Politik/Ausland

Astra Zeneca im Clinch mit der EU: Das steht im Vertrag

Die EU-Kommission hat auf ihrer Homepage den Liefervertrag mit Astra Zeneca offengelegt. Sensible Passagen wurden geschwärzt. Der Vertrag kann hier heruntergeladen werden.

Astra Zeneca "bemüht sich, nach besten Kräften", die verfügbaren Produktionskapazitäten zu erhöhen, steht in dem Vertrag. Um diese Passage wird derzeit gestritten. Es ist vor allem ein Streit um die Deutungshoheit, ob die aktuellen Lieferverzögerungen ein Vertragsbruch ist oder nicht. Für die EU sind die Bestellungen bei Astra Zeneca verbindlich, der Pharmakonzern sieht das anders.

Doch auch die Passagen, in denen es um Liefermengen geht, die für das erste Quartal vorgesehen sind, wurden allerdings geschwärzt.

Geschwärzte Passagen sichtbar

Wie der Spiegel zuerst berichtete, waren durch einen technischen Fehler auch die geschwärzten Passagen teilweise sichtbar - allerdings immer nur der erste Absatz. Dadurch wurden auch Details öffentlich, die eigentlich geheim bleiben sollten. Etwa, dass der Warenwert bei 870 Millionen Euro liegt. Und dass Astra Zeneca bei der Lieferung kein Verlust entstehen darf.

Die Passagen darüber, wie viele Dosen AstraZeneca zu welchen Zeitpunkten liefern soll, blieben weiter versteckt.

Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA plante für heute die Zulassung des Impfstoffes von Astra Zeneca, doch seit Tagen dominiert die Diskussion um die Lieferprobleme: Astra Zeneca hat angekündigt, der EU bis Ende März nämlich nur 31 Millionen statt 80 Millionen Impfdosen liefern zu können. Es gebe Probleme bei einem Werk in Belgien, so der britisch-schwedische Pharmakonzern.

Für die europäische Impfstrategie ist das ein herber Rückschlag - auch Österreich muss seinen Impfplan adaptieren: Bis Ende März hätten alle Über-65-Jähringen geimpft werden sollen. Daraus wird jetzt wohl nichts.

Die EU will das so nicht akzeptieren und pocht auf die Einhaltung der Verträge. Man habe nur eine "Best effort"-Vereinbarung mit der EU abgeschlossen, kontert Astra Zeneca-Chef Pascal Soriot. Heißt: Man ist nicht verpflichtet, zugesagte Mengen zu liefen, man müsse nur sein Bestes geben, die Lieferungen einzuhalten. 

Mehrere Krisensitzungen zwischen den Streitparteien brachten bislang keine Einigung. Bis gestern: Wie die Frankfurter Allgemeine berichtet, soll Soriot zugesagt haben, mehr Impfdosen zu liefern. "Es ist nicht wahrscheinlich, dass wir doch noch auf 80 Millionen kommen. Aber es sollten doch deutlich mehr werden als 31", hieß es.

Alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen

Bei EU-Ratspräsident Charles Michel steigt die Sorge ob des Lieferengpasses: "Ungerechtfertigte Verzögerungen würden die Leben von Millionen Menschen gefährden." Pharma-Unternehmen müssten ihren Verpflichtungen nachkommen. 

Michel hat angekündigt, die EU werde "alle rechtlichen Möglichkeiten und Durchsetzungsmaßnahmen" ausschöpfen, um eine "wirksame Impfstoff-Produktion und Versorgung für unsere Bevölkerung sicherzustellen."

Dabei bringt der Ratspräsident auch Notmaßnahmen ins Gespräch: Konkret bezieht er sich auf Artikel 122 der EU-Verträge, der gewisse Maßnahmen bei Versorgungsengpässen ermöglicht. Demnach können EU-Staaten die EU-Kommission beauftragen, gezielte Maßnahmen zur Beschleunigung der Impfkampagne zu ergreifen.

Das könnten etwa Vorkehrungen sein, Impfstoffe bereits vor der Zulassung an die EU-Staaten zu verteilen. Es könnte aber auch bis hin zu Zwangslizenzen für Impfstoffe gehen, so dass Konkurrenten diese gegen Gebühr produzieren könnten, sagte ein EU-Vertreter.

Impfstoff-Exporte stoppen

Gestern Abend wurde weiters bekannt, dass die EU seinen Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumen will, Exporte von Corona-Impfstoffen notfalls zu blockieren. Heute sollen nähere Details verkündet werden. Hauptziel ist, Informationen über Ausfuhren zu sammeln und sicherzustellen, dass diese nicht zulasten von in der EU bestellten Lieferungen gingen.

"Es ist kein Exportverbot", stellt ein EU-Vertreter zu dem geplanten "Transparenz- und Lizenzierungsmechanismus" klar. "Die Grundannahme ist, dass die Ausfuhren wie vorgesehen stattfinden werden." In "seltenen Fällen" könne es aber dazu kommen, dass die Exporterlaubnis verweigert werde. 

In der Praxis müssten die Hersteller den für sie zuständigen nationalen Behörden mitteilten, "was, wann, zu wem und in welchem Umfang" sie exportieren wollten. Die nationalen Stellen könnten dann die Ausfuhren freigeben oder verweigern. Die Entscheidung darüber solle in weniger als 24 Stunden erfolgen.

Astra Zeneca Werk kontrolliert

Die belgische Arzneimittelbehörde hat unterdessen auf Wunsch der EU-Kommission das von Produktionsschwierigkeiten betroffene Astra Zeneca-Werk inspiziert. "Wir prüfen jetzt Dokumente und Daten", sagte eine Sprecherin der Behörde.

Die Untersuchung soll zeigen, ob die Verzögerung tatsächlich auf ein Produktionsproblem zurückzuführen ist. 

In dem Vertrag wird allerdings auch festgelegt, dass AstraZeneca außerhalb der EU produzieren kann, um die Impfstofflieferung in die Gemeinschaft zu beschleunigen. In dem Dokument sind einige Passagen wie zu den ausgehandelten Preisen geschwärzt. In dem Vertrag steht nicht, ob der Konzern verpflichtet ist, in Großbritannien produzierte Impfdosen in die EU zu liefern. Die EU-Kommission pocht dagegen darauf, ein Recht auf Dosen aus britischer Produktion zu haben.

"Es gibt verbindliche Bestellungen und der Vertrag ist glasklar", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Deutschlandfunk. Das Unternehmen selbst habe im Vertrag vier Produktionsstätten genannt, zwei davon in Großbritannien. AstraZeneca habe der EU auch ausdrücklich versichert, dass keine anderen Verpflichtungen der Erfüllung des Vertrages entgegenstünden. "Wie sie das dann zum Schluss managen, ist die Aufgabe des Unternehmens." Die britische Regierung lehnte eine Veröffentlichung ihres eigenen Vertrags mit AstraZeneca ab. Ein Sprecher von Premierminister Boris Johnson erklärte, es sei üblich, über Verträge Stillschweigen zu bewahren.

 

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