Anschober gibt "Fehler" zu: "Kommunikation ist der Schlüssel"
Bei der ORF-Talksendung Im Zentrum war am Sonntagabend Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) zu Gast – umringt von österreichischen Pandemie-Experten aus sämtlichen Bereichen. Einer zeigte sich durchaus kritisch. Die nicht immer stringente Kommunikation der Regierung über Pressekonferenzen, „von oben nach unten“, habe er als „schwierig“ empfunden, meinte der Medizinethiker Ulrich Körtner. „Es ist fast ein Glücksfall, dass es jetzt eine Mutation gibt.“ Dadurch sei wieder eine Art „Einstimmigkeit“ in der Bevölkerung entstanden, so Körtner. Auch das „Licht am Ende des Tunnels“ störe ihn. Und die Kommunikation des Impfplans.
Ja, man habe zu wenig Übereinstimmung gehabt, gab ihm Anschober recht. Es seien Fehler gemacht worden. „Ein klassisches Beispiel“ seien die Öffnungen im Sommer gewesen. „Das hat dazu geführt, dass es eine andere Grundstimmung gegeben hat“, so Anschober. Die Menschen wieder in die schwierige Phase im Herbst mitzunehmen, sie darauf einzustimmen, das habe man kommunikativ nicht mehr wirklich geschafft. „Kommunikation ist der Schlüssel von dem was überbleibt in der Öffentlichkeit“, betonte der Minister.
Bedrohliche Mutanten
Im Zentrum aktueller Debatten steht vor allem die mutierte Virus-Variante „B.1.17“ aus Großbritannien. Diese Variante, aber auch die südafrikanische Variante konnte man bereits in Österreich nachweisen, sagte der Virologe Andreas Bergthaler. Mehr als 100 Verdachtsfälle müssen noch endgültig ausgewertet werden. Das Ergebnis sei für Montagnacht oder Dienstag zu erwarten, so Bergthaler. Auch die Mutation „P.1“, nunmehr in Brasilien mit leider bereits sehr durchschlagendem Erfolg unterwegs, bereite Sorge.
Was bedeutet das für die Impfung? Die Vakzinologin Ursula Wiedermann-Schmidt beschwichtige zumindest im Fall der „englischen Variante“: Gegen diese sollten die aktuellen Impfstoffe wirken. Parallel arbeite man aber bereits an modifizierten Impfstoffen.
Was sieht der Simulationsforscher auf uns zukommen, im Angesicht der Mutanten? Niki Popper blieb zurückhaltend: „Uns fehlen drei ganz wichtige Parameter.“ Die wären: Wie infektiös ist das Virus tatsächlich, wie stark ist es verbreitet, welche Maßnahmen bleiben gesetzt? Diese Erkenntnisse zu vereinen, das werde man nun in internationaler Zusammenarbeit vorantreiben. „Was da auf diesem Planeten zurzeit an Kooperation zwischen Wissenschaftlern passiert“, über so viele Grenzen hinweg, sei immens, ergänzte Anschober.
Noch keine Alternative zu Lockdowns
International betrachtet hangeln sich derzeit so gut wie alle demokratischen Staaten von Lockdown zu Lockdown. Was tun, damit dieser Teufelskreis endlich ein Ende hat?
Die Epidemiologin Eva Schernhammer wurde deutlich: Durch Lockdowns werde eine Art „künstliche Immunität“ erzeugt. Sonst habe man aktuell nichts gegen das Virus in der Hand. „Ich sehe dazu keinerlei Alternativen“, sagte Scherhammer – abgesehen von der Impfung. Immerhin: Sollte der AstraZeneca-Impfstoff Ende Jänner in der EU tatsächlich zugelassen werden, können im ersten Quartal in Österreich 1,6 Millionen Menschen geimpft werden.
Keiner weiß es
Insgesamt sei das alles nicht lustig, meinte Körtner. Die Regierung handle ein bisschen wie im Alten Testament, spreche Gebote aus, die Bevölkerung suche nach Schlupfwinkeln. Aber: Wie bringe man die Menschen dazu einen „Gemeinwohlgedanken“ zu entwickeln? Das fehle.
Verordnungen hin, Gebote her: Wie es ob der Mutationen weitergeht, das macht auch den Wissenschaftlern zu schaffen. „Wissen tut's keiner, oder?“, brachte es Bergthaler auf den Punkt.