Der Befund ist erschreckend: Im Burgenland sind 173 Quadratkilometer, also knapp 4,4 Prozent der Landesfläche, versiegelt und jährlich kommen etwa 1,2 Hektar dazu.
Damit ist das Burgenland österreichischer Spitzenreiter bei der Flächenversiegelung, also der Umwandlung natürlicher, durchlässiger Böden in undurchlässige Oberflächen durch Materialien, die kein Wasser durchlassen. Das Burgenland liegt mit 3,8 Prozent gemeinsam mit Oberösterreich an der Spitze der Länder.
Ähnlich verhält es sich bei der Flächeninanspruchnahme. Damit gemeint ist die menschliche Nutzung von Land, inklusive Gebäude, Straßen, Landwirtschaft und mehr. Im Burgenland liegt sie bei zehn Prozent der Fläche, dem höchsten Wert aller Bundesländer - Wien ist in beiden Bereichen natürlich ausgenommen.
Der Verkehr ist für die Hälfte der versiegelten Flächen im Burgenland verantwortlich.
88 Quadratkilometer Verkehrsflächen, davon 86 Quadratkilometer Straßenverkehrsflächen
Aber warum ist der Bodenverbrauch gerade im Burgenland so hoch? Die Gründe dafür sind vielfältig, wie ein genauerer Blick auf das Thema zeigt.
Gleich vorweg: Auch wenn immer wieder Handelsflächen von Shopping-Centern oder Fachmarktzentren im Zusammenhang mit Bodenversiegelung genannt werden, machen sie nur einen kleinen Teil des Problems aus, aber ein gut sichtbares. Denn andererseits sind es gerade die Fachmarktzentren und Supermärkte an den Stadt- und Ortsrändern, die dem Beobachter auffallen. So wie zum Beispiel im Südburgenland.
Fährt man bei Pinggau von der A2 in Richung Oberwart ab, stechen einem beim Kreisverkehr in Richtung Pinkafeld sofort neu gebaute Supermärkte ins Auge. Ein jeder davon mit einer riesigen Asphaltfläche davor, die üppigen Parkplätze sind zumindest wochentags nur spärlich gefüllt. Ein Geschäft für Kosmetikartikel finden sich dort ebenso wie ein großer Baumarkt, der bis vor wenigen Jahren noch an einer anderen Ortseinfahrt der südburgenländischen Stadt mit etwa 5.500 Einwohnern angesiedelt war.
Übrigens: Österreichweit hat laut des aktuellen Bodenreports des WWF jede vierte Gemeinde ihr eigenes Einkaufszentrum. Bei der Einkaufsfläche pro Kopf liegt Österreich EU-weit auf Platz 3. Und dennoch sind die Flächen des Einzelhandels bei Weitem nicht der größte Motor der Bodenversiegelung, wohl aber ein Symptom, zumindest im Burgenland. Dazu aber später mehr.
Knapp die Hälfte der österreichischen Verkaufsflächen (6,5 Millionen Quadratmeter) befindet sich in Fachmarktzentren – eine Fläche, die seit 2000 um rund 3,75 Millionen Quadratmeter gewachsen ist.
Die Fläche der insgesamt 520 Fachmarktzentren und Shopping-Center hat sich seit 2000 mehr als verdoppelt, schreibt der WWF im aktuellen Bodenreport.
Im einige Kilometer weiter entfernten Oberwart das gleiche Bild: Rund um das Einkaufszentrum Oberwart am nördlichen Stadtrand reiht sich ein Fachmarktzentrum an das nächste, davor meist nur halb volle Parkplätze so weit das Auge reicht.
Bei der nördlichen Stadteinfahrt ist noch relativ viel grün, wie hier auf Googlemaps zu sehen ist. Links hinter den Bäumen befindet sich das Einkaufszentrum Oberwart - für Sie nur wenige Klicks oder Tippsler auf dem Handy entfernt:
Rund 13 Quadratmeter Verkaufsfläche pro Einwohner gibt es in Oberwart, einer der höchsten Werte in Österreich. Mit dem Angebot im Einzelhandel macht die südliche Bezirkshauptstadt sogar Einkaufsmekkas wie der SCS Vösendorf oder Graz Seiersberg Konkurrenz.
Das war damals vor 15 Jahren, bei der Errichtung des Einkaufszentrums Oberwart, auch eines der größten Argument für den Bau: Man wollte ein Angebot in der Region schaffen, damit nicht nur in den großen Städten eingekauft wird. Denn: Wäre das Projekt in Oberwart gescheitert, würde das Einkaufszentrum heute im nur wenige Kilometer entfernten Hartberg stehen.
Im Nordburgenland sieht es was den Flächenverbrauch durch Shoppingtempel betrifft übrigens nicht besser aus. Der WWF hebt in seinem aktuellen Bodenreport den Gewerbepark Kittsee als eines der negativen Beispiele im Burgenland hervor.
Das im Endausbau 35 Hektar große Gewerbegebiet macht sich auf ehemaligen Ackerflächen breit und liegt außerhalb des bisherigen Siedlungsgebietes. Die größten Teile des Businessparks sind zwei nebeneinanderliegende Fachmarktzentren, die 2013 beziehungsweise 2019 eröffnet wurden sowie ein im Bau befindlicher, rund 20 Hektar großer Logistikpark.
Kittsee zählt nur rund 4.300 Einwohner, im "Businesspark Kittsee" wurden aber gleich sieben Supermärkte zusätzlich zum bestehenden Supermarkt im Ortskern errichtet. Jeder davon befindet sich in einem einstöckigen, schmucklosen Gebäude und direkt davor befindet sich je ein ebenerdiger, versiegelter Parkplatz.
Einer der Supermärkte ist mittlerweile wieder geschlossen und steht, wie auch einige weitere Geschäftslokale, leer.
Dennoch sind direkt gegenüber den Fachmärkten bereits rund 56 Hektar Ackerfläche zusätzlich als "Aufschließungsgebiet - Betriebsgebiet" gewidmet, was auf eine langfristige Erweiterung des Gewerbeparks hindeutet.
Im Mittelburgenland eine ähnliche Situation: Während in der Bezirkshauptstadt Oberpullendorf Geschäftsflächen zum Teil schon viele Jahre brach liegen, entstehen rund um die Bezirkshauptstadt Fachmarktzentren oder der interkommunale Businesspark Mittelburgenland beim Kreisverkehr in Richtung Schnellstraße S31.
Bodenverbrauch in Österreich
Auf jeden Österreicher kommen 14,1 Straßenmeter. Deutschland (9,8) und die Schweiz (9,6) liegen weit darunter.
Seit 2000 hat der Bodenverbrauch um 32 Prozent zugenommen. Die Bevölkerung ist hingegen nur um 14 Prozent gewachsen.
Gleichzeitig hat Österreich von 1999 bis 2020 über 72.000 Hektar fruchtbare Ackerflächen verloren.
Im Schnitt der vergangenen zehn Jahre wurden über 40 Quadratkilometer pro Jahr verbraucht und versiegelt. Das sind umgerechnet 12,1 Hektar pro Tag und somit fast fünfmal mehr als die 2002 versprochene Maximalgrenze von 2,5 Hektar.
Die Zersiedelung hat sich in Österreich seit 1975 verfünffacht.
Rund die Hälfte des bislang beanspruchten Bodens (52 Prozent) ist versiegelt, also mit einer wasserundurchlässigen Schicht aus Beton oder Asphalt überzogen.
Den größten Teil des Bodenverbrauchs der vergangenen Jahre in Gesamtösterreich machen die Bauflächen (Siedlungs- und Betriebsflächen) aus. Deren Fläche hat in den letzten zehn Jahren um insgesamt rund 378 Quadratkilometer zugenommen.
Insgesamt ist in Österreich eine Fläche von rund 2.964 Quadratkilometern versiegelt - im Schnitt rund 330 Quadratmeter pro Kopf. Das entspricht umgerechnet in etwa der Fläche der Bundesländer Wien und Vorarlberg zusammen.
Nur mehr rund sieben Prozent der österreichischen Staatsfläche sind laut einer Studie als "weitgehend naturbelassen" einzustufen.
90 Prozent der befragten Österreicherinnen und Österreicher befürworten unter dem Eindruck der jüngsten Unwetter und Überflutungen ein "österreichweites Programm zur Renaturierung versiegelter Flächen". Über 80 Prozent fordern, dass die Politik mehr unternimmt, um zerstörte Natur wiederherzustellen – also zum Beispiel Böden entsiegeln oder Flüsse und Moore renaturieren.
Gerade solche interkommunalen Gewerbeparks sollen die Bodenversiegelung eindämmen, sagt das Land und verweist auf den WWF, der derartige Projekte lobt. Fünf dieser Standorte mit einer Fläche von 2,5 Quadratkilometern gibt es im Burgenland.
Im aktuellen Bodenreport des WWF heißt es allerdings: "Intererkommunal geplante Betriebsgebiete wären raumplanerisch sinnvoll, aber nur an den richtigen Standorten - vorausgesetzt, die beteiligten Gemeinden treiben auch wirklich keine eigenen Gewerbeparks voran. In der Praxis sind sie häufig überdimensioniert und verkehrspolitisch falsch rein auf den Autoverkehr ausgerichtet."
Der Handel ist nicht schuld
Aber ist für die zunehmende Flächenversiegelung nur der Einzelhandel verantwortlich? Nein, sagt das "Austrian Council of Shopping Places" (ACSP) und verweist in einer Presseaussendung darauf, dass Shopping-Center nur 0,3 Prozent der versiegelten Fläche in Anspruch nehmen.
ACSP-Generalsekretär Roman Schwarzenecker widerspricht auch der im WWF-Bodenreport genannten Zahl von 520 Einkaufszentren in Österreich (siehe oben): "Bei unserer Recherche zu Shopping-Centern in Österreich greifen wir auf die qualitativ beste Publikation zu diesem Thema zurück. Diese erhebt seit 1988 die Shopping-Center in Österreich mit unveränderter Definition (Shopping-Center: 4.000 m² und größer) und weist derzeit 247 Shopping-Center im Land aus, davon sind 130 Einkaufszentren, der Rest sind Fachmarktzentren und Sonderformen."
Gleichzeitig wird in einer anderen Mitteilung an die Medien aber von einem "sprunghaften Anstieg" der Marktanteile von Fachmärkten gerade im Burgenland hingewiesen: Dieser ist seit 2000 nämlich von 21 auf 50 Prozent gestiegen und damit der höchste in Österreich.
Tatsächlich sind aber zwei andere Bereiche für die Hälfte der Bodenversiegelung im Burgenland verantwortlich: der Verkehr und Siedlungsflächen, die jeweils beinahe für 50 Prozent der Bodenversiegelung verantwortlich zeichnen.
Problemkinder Verkehr und Siedlungsflächen
Österreichweit beträgt der Anteil der Verkehrsflächen am gesamten Bodenverbrauch bei 33 Prozent, im Burgenland hingegen bei 50 Prozent. Das oft zitierte "Land der Pendler" - drei von vier Personen arbeiten außerhalb ihres Wohnortes, über 38 Prozent pendeln zur Arbeit in ein anderes Bundesland - hat mit 683 Pkw pro 1.000 Einwohner auch die höchste Pkw-Dichte aller Bundesländer.
Dementsprechend hat es eine gewisse Logik, dass bei einer derart übermotorisierten Bevölkerung, der angesichts des weiterhin vergleichsweise mangelhaften Angebots an öffentlichen Verkehrsmitteln auch gar nichts anderes übrig bleibt, der eingangs so gescholtene Einzelhandel auf Geschäfte an der Peripherie setzt. Weil die sind mit dem Auto gut erreichbar und bringen mehr Kundenfrequenz als fußläufige erreichbare Nahversorger und Einzelhändler im Ortszentrum.
Lösungsvorschläge für das Problem gibt es zahlreiche. Angefangen vom Ausbau des öffentlichen Verkehrs, über die Entsiegelung beziehungsweise Umgestaltung von Parkplätzen bis hin zur Schaffung von mehr Grünzonen in den Gemeinden und vor allem Städten.
"Böden sind eine sehr wertvolle Ressource. Sie sind unverzichtbar für die Lebensmittelversorgung, sie sind unverzichtbar für Fauna und Flora, sie sind unverzichtbar, damit Wasser versickern und gespeichert werden kann. Diesen Schatz gilt es zu bewahren auch für die künftigen Generationen", sagt VCÖ-Expertin Katharina Jaschinsky. Deshalb sei es wichtig, möglichst keine weiteren wertvollen Böden durch Parkplätze oder Straßen zu versiegeln.
(kurier.at, PEKO)
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Aktualisiert am 06.07.2024, 19:28
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