Chikungunya: "Der Urlaub ist im Eimer"
Von zehn Fällen auf eine Million in nur einem Jahr: Am 18. Dezember 2013 informierte die US-Gesundheitsbehörde CDC die Öffentlichkeit über die ersten Fälle des Tropenfiebers Chikungunya in der Karibik: Bei zehn Einwohnern der Insel St. Martin konnte die Erkrankung eindeutig nachgewiesen werden. Davor kam Chikungunya ausschließlich in Afrika, Asien, Indien sowie auf einigen Pazifikinseln vor (auf Französisch-Polynesien infizierte sich kürzlich auch US-Schauspielerin Lindsay Lohan).
Ein Jahr später, am 16. 12. 2014, meldete die CDC bereits mehr als eine Million Verdachtsfälle auf dem gesamten amerikanischen Kontinent (siehe Grafik). "Das Virus wird sehr wahrscheinlich in weiteren Regionen von Nord-, Zentral- und Südamerika auftreten."
"Chikungunya wird sich in Amerika ähnlich flächendeckend und rasch ausbreiten wie das Dengue-Fieber seit Beginn der 90er-Jahre", sagt Univ.-Prof. Herwig Kollaritsch vom Institut für spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der MedUni Wien. Nicht einmal innerhalb von 20 Jahren hat Dengue den gesamten amerikanischen Kontinent erobert. "Die gute Nachricht ist: "Es scheint im Krankheitsverlauf etwas harmloser als das Dengue-Fieber zu sein. Todesfälle sind selten. Betroffen sind durchwegs ältere Menschen, die schon andere Grundkrankheiten haben." Allerdings: Da meist nur wenige Tage zwischen Mückenstich und ersten Symptomen vergehen, "ist in der Regel der Urlaub im Eimer".
Keine Impfung
In Amerika ist derzeit die asiatische Linie des Chikungunya-Virus im Umlauf: "Diese wird von der Gelbfiebermücke übertragen, die auch in der Karibik und in Südamerika überall vorkommt." Aber auch in Florida sind bereits elf lokale Krankheitsübertragungen nachgewiesen. Noch gibt es keinen Impfstoff gegen die Krankheit. Das Wiener Biotech-Unternehmen Themis konnte vor Kurzem eine erste Studie mit einem Impfstoffkandidaten erfolgreich abschließen: Das Präparat löste bei Geimpften die Produktion von Antikörpern (Abwehrstoffen) gegen das Virus aus, ist sicher und wird gut vertragen. "Der Ansatz ist gut, jetzt sind aber noch weitere Studien notwendig", sagt Kollaritsch.
Eine zweite Dengue-Infektion – mit einem anderen der vier Virustypen – kann schwerer verlaufen. Das Risiko liegt im einstelligen Prozentbereich. Trotzdem könne man wieder in die Tropen reisen. Kollaritsch: "Aber man sollte nicht in Gebiete mit massiver Dengue-Epidemie fahren, konsequent Mückenschutz anwenden und unter einem Netz schlafen."
"Tagsüber müssen Sie sich nicht einsprühen, nur am Abend." Diese Auskunft erhielt KURIER-Redakteurin Nina E. von Einheimischen auf Guadeloupe in der Karibik. Einige Tage danach litt sie unter hohem Fieber, Kopfschmerzen, Durchfall, Erbrechen. "Es war ein bleiernes Gefühl – ich war eine Woche schwer krank. So etwas hatte ich lange nicht erlebt, es war furchtbar." Diagnose: Dengue-Fieber.
"Es stimmt nicht, dass man sich nur am Abend einsprühen muss", sagt Reisemediziner Kollaritsch: "Die Mücken, die sowohl Dengue als auch Chikungunya übertragen, sind tag- und nachtaktiv, aber mit deutlicher Bevorzugung der Abendstunden. Man braucht rund um die Uhr einen Mückenschutz." "Auf Guadeloupe hatte von den Einheimischen niemand Dengue, aber sehr viele waren mit Chikungunya infiziert ", erzählt Nina E.
Geringes Risiko am Strand
Da mit diesem für die Karibik neuen Virus noch kaum jemand Kontakt hatte, haben bisher nur wenige Menschen schützende Antikörper. Unter den Touristen ist derzeit noch Dengue stärker verbreitet, aber Chikungunya nimmt zu. "Es gibt regelmäßig nach Österreich importierte Fälle", so Kollaritsch. Relativ wenig Risiko, gestochen zu werden, gibt es am Strand: "Mücken mögen weder salzhaltiges Wasser noch Wind."