LH Hans Peter Doskozil hat jüngst die ersten 50 Studenten verabschiedet, denen das Land das Medizinstudium an der Privat-Uni Krems finanziert. Insgesamt sollen es in den nächsten Jahren 350 werden. Ist der Medizinermangel damit behoben?
Nein. Bis diese Studenten im System sind, vergehen etwa zehn Jahre. Aber schon in fünf Jahren gehen 50 Prozent der niedergelassenen Ärzte in Pension. Außerdem mussten sich diese Studenten verpflichten, danach fünf Jahre im Burgenland zu arbeiten. Ob sie nach dieser Frist bleiben, hängt von der Attraktivität des Standorts ab. Es kann niemand wollen, dass sie hier arbeiten, weil sie müssen.
Hängt Attraktivität nur am Geld? Dann steht das Burgenland nicht so schlecht da, wenn die Gehälter hier zwischen denen der Steiermark und Wiens liegen...
Das Gehalt ist nicht alles, aber die Basis, um überhaupt Interesse zu wecken. Kolleginnen und Kollegen schauen sich die Arbeitsbelastung an und was sie dafür bekommen. Damit sie auch langfristig bleiben, braucht es attraktive Strukturen wie Teilzeit oder an die jeweilige Lebensphase angepasste Angebote; eine junge Ärztin mit Kleinkind hat andere Prioritäten als ein Oberarzt vor der Pension.
Bleiben wir beim Salär: Den letzten großen Konflikt mit dem Land gab es 2015, damals wurden die Grundgehälter der Spitalsärzte zwischen 20 und 30 Prozent angehoben. Soll es diesmal wieder so viel sein?
Ich möchte das nicht an Prozenten festmachen, aber das System muss optimiert werden, damit wir im Bundesländervergleich attraktiv bleiben. Das jetzige Gehaltssystem verläuft sehr flach, was für Assistenzärzte relativ gut, für Fachärzte hingegen schlecht ist. Deshalb fällt es extrem schwer, erfahrene Kollegen herzubringen.
Machen wir‘s konkret: Die landeseigene Krankenanstaltengesellschaft hat aktuell rund 50 Stellen ausgeschrieben. Ein Facharzt kann mit zumindest 90.000 Euro Jahresbrutto rechnen. Wie viel soll es künftig sein?
Es muss in einem Bereich sein, wo wir mit anderen Bundesländern in Konkurrenz treten können. Das Gehalt im Burgenland muss höher sein, und zwar merklich. Ich würde nicht für 100 Euro plus nach Wr. Neustadt wechseln.
Ist das realistisch, gerade fürs wirtschaftlich nicht ganz oben stehende Burgenland die höchsten Medizinergehälter zu verlangen?
Ich halte es für den falschen Zugang, dass sich das Burgenland immer nach unten orientieren muss. Das wäre so, als ob wir uns mit der B-Liga zufriedengeben. Ich will das nicht. Das Burgenland hat genauso Anspruch auf beste medizinische Versorgung und Top-Ärzte. Es geht darum, wie weit das Land bereit ist, sich budgetär aus dem Fenster zu lehnen. Je größer der Wurf, desto größer die Signalwirkung an wechselwillige Mediziner.
Wann soll die Gehaltsfrage geklärt sein?
Ziel war, die Reform bis Ende des Jahres abzuschließen, danach schaut es jetzt nicht aus. Aber ich mache keinen Druck, Start muss nicht am 1. Jänner 2023 sein. Mir ist lieber, es dauert etwas länger, dafür kommt aber ein gescheites Paket für alle Beteiligten.
Bleiben wir beim Geld, aber wechseln wir das Thema: Wie kann es sein, dass man in burgenländischen Spitälern bis zu einem Jahr auf eine Hüft-OP warten muss, sodass Patienten für viel Geld in Wiener Privatspitäler ausweichen, wo sie nur zwei oder drei Monate warten?
Dass unsere Wartezeiten zu lang sind, ist ein Kapazitätsproblem. Wir wären alle froh, wenn es schneller ginge, wir mehr operieren könnten und mehr Betten hätten.
Es liegt demnach nicht an fehlenden Ärzten?
Der Arzt ist ein kleiner Teil im Gesamtsystem. Für eine Operation braucht man OP-Säle, danach muss der Patient im Krankenhaus versorgt werden, er braucht ein Bett und Pflegepersonal.
Spitalsärzte, die auch eine Wahlarztordination führen, nutzen das System nicht aus?
Nein, das Wahlarztsystem ist eine Ergänzung zum Kassensystem. Ich bin Kardiologe und kann mir für meine Patienten in der Privatordination mehr Zeit nehmen. Aber meine Patienten bekommen deshalb den Termin im Spital für einen Herzkatheter um keinen Tag früher als andere auf der Warteliste. Das ist vielleicht in Wien mit den Privatambulatorien eine andere Geschichte. Aber im Burgenland gibt es das nicht, weil wir keine privaten Strukturen haben.
Die Ärztekammer ist stark männerdominiert. Auch Ihre zwei Vizepräsidenten sind Männer, im Präsidium ist nur eine Frau vertreten, im 13-köpfigen Vorstand sind vier Frauen...
Es ist ja nicht so, dass wir keine Frau als Vizepräsidentin wollten. Ich habe genug Kolleginnen angesprochen, die mir gesagt haben, zum jetzigen Zeitpunkt schaffen sie das zeitlich einfach nicht. Man kann es drehen und wenden, wie man will, aber Frauen haben in gewissen Lebensphasen eine Doppelbelastung. Es ist immer eine individuelle Entscheidung.
Das erklärt auch, warum es im Land so wenige Frauen in medizinischen Spitzenpositionen gibt?
Wenn sich für ein Primariat nur ein Mann bewirbt, gibt‘s keine große Auswahl. Ich würde Frauen zu Bewerbungen animieren, ich glaube, sie machen den Job gut.
Hat es Sie überrascht, dass LH Doskozil, immerhin Gesundheitsreferent in der Landesregierung, in eigener Sache gemeint hat, seine Operationen am AKH Wien seien sinnlos gewesen? Kein schmeichelhaftes Urteil für Österreichs Spitzenmedizin.
Ich wurde auch von Kollegen darauf angesprochen, die das als nicht sehr vertrauensbildend angesehen haben. Ich kenne seine Krankengeschichte nicht und will mich als Internist auch nicht so weit hinauslehnen. Generell sind leider manche Spezialeingriffe in Österreich einfach nicht durchführbar.
Fakten
768 Spitalsärzte und 551 niedergelassene
Mediziner waren bei der Ärztekammerwahl im Frühjahr wahlberechtigt
Bis 2027 können 50 Prozent der niedergelassenen Ärzte in Pension gehen. Um dem Ärztemangel entgegenzuwirken, will die Kammer mehr Geld für Mediziner und bessere Rahmenbedingungen
Sechs Monate hat der Verfassungsgerichtshof für die Prüfung einer Klage des Landes gegen das Ärztegesetz gebraucht; Ende September wurde sie abgewiesen. Das Land ist mit seinem Wunsch für eine Rückkehr zum verpflichtenden ärztlichen Bereitschaftsdienst an Wochenenden abgeblitzt
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