Chronik/Wien

Stadt als Serienkulisse: Kult-Agent Jack Ryan dreht in Wien

Die Stallburggasse in der Inneren Stadt war am Dienstag teilweise gesperrt: Parken und Halten war verboten. Ein Autofahrer, der das gestern einfach ignorierte, trotzte aber allen Versuchen, ihn zu verscheuchen – allerdings nicht aus Abneigung gegen Verkehrsregeln. Er hatte eine ziemlich gute Erklärung parat: „Ich bin Autokomparse.“ 

Der 61-jährige Michael Tiesler wirkt beim Dreh der dritten Staffel der Serie „Tom Clancy’s Jack Ryan“ mit, der derzeit die Stadt in Aufregung versetzt.

Viel Geld bekommt er dafür nicht.

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60 Euro ist sein Einsatz als Komparse an der Seite von Hauptdarsteller John Krasinski 60 Euro wert. Ohne Auto wären es 30, sagt er. Aber er mache das ohnehin nur aus Spaß.

Für Wien selbst bedeutet der Dreh jedenfalls mehr als nur Spaß.

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Aktuell laufen die Dreharbeiten zur neuen Staffel von „Tom Clancy’s Jack Ryan“ in Wien. Die Actionserie – inspiriert von der Roman-Welt des US-Autors Tom Clancy – handelt vom CIA-Analysten Jack Ryan (John Krasinski), der von seinem sicheren Job am Schreibtisch in eine gefährliche Verbrecherjagd rund um die Welt gerät.

Zwei Staffeln  sind beim Streamingdienst Amazon Prime Video zu sehen: In der ersten verschlägt es Jack Ryan und  seinen Kollegen James Greer (Wendell Pierce)  in den Nahen Osten, wo sie gegen Terroristen kämpfen.

In Staffel 2 führt die Reise nach Südamerika. Dort haben die Protagonisten mit korrupten Politikern und einem brutalen Killer zu tun („Game of Thrones“-Darsteller Tom Wlaschiha).

Es sei viel mehr „ein „absoluter Glücksfall“, wie Marijana Stoisits, Geschäftsführerin der Vienna Film Commission, sagt. „Gerade in Zeiten wie diesen, in denen der Tourismus darnieder liegt, bedeutet die Präsenz von Wien in einer internationalen Produktion einen großen Push.“

Durch den Dreh kommt fast ein bisschen touristisches Feeling auf. Immerhin werden zahlreiche Sprachen gesprochen, unter anderem hört man Englisch, Ungarisch und Tschechisch.

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Besichtigt wird aber nichts, sondern gearbeitet. Jeder hat eine andere Aufgabe. Die einen bewachen die Straße, die anderen montieren Straßenschilder ab oder verscheuchen Autos – zumindest die ohne Komparsen. Wieder andere bringen die schwarzen Regiesessel.

Am Abend ist dann auch Krasinski selbst zu sehen. Vor "Jack Ryan" war er vor allem für seine Rolle in der Comedy-Serie „The Office“ bekannt, mit dem Horrorfilm „A Quiet Place“, in dem seine Frau Emily Blunt die Hauptrolle spielt, machte er sich auch als Regisseur einen Namen.

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Er ist nicht der erste Schauspieler, der in die Rolle des Jack Ryan schlüpft. Davor taten dies unter anderem Alec Baldwin (in „Jagd auf Roter Oktober“), Harrison Ford („Die Stunde der Patrioten“, „Das Kartell“) und Ben Affleck („Der Anschlag“). Worum genau es in  der dritten Staffel der Serie gehen wird und auch, wann sie bei Amazon Prime Video zu sehen sein wird, ist noch unklar. US-Branchenmedien gehen von Ende des Jahres oder 2022 aus.

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Das kostet der Dreh in Wien

Im vergangenen Jahr konnte aufgrund der Corona-Pandemie in der Stadt kein internationaler Dreh stattfinden. „Das ist ein erster Anfang“, so Stoisits. Rund eine Million Euro innerhalb von drei Tagen wird für die Dreharbeiten in Wien aufgewendet, also „sehr viel Geld“. Die Summe wird für Hotellerie sowie Zulieferbetriebe ausgegeben. Zudem kommt sie Leuten aus der heimischen Filmbranche zugute, die in vielen Produktionsjobs – vom Absperrer bis hin zur Kostümassistentin – benötigt werden.

Der dritte Mann
Der Klassiker ist Carol Reeds Spionagethriller „Der dritte Mann“ (1949). Joseph Cotton als Westernautor Holly Martins wird im Nachkriegs-Wien von Harry Lime (Orson Welles) in kriminelle Machenschaften hineingezogen. Die Jagd durch die Kanalisation  ist so legendär wie Anton Karas’ Zither-Melodie

Before Sunrise
Auch ein Klassiker ist Richard Linklaters „Before Sunrise – Zwischenstopp in Wien“ (1995). Zwei Touristen – er Amerikaner (Ethan Hawke), sie Französin (Julie Delpy) – lernen sich im Zug kennen und beschließen, eine Nacht lang durch Wien zu schlendern und sich kennenzulernen

Eine dunkle Begierde
In schnörkellosen Bildern erzählt David Cronenberg 2011 die Beziehung zwischen Sigmund Freud (Viggo Mortensen), C. G. Jung (Michael Fassbender) und Patientin Sabina Spielrein (Keira Knightley). Im KURIER-Gespräch betonte Cronenberg damals, wie wichtig es ihm war, an Originalschauplätzen zu drehen: „Es gibt keinen Ort auf der Welt, der aussieht wie das Belvedere“

Mission: Impossible
2015 kam Tom Cruise für „Mission: Impossible – Rogue Nation“ und ließ sich spektakulär (und mit Rebecca Ferguson im Arm ) an der Fassade der Oper abseilen

Auch Norbert Kettner, Geschäftsführer von Wien Tourismus, unterstreicht das. „Große Filmcrews steigen oft in den Fünfsternehotels ab.“ Das sorge für positive wirtschaftliche Effekte. Auf die Stars des aktuellen Drehs trifft das auf jeden Fall zu. Im Hilton und im Bristol sind Teile der Crew untergebracht. Die Stars verbringen den Wien Aufenthalt hingegen im Imperial.

Die Techniker würden aber in Campern schlafen, sagt ein Insider vor Ort. Beim Naschmarkt hat man dafür ein ganzes Filmdorf aufgebaut, gedreht wird unter anderem rund um den Stephansplatz und am Hauptbahnhof.

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Laut Kettner spiele aber nicht nur das Geld eine Rolle, sondern auch die Psychologie. „Wenn Filme bei uns gedreht werden, wird Wien in die Köpfe der Zuseher gepflanzt.“ Man solle dabei nur an New York denken: Jeder habe das Gefühl, diese Stadt zu kennen, weil sie so oft in Filmen vorkommt, sagt Kettner. Das motiviere, sich auch vor Ort davon zu überzeugen.

Warum Netflix & Co. nicht in Wien drehen wollen

Dass sich die internationale Produktion, deren Titel die Vienna Film Commission offiziell nicht nennen darf, die Stadt als Drehort ausgesucht hat, ist auch deswegen so erfreulich, weil Serienproduktionen üblicherweise „einen großen Bogen um Wien herum machen“, bedauert Stoisits.

Warum das so ist? Weil es hierzulande zwar steuerliche Anreize im Bereich internationaler Kinofilme gibt, nicht aber für internationale TV- und Streamingplattformen. Serienproduktionen weichen deswegen meist nach Tschechien, Deutschland, Ungarn, Slowenien oder Kroatien aus.

In Neuseeland, erzählt Kettner, habe das Land sogar 100 Millionen Euro in die Hand genommen, um eine neue „Herr der Ringe“-Serie mitzufinanzieren. „Ein mächtiges Tool für das Standort-Marketing“, sagt Kettner. Zu den beliebtesten Motiven in Wien zählen übrigens immer noch typische Sehenswürdigkeiten und der 1. Bezirk, sagt Stoisits.

Kein Wunder also, dass in der Inneren Stadt mittlerweile eine Konstruktion für Kameraschwenks aufgebaut wurde. Und inzwischen ist auch klar, welche Szene an diesem Tag gedreht wird: Der Hauptdarsteller geht eine Straße entlang.

Der Verankerung Wiens in den Köpfen der Zuseher steht also nichts mehr im Weg.

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