Chronik/Wien

Toter nach Sex-Date: Prozess um Vergewaltigung mit Todesfolge

Am Freitag hat sich ein 52-Jähriger wegen Vergewaltigung mit Todesfolge, Missbrauchs einer wehrlosen Person und schweren Raubes am Wiener Landesgericht verantworten müssen. Im zentralen Punkt der Anklage wurde ihm vorgeworfen, in der Nacht auf den 1. Oktober 2021 in seiner Wohnung in Penzing einen 43 Jahre alten Mann mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt und letzten Endes getötet zu haben, indem er ihm eine Überdosis Liquid Ecstasy intravenös verabreichte.

Der 13-fach Vorbestrafte bekannte sich eingangs der Verhandlung „nicht schuldig“. Es handle sich um eine „dumme Aneinanderreihung vom Umständen, dass der zu Tode gekommen ist“, sagte Verteidiger Manfred Arbacher-Stöger. Man könne seinem Mandanten den Tod nicht vorwerfen: „Es gibt keinen einzigen Beweis dafür, dass er das gemacht hat, was in der Anklage steht.“

"Oida, scho wieder a Toter"

Der 52-Jährige behauptete, der 43-Jährige habe ihn auf einer schwulen Dating-Plattform angeschrieben und sich mit ihm zum Zweck von Chemsex - geschlechtliche Handlungen unter der Wirkung von zuvor konsumierten chemischen Drogen - treffen wollen. Der Mann sei „schon beeinträchtigt“ bei ihm erschienen und habe sich dann in seiner Wohnung weiter an bei ihm vorrätigen Drogen bedient: „Er hat Crystal Meth gesnieft.“ Während er kurz in der Küche war, habe sich der Mann auch noch Liquid Ecstasy „eine g'haut“, vermutete der Angeklagte.

Denn der 43-Jährige sei dann einfach eingeschlafen. Um 6.00 Uhr in der Früh habe er bemerkt, dass dieser tot war, als er mit ihm wieder intim werden wollte. „Da hab ich mir gedacht 'Oida, da gibt's ja nicht. Oida, scho wieder a Toter'.“

Bereits im vorangegangenen Mai hatte die Polizei in der Wohnung des Angeklagten einen toten Mann entdeckt. Das wurde damals als bedenklicher Todesfall eingestuft, im Zuge der weiteren Erhebungen stellte sich heraus, dass dieser sich ebenfalls mit dem 52-Jährigen zum Chemsex getroffen haben dürfte.

Dieser Todesfall ist nicht verfahrensgegenständlich - dem Angeklagten konnte im Ermittlungsverfahren nicht mit der für ein Strafverfahren nötigen Sicherheit nachgewiesen werden, zum Ableben dieses Mannes beigetragen bzw. daran mitgewirkt zu haben, indem er ihm Liquid Ecstasy injizierte.

Tat gefilmt

Im Fall des 43-Jährigen ist die Anklagebehörde jedoch davon überzeugt, dass ein Tötungsdelikt vorliegt. Der Angeklagte habe dem Mann „in Vergewaltigungsabsicht Liquid Ecstasy und Mephedron (eine synthetische Substanz aus der Stoffgruppe der Cathinone, Anm.) in den linken Arm gespritzt“, sagte Staatsanwältin Romina Kaschnitz. Damit habe er den 43-Jährigen „sofort ausgeknockt. Er konnte sich nicht mehr wehren“.

Die anschließenden Missbrauchshandlungen am Wehrlosen habe der Angeklagte gefilmt. Dann sei er in dessen Wohnung gefahren, habe diese „ausgeräumt“, sei unter anderem mit einem entwendeten Flachbildschirm-Fernseher und zurückgekommen und habe sich noch einmal an dem wehrlosen Mann vergangen. „Das Opfer hat da noch gelebt“, betonte die Staatsanwältin. Das sei auf den sichergestellten Videos belegt.

Der Angeklagte versicherte demgegenüber, dem anderen Mann sei es noch gut gegangen, als er selbst eingeschlafen sei: „Wissen Sie, wie oft Leute bei mir eingeschlafen sind?“ Auf die Frage des vorsitzenden Richters, weshalb er zwischendurch in die Wohnung des anderen Mannes gefahren sei, dessen Fernseher an sich genommen und mit einem Taxi zu sich geschafft habe, erwiderte der 52-Jährige: „Das weiß ich nicht. Weil ich blöd und bescheuert bin. Wissen Sie, wie schwer der war? 20 Kilo. Und verstaubt und verdreckt war er auch.“ 

Gestank aus der Wohnung

Die Leiche wurde erst mehr als drei Wochen später in der Wohnung des Angeklagten entdeckt. Der 52-Jährige hatte den Toten in Müllsäcke gewickelt und in einer Bettzeuglade verstaut. „Ich war nicht bereit für eine Festnahme“, stellte er dazu vor den Geschworenen klar. Deswegen habe er auch nicht die Rettung gerufen, nachdem er festgestellt hatte, dass der Mann offensichtlich gestorben war. Er habe stattdessen „drei Wochen verbotene Substanzen genommen, um den Alltag bewältigen zu können.“

In diesem Zeitraum dürfte der 52-Jährige mehrere Männer zu Sex-Treffen in seiner Wohnung empfangen haben, wie nach seiner Festnahme beschlagnahmte Videos vermuten lassen. Dabei hatten sich Nachbarn bereits über die Geruchsbelästigung beschwert. Zwei Mal schaute die Polizei vorbei, der 52-Jährige argumentierte mit einem verstopften Abfluss. „Die Polizei ist unerklärlicherweise nicht in die Wohnung gegangen und hat sich damit zufrieden gegeben“, sagte dazu die Staatsanwältin.

Es gebe „zig Beweismittel“, die gegen die Version des Angeklagten sprächen, betonte die Anklägerin: „Es steht fest, dass das Opfer aus anatomischen Gründen gar nicht in der Lage gewesen wäre, sich etwas zu spritzen.“ Dessen rechter Arm - er war Rechtshänder - sei verkürzt gewesen, der Mann habe die Finger seiner rechten Hand nicht bewegen können.

Urteil am Dienstag

Das Urteil soll am kommenden Dienstag fallen. Im Fall eines anklagekonformen Schuldspruchs drohen dem Angeklagten zehn bis 20 Jahre oder lebenslange Haft. Zusätzlich hat die Staatsanwaltschaft die Unterbringung des Mannes in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher beantragt (§ 21 Absatz 2 StGB). Einem psychiatrischen Gutachten zufolge ist er zwar zurechnungsfähig, weist aber eine hochgradige kombinierte Persönlichkeitsstörung auf, die ihn äußerst gefährlich macht.

Ohne die im Maßnahmenvollzug vorgesehenen haftbegleitenden therapeutischen Behandlungen wären nach Ansicht der Staatsanwaltschaft zukünftig wieder Straftaten mit schweren Folgen zu befürchten.

Der Angeklagte und sein Verteidiger bestreiten, dass eine geistige Abnormität vorliegt. Er habe „absolut keine psychischen Probleme“, sagte der 52-Jährige. Eine seiner 13 Vorstrafen fasste er wegen Tierquälerei aus. Vor mehr als 30 Jahre hatte der Mann 13 Katzen und einige Zebrafinken massakriert.