Leben/Reise

Italien: Am Dach des Mailänder Doms

Die Besucherin aus Deutschland ist verzückt. „Wow, dieses Panorama! Da drüben, das Hochhaus Torre Velasca. Und schau, da hinten sieht man sogar die Alpen“. Zu Recht: Denn der Blick von hier, ganz oben, auf Mailand ist – angelehnt an den Zwanzigschillingblick am Semmering – ein Zehnmillionenlireblick.
Es ist ein beglückendes Erlebnis, sich am besten an einem lauen Abend zum Aufstieg auf den Mailänder Dom aufzumachen. Hat man sich rechtzeitig ein Ticket gesichert (online, denn die Schlange vor der Verkaufsstelle unten am Platz ist sehr lang), so bieten sich zwei Optionen: entweder per Lift in die Höhe oder zu Fuß. Wobei zu Fuß eindeutig empfehlenswerter ist, denn die rund zweihundert Stufen haben auch unsportliche Menschen längst geschafft, während die anderen noch unten am Lift warten. Oben am Dach sind bequeme Treppelwege angelegt, die die gesamte Länge des Doms entlangführen. Am Ende gelangt man zu einer weiteren kleinen Treppe, die direkt auf die Dachfläche über dem Kirchengebäude führt. Dort können die Besucher herumwandern, herumlungern und staunen.

Die gotischen Turmspitzen sind zum Greifen nah, erheben sich direkt vor uns wie trutzige Zinnen einer Burg. Man fühlt sich wie in einem geschützten Raum, zugleich behaglich und elektrisiert. Dass die Säulen am Dach von kleinen Marmorstatuen gekrönt sind, fällt erst hier, in nächster Nähe, auf. Auf dem höchsten Turm in 108,5 Metern Höhe thront die Madonnina, die vergoldete Marienstatue, die ein Wahrzeichen Mailands ist. Auf Fotos wirkt sie klein, in echt ist sie 4,16 Meter hoch.

Bis 19 Uhr kann das Domdach erklommen werden und dieses leistbare Vergnügen (ein Kombiticket für Dommuseum und Dach kostet zwanzig Euro) darf man sich nicht entgehen lassen. Wer mehr über die Geschichte und Architektur des Doms wissen möchte, sollte sich einen Audioguide nehmen. Wussten Sie, dass die Bauzeit des Doms fast zweihundert Jahre betrug? Baubeginn war 1386, eingeweiht wurde die Kathedrale 1572 von Bischof Karl Borromäus auf den Namen Santa Maria Nascente. Oder dass die Grundform der Kirche einem lateinischen Kreuz entspricht?

Nach dem Abstieg vom Dach ist man voll von Eindrücken, will schwärmen, schildern, seine Euphorie loswerden. Also auf in die nächste Bar, am besten in die Bar Camparino ums Eck vom Dom. Die ist Kult seit 108 Jahren und man versumpft hier gerne bei dem ein oder anderen Campari-Cocktail.

Krypta
Sehenswert ist das Untergeschoß: Hier sind archäologische Schätze wie das achteckige Taufbecken von San Giovanni alle Fonti zu entdecken

Orgel
Im Hauptaltar der Kathedrale steht die größte Orgel Italiens. Einige Pfeifen sind über neun Meter hoch

Reliquie
Der Dom beherbergt seit 1461 einen Nagel des Heiligen Kreuzes. In einem jährlichen Ritus im September wird der Nagel aus der Apsis geholt