Sportjournalistinnen im Fokus: "Die kann das!"
"Herzlich willkommen im ’Sport am Sonntag’-Studio." 43 Jahre nach der Erstausstrahlung der Sendung, damals noch unter dem Titel "Sport am Montag", sprach diesen Satz vergangenes Wochenende zum ersten Mal eine Frau. Moderatorin Alina Zellhofer wird künftig ebenfalls die wöchentliche Sportsendung des ORF präsentieren.
Als Sportjournalistin ist Zellhofer in Österreich Teil einer Branchenminderheit. Laut der Initiative "Wir Frauen im Sport", die sich für die Vernetzung und Gleichstellung von Frauen im Sport einsetzt, beläuft sich der Frauenanteil in heimischen Sportredaktionen auf knapp zehn Prozent. "Zu wenig und schade" findet das Elisabeth Auer, Obfrau von "Wir Frauen im Sport", Infochefin der "Kurier NEWS" auf Schau TV und selbst ehemalige Sportjournalistin.
Kompetenz-Zweifel
Die Probleme, mit denen Sportjournalistinnen konfrontiert sind, gehen laut Auer über die geringe Quote hinaus. "Bei Sportjournalistinnen wird oft zuerst die Kompetenz infrage gestellt. Da heißt es dann ’Die kennt sich nicht aus’ oder ’Wir haben keine gefunden, die das gut kann’", kritisiert sie.
ORF-Sportchef Hans-Peter Trost sieht diese Problematik – in seiner Redaktion – nicht. "Ich frage eine Frau nie, ob sie sich im Sport auskennt, sondern ich erfrage den Zugang, den sie zu ihrem Job hat und ob sie sich im Sportjournalismus sieht." Das Bekenntnis zur Gleichstellung zeige Wirkung, der Frauenanteil im Sportressort soll weit über dem Schnitt bei 41 Prozent liegen. Frauen, wie im Fall von Alina Zellhofer, sichtbar zu machen, reicht für Trost aber nicht aus. "Für mich ist es genauso wesentlich, Frauen zu finden, die ihre Handschrift bei einer Sendungsleitung hinterlassen wollen. Das ist viel schwieriger als Moderatorinnen zu finden." Verstärkt junge Frauen aufzubauen, gestalte sich ebenfalls schwierig. Das sei zum einen der Personalpolitik des ORF geschuldet – zum anderen "kommen über Fachhochschulen oder andere Ausbildungswege gar nicht so viele potenzielle neue Mitarbeiterinnen zu uns."
Stichwort Nachwuchs: Dort, wo künftige Generationen von Sportjournalistinnen und Sportjournalisten ausgebildet werden, versucht Minas Dimitriou Akzente in Richtung Geschlechtergerechtigkeit zu setzen. Als Geschäftsführer des Lehrganges Sportjournalismus an der Universität Salzburg, wo der Frauenanteil laut Dimitriou stabil bei etwa 30 Prozent liegt, sind für ihn zwei Bereiche wichtig: "Einerseits geht es darum zu erörtern, warum Frauen – Journalistinnen wie Sportlerinnen – in Medien unterrepräsentiert und mit Stereotypen konfrontiert sind. Andererseits gilt es auch Maßnahmen zu besprechen, damit die Situation verbessert werden kann."
Subtiler Sexismus
Dass in der Tat noch Verbesserungsbedarf besteht, bestätigt eine qualitative Erhebung von Aleksandra Klepic, die sich im Zuge ihrer Magisterarbeit an der Universität Wien mit der Arbeitsrealität von Sportjournalistinnen in Österreich auseinandergesetzt hat. Dafür führte Klepic, die selbst berufliche Erfahrungen im Sportjournalismus gesammelt hat, mit zwölf Sportjournalistinnen Interviews. Keine der befragten Frauen habe von offenem Sexismus oder Diskriminierung berichtet. Allerdings habe sich sehr wohl gezeigt, dass Sportjournalistinnen mit latenter Ungleichbehandlung konfrontiert sind: "Das Gefühl, in eine Männerdomäne vorgedrungen zu sein, wird durchaus erlebt", sagt Klepic. Ein Umstand, der besonders an der Zuweisung von vermeintlich "weiblich" besetzten Themen wie Eiskunstlauf oder Pferdesport deutlich werde, wie auch an der Besetzung medialer Hauptsportarten wie Fußball und Motorsport durch männliche Kollegen.
Von immer größerer Bedeutung scheinen im Hinblick auf gesteigerte Karrierechancen und Präsenz für die Frauen Netzwerke zu werden. "Die Frauen wollen sich dadurch vertreten und gehört fühlen, um am Arbeitsmarkt sichtbarer zu werden und sich zu beweisen", erklärt Klepic.
Bewusstsein bis Quote
Chancengleichheit will Trost in seiner Redaktion künftig verstärkt durch Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung unterstützen. "Das betrifft die Sprache, aber auch die Beitragsgestaltung, die Förderung von Mitarbeiterinnen und das Sichtbarmachen von Frauen." Letzteres soll im Laufe des kommenden Jahres durch die erste Fußballkommentatorin im ORF vorangetrieben werden.
Für Auer müssen Lösungswege primär auf struktureller Ebene gegangen werden. Die Geschlechterverhältnisse in Sportvereinen und -verbänden würden maßgeblich zur Unterrepräsentanz von Frauen beitragen. Neben "Altlasten in diversen Gremien" stoßen Auer jüngste Entwicklungen sauer auf: So seien etwa Aufsichtsrat und Kommissionen der Bundes-Sport GmbH, die seit 2018 für die Verteilung von Sportfördergeldern zuständig ist, ausschließlich mit Männern besetzt worden. "Diese frauenfeindlichen Strukturen ziehen sich durch alle Bereiche. Das Problem ist, dass diese Menschen bestimmen, wie die Sportagenda in Österreich auszusehen hat. Wenn wir also über Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung sprechen, dann müssen wir auch darüber sprechen, dass sich ohne Quote für Frauen genau gar nichts ändern wird."