ÖSV-Star Kriechmayr: "Es war nicht okay, betrunken zum Interview zu gehen"
Von Christoph Geiler
In der Talstation der Hahnenkammbahn wurde Vincent Kriechmayr erst bewusst, was es jetzt geschlagen hat. Da stand der Skistar in völlig ungewohntem Outfit, Lederhose, Lodenjanker, Haferlschuh, und registrierte, dass er nun einem erlauchten Kreis angehört. Dem Kreis der Hahnenkammsieger.
„Wenn du die Namen auf den Gondeln siehst. Unglaublich, welche Legenden das sind. Das ist schon ein großes Privileg, dass ich jetzt auch eine eigene Gondel habe“, sagte der 29-Jährige.
Kriechmayr erhielt diese Auszeichnung für seinen Erfolg im Jänner im Super-G, Biathletin Lisa Hauser wurde die Ehre einer eigenen Hahnenkammgondel zuteil, weil sie als Mitglied des Kitzbüheler Skiclubs im Februar WM-Gold gewonnen hatte. „Als Legende würde ich mich jetzt trotzdem nicht bezeichnen“, sagte Vincent Kriechmayr bei der Feier im neuen Starthaus der Streif. Der Doppelweltmeister sprach über . . .
- den Rummel um seine Person
„Es hat sich für mich nicht viel geändert. Einerseits habe ich wegen der Pandemie nur sehr wenige Termine wahrnehmen können. Dafür hatte auch jeder Verständnis, dass mir das Risiko zu groß war. Außerdem habe ich auch im Freien immer die Maske auf. Dann erkennt mich keiner, ich bin sicher, und es nimmt mir auch niemand übel. Da sieht dich heute keiner mehr blöd an, früher hätte sich jeder wahrscheinlich gefragt: Hat der einen Vogel?“
- die Motivation nach den Erfolgen im vergangenen Winter
„Die Motivation ist extrem hoch. Natürlich gibt es in jedem Sommertraining Phasen, in denen du abflaust und wo es dich nicht so freut. Grundsätzlich habe ich mich richtig auf das Training gefreut, weil ich ja weiß, welchen Nutzen das bringt, wenn man fleißig trainiert und nichts dem Zufall überlässt. Dann wird das auch mit Erfolgen belohnt.“
- Verbesserungspotenzial
„Wenn man erfolgreich sein will, dann muss man an sich selbst hohe Ansprüche haben. Ja, ich bin Doppelweltmeister, das ist ergebnistechnisch das Maximum. Aber natürlich hätte ich besser fahren können. Ich will besser werden in der Summe der Leistungen, die ich abrufen kann. Ich will konstanter werden und mich nicht aufs Glück verlassen.“
- die Olympiaabfahrt in Peking
„Ich kenn’ die Strecke nicht und weiß deshalb auch nicht, ob sie mir entgegen kommt. Das ist für jeden Athleten eine riesige Herausforderung. Mir taugt das eigentlich. Ich will’s nicht verschreien, aber ich mag es grundsätzlich gerne, zu einer komplett neuen, unbekannten Abfahrt zu kommen.“
- den Wettkampfkalender mit elf Abfahrten und sieben Super-G
„Es ist definitiv fairer geworden. Die Chancen sind größer, dass auch ein Speedfahrer den Gesamtweltcup gewinnen kann. Ein Aleksander Aamodt Kilde hat es ja gezeigt und es trotz des alten Kalenders geschafft, die große Kugel zu holen. Aber der Favorit bleibt Alexis Pinturault. Ich habe keine Ambitionen, dafür bin ich in der Abfahrt in der letzten Saison zu oft hinterher gefahren.“
- einen Start im Riesentorlauf von Sölden
„Aktuell trainiere ich sehr viel Riesentorlauf. Wenn ich fit und konkurrenzfähig bin und der Speed passt, dann bin ich dabei. Nur für einen Durchgang fahre ich sicher nicht mit."
- seinen leichten „Damenspitz“ beim ORF-Interview nach dem WM-Abfahrtssieg
„Es ist jetzt nichts Negatives an mich herangetragen worden, aber ich glaube schon, dass es negative Stimmen gab. Sicher, viele Leute haben mich positiv angeredet, die haben gemeint: Passt schon, wenn man Doppelweltmeister wird, dann kann man ruhig einmal feiern. Ich wollte mit allen anstoßen, die mir geholfen haben, das zu erreichen. Das ist auch okay. Ich selbst habe es nicht okay gefunden, dass ich betrunken zum Interview gegangen bin. Das Interview hätte nicht sein müssen."