Raab geht essen: „Genuss“-Wanderung am Ödensee
Von Thomas Raab
Sauerware, Dosenfutter, Tiefkühlkost. In meinen Studentenjahren Grundnahrungsmittel. Heikel gab’s nicht, Hauptsache billig. Appetit immer, weil körperlich-geistig-finanziell dauerausgebrannt. Vorteil: Wir konnten jeden Dreck in uns hineinschaufeln, der Körper hat ihn lückenlos verbrannt. Logisch stand da der Germknödel so lange auf der Liste, bis allein der Gedanke an ihn sättigend war. Dieser Zustand hält bis heute. Gelegentlich jedoch heißt es Sich-Überwinden.
Kürzlich also stapften wir rund um den Ödensee. Märchenhaft schön. Und zugegeben, als Kind hätte mich die Idee meiner Eltern: „Gehen wir spazieren!“ auch nicht aus den Hauspatschen gerissen. Folglich blieb mir kurz vor Ausbrechen eines Sitzstreikes nur noch der Griff in die pädagogische Trickkiste der grausamen BEs. BElügen: „Keine Sorge, wir sind gleich da!“ BEstechen: „Wenn die Jammerei aufhört, kehren wir ein. Raubtierfütterung.“ BEdrohen: „Beeilung, ihr wisst schon: Die Wölfe!“ Die Wölfe habe ich natürlich weglassen.
Ergo trafen wir unversehrt in jenem Gebäude ein, das als einziges den so idyllischen Ödensee ziert. Der Genussgasthof Kohlröserlhütte. Von der Uferseite kommend betraten wir das Untergeschoß namens Genussladen. Rundum erwerbbare Ware, Weine, hausgemachte Pestos, und so weiter. In der Mitte ein prächtiger brusthoher Tisch mit Barhockern. Überall Kerzenlicht. Wohlfühlambiente. Wir die einzigen Gäste. Herrlich. Die anwesende, ihre FFP2-Maske tragende Dame gab uns eine kleine Karte. Der bestellte Apfelstrudel mit Vanillesauce, 8,9 € kam hübsch angerichtet mit Deko-Beeren, Deko-Pfefferminzblatt, Vanillesauce. Wartezeit keine fünf Minuten. Vanillesauce & Strudel geschmacklich nicht aufregend, aber in Ordnung. Folglich wurde als Draufgabe der in der Karte stehende Germknödel geordert. 9,90 €. Ein verdammt stolzer Preis!
Der Brocken kam beängstigend schnell in exakt gleicher Ausstattung wie der Strudel, und wenn unsere Kinder, die wirklich jedes süße Zeug verdrücken, nach zwei Bissen verkünden: „Papa, magst du kosten?“ stimmt etwas nicht. Mit Germknödeln kann man mich ja mittlerweile jagen, mit diesem aber sogar jagen gehen. Selbst ein Student, der sich zwischen Tür und Angel noch schnell etwas Billiges, Aufgetautes implantiert, bekommt diese Gummidinger besser hin.
Selbstverständlich hätten wir etwas sagen können, nur kam uns die anwesende Dame nonverbal zuvor, lüftete ihre Maske, um wortlos die zwischen uns stehende Kerze auszublasen, dann die nächste und nächste. Da heißt es dann eben hurtig aus dem Genussladen hinaus und wieder: Genuss am See. Der Ödensee ist zweifelsohne einen Ausflug wert. Ja und wer Hunger mitbringt: Eventuell zuerst den Genussgasthof besuchen, dort speisen, womöglich wird das Restaurant seinem Namen gerecht. Und jetzt Schluss. Mit Kuss. Germknödel, adieu. Endlich Sommerzeit.
Genuss Gasthaus Kohlröserlhütte
Ödensee 144, 8990 Bad Aussee