Bericht: Wie einflussreich sind die türkische AKP und UID in Österreich?
Von Johanna Hager
Am 14. Mai finden in der Türkei Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt. Rund 61 Millionen Staatsbürger sind wahlberechtigt - drei Millionen Stimmberechtigte leben in Europa, allein 1,5 Millionen von ihnen in Deutschland, rund 108.000 in Österreich. Sie stellen einen nicht unerheblichen Stimmen- und damit Machtfaktor für den amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und seine Partei, die AKP (Adalet ve Kalkınma Partisi / Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung), dar.
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Bei der Präsidentschaftswahl 2018 spricht sich die Mehrheit der Austro-Türken - 72,3 Prozent - für Erdoğan aus.
Wie aus einem aktuellen Bericht der Dokumentationsstelle Politischer Islam (DPI) hervorgeht, machen sich "türkeistämmige Organisationen und Verbände stark, um die im Ausland lebenden, wahlberechtigten Türk/inn/en zur Teilnahme zu motivieren". Besonders aktiv seien Vereinigungen aus dem Umfeld der türkischen Regierungspartei AKP - namentlich die Union der Internationalen Demokraten (UID).
Die UID ist laut eigener Darstellung in 33 Ländern vertreten, der Dachverband hat seinen Sitz im deutschen Köln, in Österreich ist die UID laut Bericht an drei Standorten.
In Salzburg wird die UID von Erdem Poyraz geleitet, in Wien von Mahmut Koç, und in Vorarlberg von Evren Akkuş. Diese und andere Proponenten spielen nicht nur innerhalb der UID, sondern auch in der Regierungspartei AKP eine Rolle. Es gehe, wird die Journalistin Duygu Özkan im Bericht zitiert, darum, "Abgeordnete aus der Diaspora in das türkische Parlament wählen zu lassen".
Zum besseren Verständnis: 2018 wird die UETD (Union Europäisch-Türkischer Demokraten) in UID unbenannt - mit dem Ziel, dass der Verein eine "Brücke zwischen der Türkei und Auslandstürken in aller Welt" errichtet.
Laut deutschem Verfassungsschutzbericht 2021 stellt "die UID die Verbindungen zur Türkei durch vermehrt stattfindende Treffen mit AKP-Funktionären und türkischen Regierungsmitgliedern öffentlich zur Schau".
"Lobbyismus für die AKP"
Im deutschen Verfassungsschutzbericht 2017 wird die UETD nicht als "unabhängige Interessenvertretung türkischer Migranten", sondern als "eine regierungsnahe Vorfeldorganisation der AKP beschrieben, die im Sinne ihrer Mutterorganisation auf politischer und gesellschaftlicher Ebene Lobbyismus für Interessen der AKP betreibt".
Bei ebensolchen Treffen werde an die Bedeutung der Herkunft und der bevorstehenden Wahl appelliert. Gemäß DPI-Bericht sagt der UID-Regionalvorsitzende Hessens, Erkan Arslan, im Dezember 2022: "Wer die türkische Sprache verliert, verliert sein nationales Selbst, seine Werte, sein Wesen, wenn nicht sogar alles."
In Österreich sei die UID erstmals 2006 in Erscheinung getreten. Wie stark das Mobilisierungspotential hierzulande ist, macht der DPI-Bericht an einem Pro-Erdoğan-Marsch im Zuge der Gezi-Park-Proteste 2013 fest. 8.000 Menschen demonstrieren 2013 für den türkischen Präsidenten. Infolge der Unruhen und Ausschreitungen wirbt die UID im Ausland zudem für eine Verfassungsänderung: von einem parlamentarischen hin zu einem präsidialen Regierungssystem. An der Spitze des Systems steht Erdoğan - erst als Ministerpräsident und seit 2014 als Präsident. Am 14. Mai stellt sich Erdoğan der Wiederwahl.
Wie sehr sich die UID in den Dienst der AKP stellt, das wird im Februar 2022 offenkundig.
Hochrangige Funktionäre treffen sich damals anlässlich des Besuches des AKP-Politikers Efkan Âlâ bei einer Veranstaltung in Wien - live zugeschaltet wird Erdoğan. Im April 2023 wird Erdoğan erneut zugeschaltet - diesmal beim Fastenbrechen in Wien mit 1.000 geladenen Gästen anlässlich des Österreich-Besuches des türkischen Außenministers. Die grüne Gemeinderätin Berivan Aslan kritisiert die UID als "fragwürdige Lobbyorganisation, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird".
Auch auf Social Media-Kanälen ist die UID für die AKP aktiv, wie der Bericht der Dokumentationsstelle Politischer Islam auch mittels Screenshots darlegt. Die AKP wende sich an Auslandstürken mit Postings wie: "Wo auch immer auf der Welt, wir sind immer mit unserer ganzen Kraft bei unserer geschätzten Nation."
Der UID komme dabei insbesondere im Netz eine "Schlüsselrolle zu, übernimmt sie doch die Brückenfunktion zwischen der türkischen Regierung und der türkeistämmigen Diaspora".
"Brückenfunktion"
Ebendort werde bei Livestreams von Veranstaltungen auch offenbar, dass es eine enge Zusammenarbeit zwischen Moscheeverbänden und UID gibt.
"In Österreich sind die ALIF (Austria Linz Islamische Föderation), die ATIB (Avusturya Türk İslam Kül-tür ve Sosyal Yardımlaşma Birliği - Türkisch-Islamische Union für kulturelle und soziale Zusammenarbeit in Österreich) sowie die zur Ülkücü-Bewegung beziehungsweise zu den Grauen Wölfen gehörende ATF (Avusturya Türk Federasyonu) als Dialogpartner der UID bekannt", wie dem DPI Bericht zu entnehmen ist.
Die UID handle, so die Schlussfolgerung, "stellvertretend für die türkische Regierungspartei im Ausland". In ihrer Funktion als "Lobbyorganisation zieht die Union ebenso andere Vereinsstrukturen mit türkischer Prägung heran, um diese für ihre Bestrebungen zu nutzen".
Dafür spanne sie ein "breites Netzwerk" aus "Kooperations- und Dialogpartnern" außerhalb der Türkei und nutze deren Strukturen wie Räumlichkeiten für "ihre politischen Zwecke".
"Antisemitische und islamistische Positionen"
In einem zweiten Bericht fasst die Dokumentationsstelle die Tätigkeiten der Saadet Partei (türkisch: Partei der Glückseligkeit), gegründet 2001 von Necetim Erbakan, zusammen.
Die Saadet versteht sich als Partei eines Teils der Millî Görüş (Islamische Gemeinschaft Mili Görüs, die in Ländern der EU vom Verfassungsschutz beobachtet wird). Die Saadet Europe verstehe sich als "institutionelle Vertretung der Saadet Partei, die zum Teil noch heute an den antisemitischen und islamistischen Positionen Erbakans festhält".
Kooperationen mit AGD Türkei und AGD Europa würden zudem, so der Bericht des DPI, das "Weltbild der Millî Görüş-Bewegung" vermitteln, "wonach ein gläubiger Muslim aktiv an der Etablierung einer islamisch bezeichneten Ordnung mitarbeiten soll". Eine "herausragende Schlüsselrolle" übernehme dabei Arif Sen, der "einerseits die AGD Europa mit ihrem Hauptsitz in Wien leitet und der zugleich Verbindungen zur Saadet Partei, der Saadet Europe und zur AGD Türkei unterhält".