Außergewöhnlich: Seit 80 Jahren „Dienst an der Orgel“
Er ist einer der bedeutendsten Komponisten zeitgenössischer Musik. Stefan Kocsis war als Sänger, Lehrer und Musikwissenschafter tätig und erhielt in seinem Leben zig Ehrungen und Auszeichnungen: Vom Bundespräsidenten wurde ihm der Professorentitel und vom Papst das Komtur des Gregorius-Ordens verliehen.
Dieser Tage feierte der Herr Professor ein außergewöhnliches Jubiläum: Seit 1943 ist der 92-Jährige in seiner Heimatgemeinde Unterpullendorf (Dolnja Pulja) als Kantor im Einsatz. Acht Jahrzehnte, fünf Bischöfe und sieben Päpste später, übt er „seine „Liebhaberei“ immer noch mit Freude aus. Für sein Engagement wurde Kocsis nun geehrt (siehe Bericht unten).
Eine unglaubliche Karriere
Als Kind lernte Stefan Kocsis das Akkordeonspiel. Und auch heute gilt seine Leidenschaft der Musik
Seinen Humor hat der 92-Jährige behalten. „Ich gehe ohnehin jeden Sonntag in die Messe, da kann ich gleich auf der Orgel spielen“, sagt der Jubilar und lacht. Auch Werke alter französischer Meister lässt der Herr Professor schon einmal im Gotteshaus erklingen. Es ist nicht nur die Musik, die seine Zuhörer in Staunen versetzt, auch seine Lebensgeschichte ist es.
Es war 1930, als Stefan Kocsis in Unterpullendorf zur Welt kommt. Zwölf Jahre später beginnt seine Laufbahn als Kantor. „Das war auch das Fundament meiner gesamten musikalischen Tätigkeit.“
Schon als Kind lernte der Sohn eines Landwirts in der Musikschule Akkordeon und Violine, später auch Klavier.
Die Anfänge
Stefan Kocsis wurde am 12.12.1930 in Unterpullendorf geboren. Im Februar 1943 wurde er Kantor. Ab 1948 studierte Kocsis an der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien Kirchenmusik (Hauptfach Orgel), Musikpädagogik, Klavier und Gesang
Sein Schaffen
Prof. Kocsis leitete 40 Jahre lang die Musikschule Oberpullendorf, unterrichtete am Gymnasium und am Haydn-Konservatorium. Er komponierte u. a. Orchester- und Chorwerke, Messen und Kantaten. 2022 erhielt er den Kulturpreis des Burgenlandes
Eine dunkle Zeit
Es sei aber auch die dunkelste Zeit in seinem Leben gewesen. 1943 waren alle Männer im Krieg eingerückt, auch der Kantor im Dorf. „Da bat mich der Pfarrer, Orgel zu spielen. So habe ich die Kantorei übernommen.“
Als Kind Totenlieder verfasst
Mit seiner Kinderstimme musste der Zwölfjährige auch Grablieder singen. Die Liedtexte für die Verstorbenen verfasste er selbst. Das war der Beginn seines Schaffens in der Kirchenmusik.
Den Vater konnte er überzeugen, dass seine Leidenschaft der Musik und nicht der Landwirtschaft galt. Und so machte sich der junge Burgenländer auf nach Wien, wo er Kirchenmusik, Klavier und Gesang studierte. „Mein Studium habe ich mit Lebensmitteln bezahlt“, erinnert er sich.
Am Wochenende reiste Kocsis in die Heimat: „Ich fuhr mit dem Blagusz – das war damals ein Lkw mit Bänken wie beim Heurigen.“ Ab 1951 ging es in die Welt hinaus.
Auftritte auf der ganzen Welt
„Ich war ein 21-jähriger Bursch aus Unterpullendorf und wollte in den besten Chor Europas.“ Eines Morgens hatte er den Professor des Wiener Akademie Kammerchors bei dessen Proben aufgesucht, Kocsis erwirkte ein Vorsingen.
Das war der Beginn seines elfjährigen Wirkens beim Wiener Akademie Kammerchor, mit dem er zu Auftritten auf der ganzen Welt reiste. „Mit 23 Jahren stand ich in Neapel auf der Bühne, mit einem Solo. Ich war furchtbar aufgeregt, aber es hat alles geklappt.“
Kaiser, Schah und Präsidenten getroffen
Fünf Mal war Stefan Kocsis auf Tournee in Amerika, er bereiste Europa, Persien und Asien. „Ich habe viele Kulturen kennengelernt, das war eine große Bereicherung meines Menschseins.“ Auch Präsidenten, Kaiser und den Schah hat Kocsis kennengelernt, er war zu Feiern berühmter Persönlichkeiten geladen.
Seiner Heimat ist er immer tief verbunden geblieben. Auf Bitten des damaligen Schulinspektors hat Kocsis 1952 die Leitung der Musikschule Oberpullendorf übernommen. Irgendwann habe er genug gehabt von den Tourneen, 1960 war seine Letzte.
Seit mehr als 60 Jahren verheiratet
„Ich war sehr verliebt“, sagt der Professor und blickt auf seine Frau Anna, mit der er seit mehr als 60 Jahren verheiratet ist. Das Paar zog sechs Kinder groß. Die Liebe zur Musik hat der Professor nicht nur an seine Nachkommen weitergegeben.
Neben der Leitung der Musikschule gründete Kocsis den Mittelburgenländischen Lehrerchor, dem er 27 Jahre vorstand. Angebote wie die Stelle eines Kapellmeisters bei den Wiener Sängerknaben schlug er aus. Er habe sich für das Burgenland entschieden.
Das Schaffen des Musikers
Seine Verdienste für das Heimat-Bundesland sind bedeutend: Kocsis komponierte 18 kroatische Messen und weitere Auftragswerke, die im Rundfunk live übertragen wurden. Um den Erhalt des kroatischen Liedgutes hat er sich ebenso verdient gemacht: Er bereiste das ganze Burgenland, um Volkslieder zu sammeln und zu vertonen.
Papstmesse
Sein Schaffen ist geprägt von der sakralen Musik, das kommt bei seinen Werken zum Ausdruck, wie auch bei der Papstmesse. Diese hatte er 1988 anlässlich des Besuchs von Johannes Paul II in Trausdorf komponiert.
Neue CD
Demnächst soll eine CD von KiBU (KomponistInnen und InterpretInnen im Burgenland) erscheinen, auf denen seine Werke zu hören sein werden. Woher der Professor die Energie nimmt? „Immer in Bewegung bleiben“, lautet seine Devise. Nicht nur an der Klaviertastatur ist er flink. Jeden Tag unternimmt er mit seiner Frau Anna Spaziergänge. „Für mich war immer die Familie Quelle der Kraft.“
Ehrung von Musica Sacra
„Unglaublich – das gabs noch nie“: Mit diesen Worten huldigte Wolfgang Horvath, Leiter von Musica Sacra Lockenhaus, dieser Tage Stefan Kocsis für dessen Engagement als Kantor seit 80 Jahren. Kocsis wurde zum Ehrenmitglied von Musica Sacra ernannt.
"Mit Musik berührt, getröstet und begleitet"
„Man muss sich vorstellen, wie viele Menschen Professor Kocsis in diesen 80 Jahren mit seiner Musik berührt, getröstet und begleitet hat – bis ans Ende. Das nötigt einem wirklich Respekt und Anerkennung ab – und grenzenlose Bewunderung“, erklärte Horvath in seiner Laudatio in der Pfarrkirche von Lockenhaus.
Horvath selbst hatte den Professor 1972 kennengelernt, als er bei ihm als Volksschüler den Aufnahmetest für den Geigenunterricht ablegte. „Ich war sehr aufgeregt, aber der Herr Direktor war sehr freundlich und sympathisch.“
Auch Horvath hat sich der Sakralmusik verschrieben und sich als Dirigent, Kirchenmusiker und Intendant des Festivals ORGELockenhaus einen Namen gemacht. Nun wolle er seinem Lehrmeister „persönlich für die jahrzehntelange Unterstützung und Wertschätzung, die mich getragen hat, aus ganzem Herzen danken“.
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