Chronik/Wien

Semmelweis-Pavillons: Rüge für Verzicht auf Bieterverfahren

Nun ist es quasi amtlich: Die Stadt Wien hätte beim Verkauf der drei Pavillons am Gelände ehemaligen Semmelweis-Frauenklinik in Währing, in denen heute die private Amadeus-Musikschule residiert, ein öffentliches Bieterverfahren durchführen sollen. Das geht aus aktuellen Berichten des Wiener Stadtrechnungshofs hervor, die unter anderem auf Ansuchen der ÖVP und FPÖ erstellt und am Dienstag veröffentlicht wurden.

Rechtlich sei es zwar zulässig, auf einen solchen Prozess zu verzichten und den angemessenen Preis einer Liegenschaft von einem Sachverständigen ermitteln zu lassen, schreiben die Prüfer. Letztere Variante hat die Stadt sowohl beim Verkauf des Haus 3 und des früheren Charlotte Büher Heims 1 und 2 im Jahr 2012 gewählt.

Allerdings: "Die Durchführung eines objektiven Ausschreibungsverfahrens war dabei grundsätzlich der zweiten Methode, nämlich der Einholung eines Gutachtens, vorzuziehen", heißt es in dem Papier. Der Grund: Ein Bieterverfahren garantiere "objektivere und belastbarere Ergebnisse."

Selbiges gelte auch für den Verkauf eines Grundstück im Nordwesteil im Jahr 2012, auf dem die  gewerkschaftsnahe Immobilienfirma „at home Immobilien GmbH“ Wohnungen gebaut hat. Das bedeutet: Per Ausschreibung hätte die Stadt möglicherweise einen höheren Verkaufspreis erzielen können.

Vorwurf der Freunderlwirtschaft

Der Rathaus-Opposition ist die Vorgehensweise der Stadt bei der Nachnutzung des Semmelweis-Areal seit Jahren ein Dorn im Auge. Zur Erinnerung: Vor acht Jahren verkaufte die Stadt die drei Häuser - das ehemalige Charlotte Bühler Heim 1 und 2 sowie das Haus 3 rund 14 Millionen Euro an Private.

Das Areal im hinteren Teil ging im selben Jahr um rund 4,7 Millionen Euro an "at home".

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Bald darauf wurde Kritik laut: Die Stadt habe die Liegenschaften verscherbelt, kritisierte die Rathaus-Opposition.

Denn: Der Sachverständige hatte vor Erstellung der Expertisen ein mehrstöckiges Zinshaus am Semmelweis-Areal erstanden – für eine halbe Million Euro, ebenfalls ohne Ausschreibung. Seinen Dank für das Schnäppchen könnte er in Form von Expertisen im Sinne der Stadt ausgedrückt haben, wurde gemunkelt.

Und: Die häufig wechselnden Eigentümer der Schul-Pavillons hätten nicht (nur) einen Schulbetrieb im Sinn, hieß es. Sondern Immobilienspekulation. Und zwar mit Luxuswohnungen. Es war die Rede von Geldwäsche, Korruption und Freunderlwirtschaft.

Betriebspflicht fehlt

Die Stadt Wien und die Besitzer der Schul-Gebäude - bis vor Kurzem war das der Immobilienentwickler Nikolaus Peter Lengersdorff - bestritten die Vorwürfe stets. Angesichts der Auflagen - unter anderem des Denkmalschutzes und der vetraglich fixierten Bindung an eine Nutzung für Bildungszwecke bis 2027 - sei der Verkaufspreis gerechtfertigt, hieß es.

Bloß: Diese Nutzung für Bildungszwecken hätte besser verankert werden sollen, moniert der Stadtrechnungshof nun.  "Neben der Verpflichtung zur ausschließlichen Nutzung einer Liegenschaft zu Bildungszwecken wäre auch eine tatsächliche Betriebspflicht zu vereinbaren, womit eine allfällig generelle oder teilweise Nichtnutzung des Vertragsgegenstandes vermieden werden könnte."

Um 35 Millionen versteigert

Ob der Kaufpreis "zu günstig" war, sei aus den vorgelegten Unterlagen nicht ableitbar, heißt es in den Berichten weiter. Fakt ist jedenfalls, dass die Liegenschaft im Vorjahr zwangsversteigert wurde - und zwar um 35 Millionen Euro.

Wie am Montag bekannt gegeben wurde, hat das Wiener Projektentwickelt "Vermehrt" die drei historischen Gebäude kürzlich um deutlich mehr Geld gekauft. Er beteuert, die Schule langfristig erhalten zu wollen.

Strategie für Nachnutzung fehlt

Interessant ist das, dass die Stadt im Jahr 2008 zunächst eine auf Wohnzwecke ausgerichtete Bebauungsstudie Auftrag gab. Darin ging es einerseits um den Bau neuer Häuser zwischen den historischen Klinik-Gebäuden und andererseits um die Umnutzung der bestehenden Substanz. Soll heißen: Ursprünglich plante die Stadt auf dem Areal Wohnungen.

2011 schwenkte man auf eine Nutzung für Bildungszwecke um - und gab oben besagte Gutachten zum Wert des Areals in Auftrag. Laut Stadtrechnungshof interessierten sich die Eigentümer der Schul-Pavillons nach dem Deal mit der Stadt für die drei Häuser auch für weitere Gebäude am Klinik-Gelände. Ein Verkauf kam aber nie zustande - stattdessen begann der Krankenanstaltenverbund, über die Vergabe von Baurechten nachzudenken.

Dieses Hin- und Her kristiseren die Prüfer. "Der Stadtrechnungshof Wien vermisste eine konsistente Strategie hinsichtlich der Nachnutzung des gesamten Areals nach Schließung des Charlotte Bühler-Heimes und der Beendigung des Spitalsbetriebes infolge der im Betrachtungszeitraum mehrfach wechselnden Zielsetzungen in Bezug auf dessen Verwertung."

Zu Beginn sei die "Erzielung eines möglichst hohen Verkaufserlöses" über Wohnzwecke im Vordergrund gestanden, später habe sich die Stadt auf eine Nachnutzung als Bildungseinrichtung fokussiert.

Im Juni 2019 übersiedelte die Klinik schließlich ins Krankenhaus Nord nach Floridsdorf, die verbleibenden Klinik-Gebäude stehen derzeit leer. Das soll sich, so die Empfehlung der Prüfer, rasch ändern: "Die Magistratsabteilung 69 und der Krankenanstaltenverbund sollten zügig sämtliche erforderliche Schritte für eine wirtschaftliche Verwertung des Areals der Semmelweis Frauenklinik setzen".

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