Yoga gab's bei uns schon vor 130 Jahren
Von Laila Docekal
Wer fleißig Yoga-Stunden besucht, um sich und seinem Körper Gutes zu tun, denkt dabei wohl kaum an deutsche Naturheilkunde, an die Lehre von Sebastian Kneipp oder an skandinavische Gymnastikpraktiken. Doch das sind alles Einflüsse, aus denen sich das heute so beliebte Yoga zusammensetzt. Aus dem lange belächelten Hippie-Trend hat sich längst eine ernst zu nehmende Massenkultur mit einer florierenden Industrie entwickelt.
„Historisch gesehen, ist Yoga zwar etwa 2500 Jahre alt, aber das moderne Yoga wurde erst später zwischen Indien und dem Westen entwickelt. Punktuell gab es schon im Mittelalter Kontakte, wenn nicht sogar in der Antike“, erklärt Univ.-Prof. Karl Baier vom Institut für Religionswissenschaft anlässlich einer internationalen Konferenz zum Thema „Yoga in Transformation“, die von Donnerstag bis Samstag in Wien stattfindet.
„In Indien gab es zwar auch frühe Ansätze, die Heilkraft der Natur zu nutzen, aber der Zugang im Yoga kam aus der deutschen Naturheilkunde.“ Der sportliche Aspekt von Yoga wurde erst durch das englische Erziehungssystem und skandinavische Gymnastikpraktiken in Indien etabliert.
Lange vor den Hippies
Nur wenige wissen, dass Wien schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts von der ersten „Yogawelle“ erfasst wurde – zunächst allerdings nur in seiner ursprünglichen Form als Meditationspraxis. Damals interessierte sich nur eine kleine Elite für die indische Lehre, darunter etwa Friedrich Eckstein, der Privatsekretär von Anton Bruckner und ein Freund Sigmund Freuds.
Durch das rege Interesse aus Europa erlebte Yoga in Indien ein Revival und wurde durch westliche Einflüsse weiterentwickelt. „Die ursprünglichen Asanas (Körperstellungen im Yoga, Anm.) wurden so erst mit Elementen aus nordeuropäischer Gymnastik zusammengeführt“, erzählt der Forscher Baier.
Hierzulande missbilligte man die europäisierten Asanas zunächst allerdings als Verbiegungsartistik. Das sollte sich bald ändern. Spätestens in den 1960er-Jahren etablierte sich Yoga als globales Phänomen – sogar in islamischen Ländern steigt die Zahl praktizierender Yogis.
Natürlicher Prozess
„Durch die gesellschaftlichen Veränderungen mit ihren neuen Bedürfnissen ist das moderne Yoga nicht mit dem traditionellen Yoga von vor 300 Jahren vergleichbar“, sagt Baier. Aus Sicht des Religionswissenschafters ein natürlicher Prozess: „Auch TCM (Traditionelle Chinesische Medizin) und Qigong haben sich im Laufe der Zeit stark verändert. Sie sind auch nur mehr teilweise das, was vor 200 Jahren praktiziert wurde.“ Alles, was heute als traditionelle Lehre verkauft wird, sei bestenfalls eine stark modernisierte Variante – „man kann aber sicher nicht von unveränderter Tradition sprechen.“ Laut Baier trage Yoga einen Nimbus, der mehr Ehrfurcht weckt als etwas, das erst vorgestern erfunden wurde.
Nicht zuletzt trägt dieser Nimbus auch zur Massenkultur und der riesigen Industrie drumherum bei – abseits von Yoga-Schulen gibt es eigene Matten, Yoga-Sitze oder etwa Trainingskleidung.
Yoga-Charity
Der spirituelle Aspekt von Yoga ist trotz aller Modernisierung erhalten geblieben. „Den Praktizierenden geht es nicht nur um Gesundheit, innere Ruhe und inneres Gleichgewicht, sondern auch um die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft und um die spirituelle Denk- und Lebensweise.“
So hat sich in den vergangenen Jahren ein Trend zu „Yoga-Charities“ entwickelt. Bei global organisierten Yoga-Treffen, wird rund um die Erde zum Sonnenaufgang Yoga praktiziert. Die daraus gewonnenen Einnahmen werden einem guten Zweck gespendet – etwa Hilfsprojekten in Indien.
Hier geht's zum Programm der Internationalen Yoga-Konferenz in Wien
Was gute Yoga-Lehrer ausmacht
Allein im österreichischen Yoga-Guide sind 30 verschiedene Yogastile und Mischformen sowie mehr als 1000 Yoga-Adressen aus Österreich angeführt. Bei der Riesenauswahl ist ein Neuling schnell überfordert. Zumal die Qualität nicht überall dieselbe ist.
Das Grundproblem erläutert der Yogaforscher Univ.-Prof. Karl Baier: „Yoga ist kein geschützter Name. Jeder kann sagen, ich mache jetzt Yoga. Dadurch, dass die Ausbildungen immer besser werden, wird es immer schwieriger, als Nicht-Ausgebildeter zu unterrichten.“ Grundsätzlich sei die Erwartungshaltung, mit der man in eine Yoga-Stunde geht, eine ganz andere als bei einem anderen Work-out. „Obwohl sich die Übungen gar nicht so stark unterscheiden – vielmehr das Ambiente.“
Laut Elfi Mayr, der Herausgeberin des österreichischen Yoga-Guides, sind für das richtige Ambiente keine Kerzen und Räucherstäbchen notwendig. „Yoga ist etwas sehr Persönliches. Die Sympathie muss passen, man muss mit dem Lehrer und der Gruppe können.“
Einen guten Yoga-Lehrer erkenne man außerdem an seinem Einfühlungsvermögen für seine Schüler. „Er geht vor allem auf Anfänger ein, leistet Hilfe und macht Alternativ-Vorschläge, wenn man sich mit einer Übung noch schwertut. Er weiß zwar, was er in der Stunde machen will, geht aber auf die Bedürfnisse der Schüler ein.“ www.yogaguide.at