Nationalrat: Nehammer spricht von "miserablem Bild", Neuwahlantrag scheitert
Auf Verlangen von SPÖ und FPÖ kam der Nationalrat am Mittwoch zu einer Sondersitzung zusammen. Vorausgegangen waren dieser die Aussagen von Thomas Schmid, Ex-Generalsekretär und Ex-ÖBAG-Chef, vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, und die darin enthaltenen Vorwürfe gegen ÖVP-Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka und ÖVP-Klubchef August Wöginger.
SPÖ, FPÖ und Neos fordern Neuwahlen - der Antrag scheitert. Die SPÖ stellt einen "Dringlichen Antrag" an ÖVP-Chef und Kanzler Karl Nehammer. Gefordert werden "Sofortmaßnahmen zur Stärkung von Transparenz, Aufklärung und Anstand“. Die FPÖ bringt einen Misstrauensantrag gegen die türkis-grüne Regierung ein (Details und Hintergründe dazu lesen Sie hier). Auch dieser Antrag scheitert. Weiters fordert die FPÖ eine Verfassungsänderung, damit das Parlament seinen Präsidenten abwählen kann ("Lex Sobotka"). Selbiges ist derzeit nicht möglich.
Als Erster am Wort ist am Mittwoch Jörg Leichtfried, SPÖ-Vize-Klubobmann. Zuvor ergreift jedoch Hannes Amesbauer (FPÖ) das Wort. Er spricht sich für eine Gedenkminute für die Opfer des Terroranschlages vom 2.November 2020 aus. Dem wird nach einer Beratung aller Fraktionen Rechnung getragen.
Für Leichtfried führe die Koalition das Land von einer Krise durch die nächste statt aus der Krise. Nun ortet der SPÖ-Mandatar zudem eine demokratiepolitische Krise. "Reiche Menschen können es sich in diesem Land richten", so Leichtfried bezugnehmend auf Schmids Aussagen vor der WKStA.
Er zitiert Bundespräsident Alexander Van der Bellens Satz "So sind wir nicht" und schließt: "Bei der ÖVP bin ich mir da nicht mehr so sicher." Die ÖVP sei von einer endemischen Korruption betroffen, attestiert der SPÖ-Mandatar und fragt in Richtung Nehammer, ob er immer noch der Ansicht sei, die ÖVP habe kein Korruptionsproblem. Zudem will er wissen, ob der ÖVP-Chef Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka als tauglich für das Amt hält.
"Türkiser Selbstbedienungsladen"
Während Leichtfried spricht studiert der ÖVP- und Regierungschef fortwährend Unterlagen. Vizekanzler Werner Kogler und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner geben Leichtfried indes körpersprachlich Aufmerksamkeit. Bei der Cofag, so Leichtfried, handle es sich um einen "türkisen Selbstbedienungsladen".
Konkret fordert die SPÖ unter anderem Regierungsvorlagen, um Mandatskauf und Kandidatenbestechung strafbar zu machen, Korruptionsstrafbestimmungen für Spitzenpolitiker zu verschärfen und damit die Verjährungsfristen für Korruptionsdelikte zu verlängern, eine Informationsfreiheit einzuführen, Postenbesetzungen im öffentlichen Bereich transparent und objektiv zu gestalten sowie einen weisungsfreien und unabhängigen Bundesstaatsanwalt einzurichten.
Gegen 12h30 ergreift Nehammer das Wort. Die Ereignisse der letzten Wochen haben "tatsächlich ein schlechtes Bild unserer Institutionen" abgeben. Sollten die Vorgänge stimmen, so seien diese "zu verurteilen. Ich will nicht, dass unser Land so ein Bild nach außen abgibt. Das haben sich unsere Beamte, unsere Bürgerinnen und Bürger nicht verdient", so der ÖVP-Chef.
"So bin ich nicht, so sind wir nicht: Wer mit Steuergeld Schindluder treibt, der hat in Österreich nichts verloren."
"Das Bild ist ein miserables"
Die Vorgänge indes werden nur unabhängige Gerichte klären. "Ich spreche niemanden schuldig. Ich bin kein Richter", sagt Nehammer. Die Gesetze würden als Richtschnur gelten. Der ÖVP-Chef verwehrt sich gegen Vorverurteilungen. Über Recht und Unrecht, betont er erneut, entscheide einzig die Justiz. Nicht die Politik, nicht die Medien. "Das Bild ist ein miserables", gesteht Nehammer ein. "Ich möchte mich entschuldigen", führt er fort und richtet seine Worte an die Zuhörenden via TV. "Es tut mir leid, dass der Eindruck entsteht, wir würden die Nöte und Ängste der Menschen nicht sehen", so der ÖVP-Chef. Die Bundesregierung arbeite an der Krisenbewältigung, den Folgen der Pandemie und den Folgen des Ukrainekrieges.
Der Kanzler will, die Teuerung bekämpfen, ebenso die Korruption. Österreich liege auf Platz 13 von 180. Die Regierung sei bestrebt im Ranking besser zu werden. Dann lobt er die verabschiedeten Antiteuerungspakete der Regierung aus. Man möge auch an den 24.2. zurückdenken, so der Kanzler. An den Beginn des Ukraine-Krieges. Er will auf eine "Zeitreise" mitnehmen - und daran erinnern, dass die Versorgungssicherheit damals nicht gewährleistet schien. Nun, so der Kanzler, "ist die strategische Reserve gesichert". Österreich sei in Relation zu anderen EU-Mitgliedsstaaten ein kleines Land, doch es sei ein großartiges Land.
Österreich befinde sich in einer Energiekrise, beginnt SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner mit ihrer Rede. "Es braucht eine erfolgreiche Krisenbewältigung, doch diese erfordert Strategie, Planung und Entschlossenheit". All das habe die Bundesregierung ebenso wenig wie das Vertrauen der Bevölkerung. Die einzige Entschlossenheit, die die SPÖ-Chefin erkennen kann, ist der Wille der Koalition an der Macht zu bleiben. Die ÖVP sei mehr damit beschäftigt, sich selbst zu retten als das Land.
"Es ist untragbar, dass eine handlungsunfähige Bundesregierung" im Amt sei, so Rendi-Wagner. Es gehe um "politische Schamlosigkeit" und darum, dass "die Probleme der ÖVP zu Problemen dieses Landes werden". Die Grünen als Koalitionspartner hätten zudem keinen Mut, "dem unwürdigen Schauspiel ein Ende zu setzen". Die Grünen würden der ÖVP die Mauer machen. Dänemark zeige, so Rendi-Wagner, dass man keine Angst vor Neuwahlen haben müsse in Zeiten der Krise. "Machen Sie den Weg frei für eine Bundesregierung, die das Vertrauen der Bevölkerung hat", schließt die SPÖ-Chefin.
ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker sieht das naturgemäß anders. "Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen", so Stocker Helmut Qualitinger zitierend. Die Aussagen von Thomas Schmid hätten nichts Neues zu Tage gefördert, sondern die Unwahrheit. "Wir erleben Diskreditierung", so Stocker, doch "die Beschuldigungskarawane zieht weiter. Wir stehen hinter dem Präsidenten des Nationalrates". Zudem stehe man hinter ÖVP-Klubchef August Wöginger, der heute Geburtstag hat, wie Stocker sagt ehe er seine Arbeit lobt, die derzeit in der ob Schmids Aussagen bei der Opposition in der Kritik steht. Man werde sich für "strengere und bessere Bestimmungen bei Korruption" einsetzen. Die Regierung sei handlungsfähig und -willig.
Kickl: "Hochgradig moralisch verwahrlost"
Kurz nach 13 Uhr ist FPÖ-Chef Herbert Kickl am Wort. "Das hätte ihr großer Tag sein können. Weg von einem niederösterreichischen Parteisekretär zu einem österreichischen Staatspolitiker", sagt der FPÖ-Chef zu Nehammer, doch: "Sie haben es vergeigt". Der ÖVP-Chef lege einen "unglaubliche Wehleidigkeit an den Tag", ganz anders als bei der Ibiza-Affäre so der damalige Innenminister und Koalitionspartner Kickl. Die Regierung mache die Krisen noch schlimmer als sie sein müssten. Österreich habe als neutrales Land in einem Wirtschaftskrieg nichts verloren. Die ÖVP sei "hochgradig moralisch verwahrlost". Es sei kein Zufall, dass nur mehr Strafverteidiger ans Pult treten, so Kickl der damit Anwalt Stocker meint.
Maurer: "Schauderliches Bild"
"Die letzten Wochen haben ein schauderliches Bild geliefert", sagt auch die grüne Klubchefin Sigrid Maurer hernach. "Es ist unerträglich, dass sich der Eindruck verfestigt, dass man es sich richten kann". Die Grünen wollen sich deshalb, so Maurer, für transparente Parteikassen einsetzen. Auch bei der Vergabe von Inseraten werde es künftig Schlupflöcher mehr geben. Das entsprechende Gesetz gehe alsbald in Begutachtung. Maurer lädt insbesondere die SPÖ ein, dem Gesetz zuzustimmen - vor allem, weil Wiens Bürgermeister Michael Ludwig zu den größten Inseratenvergebern zählt.
Um das Vertrauen zurückzugewinnen, brauche man vollständige Aufklärung. Dass die Justiz gut arbeite, das zeige die Einvernahme von Thomas Schmid, die seit April nicht bekannt geworden ist.
"Das ganze Land gehört schon als Wurmfortsatz der ÖVP", sagt Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger erst Richtung August Wöginger. Dann am Rednerpult an alle gerichtet legt sie los, dass sie eigentlich "gar keine Lust hat hier zu stehen". Seit Jahren ändert sich nichts. 3,5 Jahre nach Ibiza würden nicht wenige Menschen sagen, "so sind die alle".
Es sei nicht "die Politik, die ein schlechtes Bild abgibt", sagt die Neos-Chefin. Es sei die ÖVP, die die Politik beschädigt und das Misstrauen in die Institutionen vergrößert. "Es geht nicht ums Strafrecht", betont sie weiter. Die Justiz sei nicht die letzte Instanz, wie die ÖVP betont, sondern es liege auch am Parlament, eine Änderung herbeizuführen. Indem strengere und schärfere Gesetze verabschiedet werden. SPÖ-Mandatarin Selma Yildirim plädiert für einen höheren Strafrahmen bei Korruption. FPö-Mandatar Christian Hafenecker kritisiert, dass Kanzler Karl Nehammer den Platz verlassen hat. Andreas Kollross von der SPÖ moniert selbiges. Ähnlich auch die Kritikpunkte. "Mit er
Es müssten alle Fraktionen, so Neos-Mandatar Nikolaus Scherak, die Änderung herbeiführen, sich u.a. für das Informationsfreiheitsgesetz einsetzen. "Wir müssen die Reformen jetzt angehen."