Behindertenhilfe im Burgenland: Auch Assistenten bekommen Mindestlohn
Wer Erwachsene im Alltag oder Pflichtschüler in der Klasse unterstützt, kann sich bei den Sozialen Diensten Burgenland zum Mindestlohn von aktuell 2.000 Euro netto monatlich anstellen lassen
Die Behindertenhilfe wird im Burgenland zum Teil neu organisiert. Die Änderungen betreffen Assistenzleistungen für Erwachsene in allen Lebensbereichen – außer der Pflege – sowie die Unterstützung für behinderte Kinder in Schulklassen.
Um welche Assistenzleistungen geht es?Persönliche Assistenten (PA) helfen in allen Bereichen des täglichen Lebens, in denen Menschen aufgrund ihrer Behinderung Hilfe und Unterstützung benötigen – von Körperpflege und Haushalt über Mobilität, Freizeit bis zum Beruf. Derzeit gibt es im Burgenland 35 PA, die entweder freiberuflich tätig oder bei einer privaten Agentur angestellt sind.
Schulassistenten kümmern sich um Begleitung und pflegerische Betreuung von behinderten Kindern in Pflichtschulklassen und ermöglichen den Kindern so die Teilnahme am Unterricht.
Aktuell erhalten landesweit 419 Kinder Unterstützung. Im Burgenland hat diese Aufgabe bisher Rettet das Kind im Auftrag des Landes übernommen. Jährliche Kosten fürs Land: rund 5,5 Millionen Euro. 278 Assistenten gibt es aktuell, viele arbeiten Teilzeit.
Was ist der Hintergrund der Änderungen?Bisher war die Zuständigkeit für die Persönliche Assistenz zwischen Bund (für den Beruf) und Ländern (Freizeit) aufgeteilt. Nun soll alles aus einer Hand kommen und Assistenten außerdem arbeits- und sozialversicherungsrechtlich abgesichert werden. Der Stundensatz wird von 28 Euro auf künftig 32,50 Euro angehoben, Bund und Länder teilen sich die Kosten. Das Land rechnet mit Mehrkosten von vier Millionen Euro im Jahr.
Was macht das Land anders als der Bund?Es bietet allen Assistenten eine Anstellung zum pannonischen Mindestlohn von derzeit 2.000 Euro netto bei den Sozialen Diensten Burgenland, einer Tochter der Landesholding, an. Der Bund verlangt die Entlohnung nach dem Kollektivvertrag für Sozialwirtschaft, der in vielen Verwendungsgruppen unter 2.000 Euro netto liegt. Die Sozialen Dienste seien aber kein Monopolist, wird versichert. Auch bestehende private Vermittlungsagenturen könnten weiterhin beauftragt werden, aber: „Sie müssen allerdings gemeinnützig sein und den burgenländischen Mindestlohn bezahlen“, stellt Soziallandesrat Leonhard Schneemann klar. Das Gleiche gilt übrigens auch, wenn der Assistent direkt beim Behinderten angestellt ist – ohne Mindestlohn gibt‘s keine Förderung beim Stundensatz.
Was die Schulassistenz betrifft, sollen die bestehenden Mitarbeiter von Rettet das Kind von den Sozialen Diensten des Landes übernommen werden. Rettet das Kind sei darüber ganz froh, weil die Schulassistenz nicht zum Kerngeschäft gehöre, heißt es einerseits. Andererseits sind aus der Hilfseinrichtung aber auch Stimmen zu vernehmen, die die Übernahme noch nicht in trockenen Tüchern sehen.
Was sagt die Opposition?Ganz unterschiedlich sehen ÖVP und Grüne – im Bund in einer Koalition – die Änderungen: ÖVP-Landesgeschäftsführer Patrik Fazekas sieht eine „Fortsetzung roter Verstaatlichungspolitik“; Grünen-Klubchefin Regina Petrik lobt einen „Meilenstein für die Lebensqualität“ von Menschen mit Behinderung.
Quartett der Pflegegesellschaften
Die Anstellung persönlicher und schulischer Assistenten (siehe Bericht oben) erinnert nicht zufällig an die Anstellung pflegender Angehöriger. Damit begann sich 2019 – noch unter Rot-Blau – das Anstellungskarussell des Landes zum pannonischen Mindestlohn zu drehen. Dafür wurde vor vier Jahren eigens die Pflegeservice Burgenland GmbH gegründet, zur Geschäftsführerin wurde die frühere SPÖ-Nationalrätin Klaudia Friedl bestellt.
Per 1. März 2023 waren 273 Personen angestellt, meist Frauen; bei der Gründung der Gesellschaft wurde noch mit 600 Angestellten gerechnet. Eine Zahl, die bisher nicht annähernd erreicht worden ist.
Mittlerweile gibt es in der Säule „Pflege & Soziales“ in der Landesholding vier Pflegegesellschaften. Neben der „Leitgesellschaft“ Soziale Dienste Burgenland (SDB), die nun die Assistenten anstellen soll, und der Pflegeservice Burgenland (PB) noch die Betreuung und Pflege Burgenland (BuP) und die Burgenländische Pflegeheim Betriebs-GmbH (BPB). Johannes Zsifkovits leitet nicht nur die Leitgesellschaft, sondern seit der Pensionierung Friedls auch die Pflegeservice GmbH.
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