Ende Oktober anvisiert: USA bereiten Impfstoff-Verteilung vor
Die US-Regierung hat die Bundesstaaten aufgefordert, für die Verteilung eines möglichen Corona-Impfstoffes ab dem 1. November bereit zu sein. Der Chef der Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention), Robert Redfield, appellierte in einem am Mittwoch bekannt gewordenen Brief an die Gouverneure, die Fertigstellung von Verteilzentren bis zu diesem Datum sicherzustellen.
Verteilzentren rüsten sich
Zum 1. November müssten die Zentren "vollständig einsatzfähig" sein, heißt es in dem Schreiben von Ende August. Dazu müssten womöglich Vorgaben für Geschäfts- und Baugenehmigungen für das Unternehmen McKesson, das einen künftigen Impfstoff im Land verteilen soll, gelockert werden.
Der Brief zeigt den Willen der Regierung von Präsident Donald Trump, noch vor der Präsidentschaftswahl am 3. November einen Impfstoff zu genehmigen. Trump hat wiederholt die Hoffnung geäußert, dass ein Impfstoff zur Eindämmung der Pandemie bald zur Verfügung stehen könnte.
Impf-Experten zurückhaltend
Allerdings warnen Experten davor, einen Impfstoff ohne ausreichende wissenschaftliche Grundlage auf den Markt zu bringen. Zuletzt sorgte der Chef der US-Arzneimittelaufsichtsbehörde FDA, Stephen Hahn, mit der Aussage für Aufsehen, ein Impfstoff in den Vereinigten Staaten könne noch vor abschließenden Tests zugelassen werden. Bei einem Antrag des Herstellers auf Zulassung noch vor Ende der dritten und finalen Testphase werde seine Behörde eine Entscheidung auf wissenschaftlicher Grundlage treffen.
Die Pläne der CDC enthalten laut New York Times etliche technische Verteilungsdetails (Versand, Mischen, Lagerung und Verwaltung) für zwei nicht näher identifizierte Impfstoff-Kandidaten, die als Impfstoff A und Impfstoff B bezeichnet werden. Die Angaben scheinen sich auf die von Pfizer und Moderna entwickelten Produkten zu beziehen, die in klinischen Studien im Spätstadium am weitesten fortgeschritten sind.
Die Behörde weist in ihrem Papier außerdem darauf hin, dass Spezialisten in den verschiedensten Gesundheitsberufen zusammen mit für die nationale Sicherheit zuständigen Arbeitnehmern zu den ersten gehören sollten, die den Impfstoff erhalten. Personen ab 65 Jahren, Risikogruppen sowie sozial benachteiligte Minderheiten sollten ebenfalls priorisiert werden.
Die USA fördern die Entwicklung eines Corona-Impfstoffs mit Milliardenmitteln. Mehrere westliche Unternehmen befinden sich bei der Entwicklung eines Corona-Serums inzwischen in der dritten Phase. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden derzeit rund 30 Impfstoffe in diversen Prüfphasen am Menschen erprobt; eine Handvoll ist bereits in das entscheidende Entwicklungsstadium eingetreten. Darunter unter anderem der Wirkstoff "AZD1222" der Universität Oxford und des Pharmakonzerns Astra Zeneca, der Impfstoffkandidat "Picovacc" des chinesischen Unternehmens Sinovac, eine Impfung des Mainzer Biopharma-Unternehmen Biontech und dessen US-Partner Pfizer sowie das Mittel "mRNA-1273" des US-Biotechnologieunternehmens Moderna.
EU schloss Vorverträge ab
Die EU-Kommission hat sich mittels Vorverträgen bereits bis zu 400 Millionen Impf-Dosen gesichert. Die Verteilung erfolgt nach einer etwaigen Zulassung durch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA dann zentral. Man setzt derzeit auf den Impfstoff "AZD1222".
Russland preschte vor
In Russland war ein Corona-Impfstoff bereits im August zugelassen worden - noch vor Abschluss der finalen Testphase. Es handelt sich um das weltweit erste amtlich zugelassene Serum gegen den neuartigen Erreger. Westliche Wissenschaftler übten allerdings Kritik an der Entscheidung.
Trump ist für seinen Umgang mit der Corona-Pandemie scharf kritisiert worden. Der Republikaner liegt auch deswegen in Umfragen für die Präsidentschaftswahl am 3. November hinter seinem Herausforderer Joe Biden von den oppositionellen Demokraten.
Die USA sind gemessen an den absoluten Zahlen das am schwersten von der Corona-Krise betroffene Land der Welt. Seit Beginn der Pandemie wurden in den USA bereits mehr als sechs Millionen Infektionsfälle bestätigt, rund 185.000 Menschen starben an den Folgen einer Infektion.
Der Klassiker
Totimpfstoffe wurden schon vor Jahrzehnten in der Impfstoffentwicklung genutzt, die Technologie seither verfeinert. Das Kernkonzept blieb unverändert: Man verwendet Schlüsselantigene eines Erregers, also Proteine, die eine schützende Immunantwort auslösen. Diese stellt man üblicherweise in Hefezellen her und ergänzt sie durch Hilfsstoffe, die ihre Wirkung verstärken. Impfungen nach diesem Schema existieren etwa gegen Hepatitis B oder HPV. Vorteil: Die Technologie funktioniert und ist erprobt. Nachteil: Die Dosisfindung ist kompliziert, man muss nachimpfen.
Der Listige
Für Vektorimpfstoffe verwendet man einen Erreger, der für den Menschen harmlos ist. Dieser wird genetisch so verändert, dass er zum einen nicht mehr vermehrungsfähig ist (sich im Körper nicht hemmungslos ausbreiten kann) und zum anderen dem krankmachenden Virus, gegen den man immunisieren will, oberflächlich gleicht. Der so entstandene Vektor wird vom menschlichen Immunsystem als bösartiger Erreger verkannt, er bildet Abwehrstoffe, der Mensch bleibt aber gesund. Vorteil: Auch hier gibt es bestehende Impfstoffe, die nach diesem Prinzip funktionieren, etwa die neue Ebola-Impfung. Nachteil: Gegen den Vektor kann Immunität aufgebaut werden, man kann ihn dann nicht mehrmals verabreichen.
Der Neumoderne
Bei RNA-basierten Impfstoffen (Ribonukleinsäure, englisch RNA für „ribonucleic acid“) bekommt der Organismus den Bauplan eines Impfstoffes verabreicht. Der Körper erhält die Anleitung für jene Antikörper, die er gegen ein Virus produzieren soll. Dafür wird genetisches Material (RNA-Stücke des Virus) verwendet, das in den Zellen abgelesen wird. Diese bilden Antigene, die die Immunabwehr stimulieren. Nachteil: Die Impfungen sind oft weniger gut verträglich. Das ist der Preis für den großen Vorteil: die sehr gute lang anhaltende Immunantwort. Der Haken: Es gibt noch keinen RNA-basierten Impfstoff, der zugelassen wurde. Es muss im Falle von SARS-CoV-2 nicht nur die Impfung an sich, sondern auch die Technologie zugelassen werden.