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Plastikinseln im Meer: Was wir gegen verdreckte Ozeane tun können

Seit seinem Start im japanischen Choshi am 5. Juni hat Benoît Lecomte eine Ohrenentzündung überstanden, ist mit Haien, Schildkröten, Krabben und Quallen geschwommen. Und mit Plastik. Es wird nicht seine einzige Begegnung mit dem Müll bleiben. Lecomte (Bild unten) will sich durch den Plastikkontinent zwischen Japan und den USA quälen (mehr dazu hier).

 

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Der Great Pacific Garbage Patch ist drei Mal so groß wie Frankreich und einer von fünf gigantischen Müllwirbeln, die sich in den Ozeanen ballen. Sinn der Quälerei: Der 51-jährige französische Extremschwimmer will in den kommenden Monaten die 8800 Kilometer bis San Francisco bewältigen, um auf die Meeresverschmutzung aufmerksam zu machen.

Wobei: Aufmerksam wären wir schon. Glaubt man einer aktuellen deutschen Umfrage, treibt uns die Sorge ums Meer derzeit um. Vor allem der Plastikmüll: 96 Prozent der Deutschen sehen in tonnenweise Flaschen, Sackerl und was sonst im Wasser treibt ein Problem. Und wir unterscheiden uns da wohl nicht allzu sehr vom großen Bruder.

Plastik-Strudel

Ja, es gibt viele Gründe, sich um die Weltmeere zu sorgen: Riffe sterben ab, Fischer fangen zu viel Fisch, Abwasser, Dünger und Sonnenschutz verschmutzen das Wasser. Bilder gewaltiger Plastik-Strudel, zugemüllter Strände, von Fischen und Vögeln, die am Müll sterben, schockieren die Menschen. Plastik gefährdet wegen der giftigen Inhaltsstoffe die Gesundheit von Mensch und Tier. Trotzdem gelangen pro Jahr etwa acht Millionen Tonnen in die Ozeane – etwa eine Müllwagenladung pro Minute. Besonders problematisch sind nicht recycelbare Plastikgemische und Mikroplastik, das sich von Funktionskleidung löst oder in Kosmetika enthalten ist. Schon 2050 könnte in den Ozeanen mehr Plastik treiben, als Fische darin schwimmen, warnten die Vereinten Nationen kürzlich.

Fünf globale Müllstrudel – dichte Ansammlungen von Abfall – sind derzeit bekannt. Vermutlich entsteht in der Barentssee nördlich von Norwegen und Russland, wo sich der Abfall der dicht besiedelten Küstenregionen Nordeuropas sammelt, gerade der sechste Müllwirbel. Und vor zwei Monaten hat es die Menschheit geschafft: Der Plastikmüll hat den tiefsten Punkt der Ozeane erreicht. Rekordhalter ist ein Sackerl auf 10.898 Meter Tiefe im Marianengraben. Kurz danach meldeten deutsche Forscher, dass nun auch an der am weitesten von Land entfernten Stelle, dem Point Nemo im Südpazifik, Mikroplastik nachweisbar ist.

Mikroplastik

„Werden Plastiksackerl zerrieben, bleibt Mikroplastik übrig. Alles, das kleiner als 0,5 mm ist, fällt in diese Kategorie“, erklärt der Wiener Meeresbiologe Gerhard . Das Problem: „Es wird vom tierischen Plankton aufgenommen, das es aber nicht verdauen kann. Die Tiere gehen ein.“ Bei Hunderten Arten wurde Plastik im Magen nachgewiesen. Folge: ein vorgetäuschtes Sättigungsgefühl, Verstopfung und Entzündungen des Verdauungstraktes bis zum Verenden. Inwieweit Mikroplastik am Ende der Nahrungskette auch uns Menschen gefährlich werden kann, wird erst erforscht. Biochemiker, Mikro- und Infektionsbiologen tun das derzeit im Netzwerk „MikrOMIK“.

Eines steht aber fest: „Abgebaut wird das Plastik sehr, sehr langsam. Teilweise sinkt es auch zum Meeresboden“, sagt Herndl. Wie viel es ist? Keiner weiß es genau. „Jedenfalls mehr, als wir derzeit annehmen. Bis zu 90 Prozent des gesamten Plastiks, das wir ins Meer schmeißen, endet letztlich im Meeresboden. Und das von dort wegzukriegen ...“, der Meeresbiologe seufzt resigniert. „Da wäre es interessant zu wissen, wie Mikroorganismen Plastik abbauen.“ Herndl, der auch im wissenschaftlichen Beirat von Ocean Clean up (siehe Geschichte rechts) sitzt, versucht gerade „Bakterien aus der natürlichen Bakteriengemeinschaft rauszuzüchten, die in der Lage sind, von Plastik zu leben. Das heißt auch, dass sie es langsam abbauen.“ Der Meeresbiologe erklärt, dass es nicht den e i n e n  heißen Kandidaten gibt, der diesen Job übernehmen kann. „Es wird eine Vielzahl von Bakterienarten brauchen, um das Plastik abzubauen.“

Weg vom Wegwerf-Plastik

Langfristig sieht er die einzige Chance in der Abkehr vom Wegwerf-Plastik. „Es bedarf eines Umdenkens in der Wirtschaft.“ Den Plastik- durch einen Aluteller zu ersetzen, hilft nicht. Recycling muss künftig eine viel zentralere Rolle spielen. Nur 14 Prozent des Plastiks weltweit werden derzeit wiederaufbereitet, in der EU sind es immerhin 31, in Österreich etwa 33 Prozent. Der Grund: Neues Kunststoffgranulat ist billiger. Der Großteil stammt übrigens aus nur fünf Ländern: China, Vietnam, Philippinen, Indonesien, Thailand und China.

Benoît Lecomte entfernt sich unterdessen immer weiter von diesem Teil der Hemisphäre. Egal wo zwischen Tokio und San Francisco er sich befindet – seine Begleitcrew wird mit einem Netz Plastik fischen. Forscher an Bord prüfen dann den Müll und die vielfältige mikrobielle Gemeinschaft, die den Abfall kolonisiert. Ziel: Herausfinden, wie lange das Plastik im Ozean war und welche Verwitterungsprozesse es in millimetergroße Partikel verwandelt haben. Nur wer den Feind kennt, kann ihn besiegen.