Wie Bäume im Wiener Asphalt überleben sollen
Von Julia Schrenk
Wien hat Begegnungszonen. Fußgängerzonen. Fahrradstraßen. Wohnstraßen. Schulstraßen. Und jetzt kommt eine Schwammstraße dazu.
Ja, so wie der Schwamm, der alles aufsaugt.
Ab Montag nächster Woche wird die Pelzgasse in Rudolfsheim-Fünfhaus zwischen Felberstraße und Goldschlagstraße zu einer derartigen Schwammstraße umgestaltet. Als erste im dicht verbauten Stadtgebiet.
Bisher war die Pelzgasse in dem Abschnitt eine gewöhnliche Wohnstraße. Das heißt, Autos dürfen dort nur Schrittgeschwindigkeit fahren, Kinder dürfen auf der Straße spielen.
In Zukunft soll die Straße aber noch stärker verkehrsberuhigt werden. Dazu wird das Niveau von Gehsteig und Straße angeglichen, der gesamte Straßenabschnitt zwischen Felberstraße und Goldschlagstraße bekommt eine neue – einheitliche – Pflasterung, ähnlich jener in den Begegnungszonen.
Einige Parkplätze werden wegfallen, dafür wird es Sitzgelegenheiten und auch ein Wasserspiel geben. Und: Es werden fünf neue Bäume gepflanzt.
Damit diese im überhitzten Stadtgebiet auch langfristig überleben, versucht der 15. Bezirk etwas Neues: Die Straße wird so umgebaut, dass sie im Untergrund wie ein „Schwamm“ für die Bäume funktioniert.
Regenwasser schlucken
Dazu wird – sehr vereinfacht gesagt – grobkörniges Material im Untergrund von Straße und Gehweg angebracht. Wenn es regnet, fließt das Wasser nicht einfach ab, sondern sickert über sogenannte Schluckbrunnen langsam in den Untergrund. Dort wird es zunächst gefiltert.
Dann verteilt sich das Wasser und bleibt gespeichert – wie bei einem Schwamm.
Bei langer Trockenheit – etwa im Sommer – können die Bäume dann das Wasser von unten Wasser aufnehmen. „Das Ziel ist, die Vitalität der Bäume zu verlängern“, sagt Alexander Pressl vom Institut für Siedlungswasserbau, Industriewasserwirtschaft und Gewässerschutz an der Universität für Bodenkultur. Die Boku begleitet die Umgestaltung für ein Forschungsprojekt.
Zweiter positiver Effekt einer Schwammstraße: Lokale Überflutungen wegen Starkregens können so verhindert werden.
„Riesenproblem“
Dass neu gepflanzte Bäume in vielen Straßen allzu oft keine lange Lebenserwartung haben, sei ein „Riesenproblem“ in Wien, sagt Pressl. „Unnötig viele“ Bäume gingen jährlich zugrunde, weil sie im verbauten Gebiet nicht ausreichend bewässert werden können.
Wie viele Straßenbäume tatsächlich umgeschnitten und ersetzt werden müssen, konnte die MA 42 (Stadtgärten) auf KURIER-Anfrage nicht sagen. Es gebe immer mehrere Faktoren, weswegen Straßenbäume nicht überleben können, sagt eine Sprecherin.
Im 15. Bezirk kennt man das Problem jedenfalls. Bezirksvorsteher Gerhard Zatlokal (SPÖ) nennt diese Bäume „Zahnstocher“: Sie haben dünne Stämme und kaum Krone (sind also nicht besonders ansehnlich).
Problematischer ist aber: Sie können den notwendigen Schatten nicht spenden, der Kühlungseffekt für die überhitzten Grätzel fällt aus. Viele dieser „Zahnstocher“ müssen irgendwann gefällt werden.
Und das ist in einem Bezirk wie Fünfhaus – dicht verbaut und kaum Platz für Grünfläche – besonderes bitter. Dass gerade der 15. Bezirk nun als erster so ein Projekt umsetzt (nach dem Pilotprojekt „Schwammstadt“ in der Seestadt), freut den Bezirksvorsteher. „Das ist super, so können wir die Bäume erhalten“, sagt Zatlokal.
Das Projekt ist vorerst auf zwei Jahre angelegt, danach zieht die Boku ein Resümee. 600.000 Euro kostet die Umgestaltung, 10 Prozent trägt der Bezirk.