Gastronomie im Burgenland: Zwei Geflüchtete als Heurigenwirte

Gastronomie im Burgenland: Zwei Geflüchtete als Heurigenwirte
Ali und Luai Alhussein sind 2015 als Flüchtlinge nach Nickelsdorf gekommen – und geblieben. Heute führen sie hier einen Heurigen und sind integraler Teil der Dorfgemeinschaft geworden.

Luai Alhussein wirkt etwas abgehetzt, als er zehn Minuten nach der vereinbarten Zeit zum Gesprächstermin mit dem KURIER erscheint. Er entschuldigt sich mehrmals. Die Verspätung sei ihm verziehen, denn er und sein Bruder Ali haben gerade alle Hände voll damit zu tun, die „Stodl Schenke“ für den Saisonstart am 1. Mai auf Vordermann zu bringen.

Gastronomie im Burgenland: Zwei Geflüchtete als Heurigenwirte

Wie der Name schon vermuten lässt, ist das Lokal in einem bäuerlichen Stadel untergebracht, mitten im Nickelsdorfer „Hintaus“ der Urbarialgasse. Den urigen Heurigen haben die beiden Syrer im Sommer 2023 sozusagen gerettet. Als der bisherige Pächter aus gesundheitlichen Gründen kürzer treten musste, haben Ali und Luai ihre Chance erkannt. Und ergriffen. Wenn die beiden am kommenden Mittwoch wieder die Stadeltüren öffnen, können sie auf wichtige Erfahrungen aus ihrer ersten Saison als Heurigenwirte zurückblicken. „Ich war davor noch nie in einem Heurigen, das war fremd für mich. Ich wusste nicht einmal, wie dick man eine Scheibe Brot abschneiden sollte“, erzählt Luai und lacht.

Schmalz und Hummus

Ihre Wissenslücken füllten die syrischen Brüder, indem sie die Gäste um ehrliches Feedback baten. In der Küche bemühte sich Ali, die österreichischen Klassiker – vom Kümmelbratenbrot bis zur Heurigenplatte – beizubehalten. Zum Grammelschmalz gesellten sich in der Stodl Schenke fortan aber auch Hummus und andere syrische Spezialitäten wie Yaprak (gefüllte Weinblätter) oder Fattusch (ein orientalischer Salat). Die neue Speisekarte kam beim Nickelsdorfer Publikum bestens an.

Die beiden Wirte scheinen im Dorf generell sehr beliebt zu sein – das bestätigt auch Luai selbst: „Viele meiner syrischen Bekannten fragen mich, warum ich am Land wohne, obwohl ich in die große Stadt kommen könnte. Ich fühle mich dort aber nicht so wohl. Die Stadt ist gut zum Arbeiten, aber zum Leben und zum Freunde finden ist es am Land viel schöner.“

Gastronomie im Burgenland: Zwei Geflüchtete als Heurigenwirte

„Spritzer trinkt er keinen“

Ein Stammgast, der zufällig während des Interviews vorbeikommt, wirft ein: „Nur Spritzer trinkt er noch keinen. Aber das ist OK.“ Obwohl die Syrer selbst zwar weder Alkohol noch Schweinefleisch konsumieren, haben sie kein Problem damit, das in ihrem Heurigen zu servieren. „Das ist mir egal. Ich biete alles an, jeder wie er will“, sagt Luai.

Wirte zu werden, das war im Lebensplan der beiden Syrer eigentlich nicht vorgesehen. Im Sommer 2015 sind Luai, Ali und ihr dritter Bruder Judi (er arbeitet als Friseur in Wien) in Nickelsdorf angekommen. In der Pension „das Risa“ fanden sie eine Unterkunft. Die ersten acht Monate haben sie fast ausschließlich damit verbracht, Deutsch zu lernen. Nachdem ihr Asylstatus bewilligt war, beschlossen sie, Land und Leute besser kennenzulernen.

Anfangs wolle der heute 33-jährige Luai in Wien sein Studium abschließen. In Syrien hatte er bereits acht Semester Schiffsbau studiert – da dieser Studienzweig im Binnenland Österreich unbekannt ist, hat er stattdessen eine Ausbildung zum Zerspanungstechniker gemacht und drei Jahre lang bei einer Firma in Wien gearbeitet. Doch es zog ihn immer wieder zurück nach Nickelsdorf. Während seiner Ausbildung hat Luai im Restaurant Falb erste Erfahrungen in der Gastronomie gemacht. „Dort habe ich es sehr gemocht und richtig viel gelernt“, sagt er.

Zukunftspläne

Der Gastronomie wollen Ali und Luai weiter treu bleiben. Jenes Wirtshaus, in dem sie vor neun Jahren wohnen durften, wollen sie im kommenden Herbst übernehmen. Dann geht der jetzige Chef Alfred Kellner nämlich in Pension und übergibt seinen Betrieb in syrische Hände. Er sieht das als eine Form der Flüchtlingshilfe, wie er schmunzelnd anmerkt: „Damals, 2015, wollten am Anfang alle helfen. Übrig geblieben bin nur ich“.

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