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Ausgezeichnetes Jugendbuch: Zettel-Botschaften in den Fenstern

Nicht mehr Kind, noch nicht allzu lange Jugendliche/r. Da tut sich allerhand. Eher schwierig viele der Veränderungen – außen und innen. Unwohl fühlen im eigenen Körper und in der Klasse. Zerstreiten mit BFF. Peinlichkeiten. Supertolle Ratschläge von außen. Natürlich aber doch auch Spaß, Witz, auf- und überdrehte Momente. Und eine völlig schräge Annäherung zweier Jugendlicher – über die Straße hinweg. Also eigentlich ganz nah und doch so fern.

Zara und Sam wohnen einander gegenüber, können einander in ihre Zimmer schauen. Und beide passen nicht so recht in Klischees, vorgegebene Rollenmuster. „Nicht so das Bilderbuchmädchen“ heißt das Erstlingswerk, der Premieren-Roman von Agnes Ofner (Jungbrunnen Verlag), für den sie einen der vier Auszeichnungen beim Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis (ÖKJB) 2020 gewonnen hat.

Zuerst schaut Zara und entdeckt, dass Sam weint. Oberschlaue Detektivin, Psychologin, Über-drüber-Helferin entwirft sie Theorien, worüber ihr Gegenüber traurig sein könnte, nein sogar müsste. Und beginnt große Zettel zu beschreiben und ins Fenster zu hängen.

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Während sie offen ist, auf andere zugeht, will Sam sich eher verkriechen, reagiert aber dann doch. Bald ist Sam es, der hilft, „Live-Hacks“, also Tipps für Zara parat hat, die in manchen Fettnapf tritt auf dem Weg zur ersten Verliebtheit mit einem Klassenkollegen. Wehrt aber fast immer so sämtliche Hilfe-Versuche des Gegenübers ab.

Klingt alles schwierig. Schwer.

Ist es aber trotz der Schwere über ganz weite Strecken nicht. Die beiden geraten auch in manch witzige Situation. Auch wenn dies nicht so viele sind, lebt ihre Zettel-„Beziehung“ von Fenster zu Fenster sehr viele amüsante Wort- und Gedankenspiele. Und die Autorin verfasst selbst sehr traurige Momente in einer leichten, nie schwermütigen Sprache.

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Zara und Sam unterhalten sich unter anderem auch über Superheld_innenkräfte und den Sinn des Lebens – mit mitunter verblüffenden Antworten wie „Erdnussbutter“ – die in abgewandelter Form in Zaras Leben noch einen tragischen Moment bringen wird.
Bei „42“ wär’s allerdings fair gewesen, die Quelle, aus der diese Antwort abgekupfert ist (Die Roman-Serie „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams) in den Text einzubauen. Auch wenn Internet-Suchmaschinen wie ecosia.org oder Google ohnehin gleich die Buchserie und den Autor als ersten Treffer bei der Eingabe "42" anzeigen.

Wo und wie die Autorin auf ihre Roman-Idee gekommen ist, sei hingegen hier schon zitiert. Im Video-Interview mit der Leiterin des Instituts für Jugendliteratur (Karin Haller) und auf der Homepage zum ÖKJB erzählt Agnes Ofner, dass sie im Regenwald von Peru auf einem Amazonas-Seitenarm paddelte, links und rechts Tiere sah, die so nah und doch so weit voneinander entfernt waren. „Und zack, da war die Idee! Noch in dem kleinen Paddelboot hat mein Kopf die Bäume in Häuser, die Äste in Wohnungen und die Faultiere in Teenager verwandelt, die sich gegenseitig Nachrichten in die Fenster hängen und so eine Freundschaft entwickeln. Mich hat besonders gereizt, dass durch diese Art der Kommunikation gewisse Vorurteile wegfallen und der Prozess des Kennenlernens entschleunigt wird.“

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Und trotz der Langsamkeit in der sich die Annäherung von Zara und Sam entwickelt, liest sich der Roman recht flott. Immer abwechselnd kannst du in die Sichtweise von Zara und dann wieder Sam eintauchen – oft nur wenige Sätze kürzest, hin und wieder auch zwei, drei Seiten lang.

Follow@kikuheinz

Agnes Ofner
Nicht so das Bilderbuchmädchen
172 Seiten
Ab 12 Jahren
17€
Jungbrunnen Verlag

Zu einem rund 1/4-stündigen Interview der Autorin mit Karin Haller vom Institut für Jugendliteratur geht es hier unten.

Über weitere Preisbücher - einige der Links unten sowie in den kommenden Tagen hier.

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