SVM zu ermöglichen“. Stangl, so der Tenor des Einspruchs von Anwalt Matkovits, sei Pucher „völlig ausgeliefert“ gewesen.
Dass es, wie von Pucher behauptet, keinen Zusammenhang zwischen fingierten Rechnungen und SVM-Sponsoring gegeben habe, sei eine „Schutzbehauptung“, die in einem von der WKStA eingeholten Gutachten widerlegt werde. Matkovits: Die WKStA habe die „Schlussfolgerungen des Sachverständigen offenbar negiert“.
Wann entscheidet das OLG? Ein halbes Jahr könnte es schon dauern.
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