Bevölkerung: Wo Eisenstadt am stärksten wächst
Keine andere Landeshauptstadt ist seit 2011 so stark gewachsen wie Eisenstadt. Mit einem Plus von 16,2 Prozentpunkten liegt die kleinste aller Hauptstädte (15.240 Hauptwohnsitzer) laut jüngster Volkszählung der Statistik Austria deutlich vor der größten – Wien hat plus 12,4 Prozent.
Am sichtbarsten wird das Wachstum im Süden der Freistadt, wo sich zwischen Feldstraße, Bahntrasse, Lobzeile und Krautgartenweg seit Jahren ein neuer Stadtteil breitmacht.
Nachdem mittlerweile auf den Kirchäckern West fast alles verbaut ist, wachsen nunmehr auf den Kirchäckern Ost mehrgeschossige Wohnhäuser der drei gemeinnützigen Wohnbauträger OSG, Neue Eisenstädter (Nebau) und B-Süd in die Höhe.
170 Vormerkungen für Wohnungen
Für die 89 in Bau befindlichen Wohnungen der Nebau gebe es bereits 170 Vormerkungen, sagt Nebau-Chef Alexander Langer zum KURIER. Woher die Mieter kommen? „Da sind Pensionistenehepaare aus Wien ebenso dabei wie junge Familien aus anderen Bundesländern“, ergänzt Johann Fellinger von der B-Süd.
Mit Quadratmeterpreisen „von zehn Euro aufwärts“ für die Mietwohnungen sei Eisenstadt nämlich immer noch deutlich günstiger als die Gegend rund um Baden und Mödling.
Die junge Mutter, die ihr sechs Monate altes Töchterchen Valentina auf dem Arm trägt und gerade einen Plausch mit einem waschechten Eisenstädter hält, ist gemeinsam mit ihrem Mann vor etwa zwei Jahren aus einer Wiener Altbauwohnung hierher gezogen.
Leistbarer als Wien
Sie haben, erzählt die junge Frau namens Sabrina, zunächst zwar in Wien und im angrenzenden Niederösterreich nach einer größeren Bleibe gesucht, aber die Kosten hätten den Ausschlag zugunsten Eisenstadts gegeben. Also folgte das junge Paar Sabrinas Eltern – die haben Wien schon vor längerer Zeit den Rücken gekehrt und sich in der Freistadt angesiedelt.
Anfangs pendelten die jungen Neo-Eisenstädter zur Arbeit in Wien, mittlerweile ist Sabrina in Karenz und ihr Mann hat einen Job in Eisenstadt gefunden.
Bis 2030 soll auch das Areal Kirchäcker Ost verbaut sein, in Summe werden dann 1.800 bis 2.000 Menschen im gesamten Stadterweiterungsgebiet – das von der Innenstadt dennoch nur wenige Gehminuten entfernt liegt – leben.
Bauzonenplan
Dass die Stadt, die mit dem Label „Kleinste Großstadt der Welt“ wirbt, zu schnell zu groß wird, befürchtet Bürgermeister Thomas Steiner (ÖVP) dennoch nicht. Mit Ausnahme der Jahre 2015 und 2022, als Flüchtlinge aus dem Nahen Osten und aus der Ukraine für ungeplanten Zuzug sorgten, liege das jährliche Bevölkerungsplus in etwa bei den im Stadtentwicklungsplan angepeilten 1,3 Prozent.
Ein 2020 über die halbe Stadt verhängter Baustopp soll noch heuer enden. Man brauche ihn nicht mehr, weil mittlerweile der Bauzonenplan greife, der regle, wo was gebaut werden darf – Einfamilienhäuser hier, verdichteter Wohnbau dort.
Verdichteten Wohnbau gibt‘s aber nicht nur auf gemeinnützige Art, sondern auch à la carte: Die von Esterhazy im Schlossquartier errichteten 60 Wohnungen wurden von der Wiener Immobilienfirma Funk exklusiv vertrieben und waren innerhalb weniger Wochen an den Mann oder die Frau gebracht – eine 82 m2 Wohnung mit kleiner Loggia etwa um wohlfeile 445.000 Euro.
Es geht auch betuchter
Ebenfalls am Rand der Innenstadt hat die Wiener VI-Engineers Bauträger GmbH 42 frei finanzierte Mietwohnungen errichtet, Name des Projekts: La Vie En Rose. „Die Nachfrage ist gut: Rund zwei Drittel der Wohnungen sind bereits vermietet“, lässt eine Sprecherin wissen. Die meisten Mieter stammen aus Eisenstadt Umgebung und Wien, aber auch aus Ungarn gebe es Nachfrage.
Größte Stadt
Die Landeshauptstadt ist die einzige Stadt im Burgenland mit mehr als 10.000 Einwohnern. Aktuell sind es 15.240, mit Nebenwohnsitzern 17.400
Stadtentwicklung
Der bis 2030 gültige Stadtentwicklungsplan untersagt nördlich des Schlossparks neue, großvolumige Wohnbauten, verdichteter Wohnbau hat vor allem im Süden der Stadt seinen Platz
2.000Bewohner
So viele Menschen könnten bis 2030 im neuen Stadtteil Kirchäcker leben. Zum Vergleich: Im 1970 eingemeindeten Stadtteil St. Georgen leben derzeit rund 2.500 Menschen. Eisenstadt ist neben Neusiedl/See das teuerste Pflaster im Burgenland, „unter 400 Euro gibt es in Eisenstadt keinen Grund“, sagt Alexander Langer von der Neuen Eisenstädter Siedlungsgesellschaft
Groß war die Nachfrage auch nach Einfamilienhäusern, Inflation und verschärfte Kreditregeln hätten zuletzt aber für eine Stagnation gesorgt, erzählt Daniela Weiss vom Maklerunternehmen Remax.
600.000 Euro für ein Haus
Für ein Haus in Top-Zustand in guter Eisenstädter Lage müsse man schon 600.000 Euro auf den Tisch legen, so die Immobilien-Fachfrau. Vor zehn Jahren hätten 400.000 Euro gereicht. Weiss hat aber auch eine gute Nachricht, rechnet sie doch mit einem Preisrückgang bis 20 Prozent.
Vielleicht auch ein Lichtblick für Sabrina und ihre Familie: Bevor der Mietvertrag für die Kirchäcker-Wohnung unterschrieben wurde, sondierte sie den Häusermarkt in Eisenstadt. Aber nur kurz, denn die Preise waren „heftig“.
Im Zentrum: Denkmal unter Verwertungsdruck
Die Attraktivität von Eisenstadt speist sich aus mehreren Quellen. Neben der Überschaubarkeit, die sich mit den Annehmlichkeiten einer Landeshauptstadt verbindet (Behörden, Bildungseinrichtungen, Gesundheitsversorgung), besticht die Freistadt durch ihr historisches Erbe. Anders gesagt: Ohne Esterhazy und Haydn, ohne Schloss und barocke Bürgerhäuser wäre Eisenstadt verwechselbar. Das Bundesdenkmalamt (BDA) weist fast 170 „unbewegliche und archäologische Denkmale unter Denkmalschutz“ für die Freistadt aus.
Aus dem 17. Jahrhundert
Darunter sind auch viele Häuser aus dem 17. und 18. Jahrhundert im Zentrum. Maßgebliche Änderungen an diesen Bauwerken beobachtet Landeskonservator Peter Adam vom BDA mit Sorge. Zuletzt etwa den Ausbau von Dachböden samt Einbau von Gaupen. Es handle sich immer um eine Abwägung, so Adam zum KURIER.
Die Eingriffe in die Dachlandschaft würden meist so argumentiert, dass man das Objekt ohne Verwertung nicht erhalten könne, entsprechend groß sei „der Wille und der Druck“ der Eigentümer. Deshalb akzeptiere das BDA die Umbauten, solange sie gerade noch zulässig erscheinen.
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