Chronik/Wien

Sechs Prüfberichte, sechs Dämpfer für Wiens Stadtregierung

Mit seinem gewandten Auftreten gilt Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) als heimlicher Star der Stadtregierung. Zuletzt wurde Hanke sogar als SPÖ-Bundesparteichef gehandelt.

Langsam wird der Wind aber rauer: In gleich mehreren Berichten deckt der Stadtrechnungshof erhebliche Missstände im Zuständigkeitsbereich des Stadtrats auf.

Kritik üben die Prüfer dabei auch an zwei Prestigeprojekten der Wiener SPÖ: Zum einen bemängeln die Prüfer die Arbeiten an der Eventhalle, deren Errichtung Michael Ludwig schon bald nach der Übernahme des Parteivorsitzes 2018 ankündigte, als er noch nicht einmal Bürgermeister war. Schon vor Baubeginn gerät der Zeit- und Kostenplan derart aus dem Ruder, dass bereits Vergleiche mit dem Krankenhaus Nord die Runde machen.

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Zum anderen kritisiert der Stadtrechnungshof den U-Bahn-Ausbau. Mehrkosten und Verzögerungen kennzeichnen den Bau des Linienkreuzes U2/U5, wobei manche Entscheidungen in die Zeit fallen, als noch Ulli Sima als Stadträtin für die Öffis zuständig war.

Die Nervosität ist jedenfalls groß: Schon am Vorabend der Veröffentlichung des Berichts lud die für die Halle zuständige Wien Holding zum Pressetermin, um proaktiv Krisenkommunikation zu betreiben (der KURIER berichtete). Die Wiener Linien wiederum versuchten am Mittwoch, per Aussendung vorab zu kalmieren. Der Titel: „Öffis sind Wirtschaftsturbo und sichern zehntausende Jobs.“

 

Event-Halle: Nicht im Zeitplan

Nur wenige Stunden, bevor der Stadtrechnungshof seinen Bericht zur geplanten Eventhalle in St. Marx veröffentlichte, wurden die handelnden Personen plötzlich fleißig: Stadt und Wien Holding suchen via Ausschreibung einen privaten Partner, der die Halle finanzieren, bauen und betreiben könne. Das nährte den Verdacht, dass die Wien Holding sich mit dem Projekt übernommen hat.

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Auch die Prüfer des Stadtrechnungshofs kritisieren die bisherigen Planungen: So hätte man die Bedürfnisse der Architekten und des Kooperationspartners „schon in einem früheren Projektstadium in Einklang bringen“ sollen. Die fehlende Abstimmung könne „zusätzliche Kosten nach sich ziehen“, warnen sie. Und die Kosten, die sind ohnehin schon viel höher als ursprünglich kommuniziert. Laut Prüfern belegen Unterlagen der Wien Holding, dass das Projekt 750 Millionen Euro kosten wird – ursprünglich war von 250 Millionen Euro die Rede. Die ÖVP, die die Prüfung beauftragt hat, geht noch weiter: In eigenen Berechnungen komme man auf bis zu eine Milliarde Euro.

Auch der Zeitplan hält nicht: Im „worst case“ ist mit einem Projektabschluss 2029 zu rechnen, sagen die Prüfer. Geplant war einst das Jahr 2026.

U2/U5: Viel teurer als geplant

Auch beim Bau des Linienkreuzes U2/U5 stellt der Stadtrechnungshof einen massiven Kostenanstieg fest. Ursprünglich hätte die erste Phase des Projekts rund 950 Millionen Euro kosten sollen (Preisbasis 2013). Inzwischen sind es bereits 1,7 Milliarden Euro, bis zur geplanten Eröffnung werden es zwei Milliarden sein.

Setzt man auch für den Ursprungswert die Preisbasis 2020 an, ergibt sich zu den 1,7 Milliarden Euro eine Differenz von 533 Millionen Euro. Anhand der von den Wiener Linien zur Verfügung gestellten Informationen sei jedoch nicht schlüssig ableitbar, wie es zu diesen Differenzbetrag gekommen ist, bemängeln die Prüfer.

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Im Detail liegen offenbar schwere Fehlkalkulationen und -entscheidungen vor. Bei den Ausschreibungen der Bauleistungen für die Stationen Frankhplatz und Rathaus im Jahr 2018 fußte die Kostenschätzung auf die Kosten der 2011 errichteten U1-Station Troststraße. Die wurden jedoch nicht valorisiert. Auch blieb unberücksichtigt, dass der Bau der neuen Stationen aufgrund ihrer Innenstadt-Lage aufwendiger und allein schon deshalb teurer ist.

Die Folge war eine zu niedrige Kostenschätzung. Als dann selbst die besten Angebote deutlich darüber lagen, widerriefen die Wiener Linien die Ausschreibungen, obwohl ein Sachverständiger marktkonforme Preise festgestellt hatte. 2019 erfolgte eine neuerliche Ausschreibung. Mit dem Ergebnis, dass die Angebote der Bestbieter deutlich (insgesamt 15 Millionen Euro) über jenen aus der ersten Ausschreibung lagen. Zudem kam es zu einer erheblichen Verzögerung bei den Bauarbeiten.

Anders sehen das die Wiener Linien: „Die Entscheidung für Neuausschreibungen hat sich in einer Gesamtbetrachtung ausgezahlt und hat rund 200 Millionen Euro an Ersparnis gebracht.“

Stadthalle: Mängel beim Brandschutz

Der Stadtrechnungshof hat auch die Vorgängerin der neuen Eventarena – die Stadthalle – unter die Lupe genommen. Konkret die Halle D. Dort fanden sich etliche Unzulänglichkeiten, was in der hohen Zahl von 50 Empfehlungen mündete.

Sie betreffen vor allem Mängel beim Brandschutz. Bei einem Lokalaugenschein stellten Prüfer etwa fest, dass das Brandschutz-Schiebetor zwischen Publikums- und Backstagebereich sowie das doppelflügelige Brandschutztor zwischen dem Foyer Süd und dem Anlieferungsbereich nicht vollständig schlossen. „Im Gefahrenfall würde sich Rauch ausbreiten und in weiterer Folge der Brand auf den benachbarten Brandabschnitt übergreifen“, heißt es in dem Bericht.

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Ein Problem ist auch, dass in den Unterlagen oft nicht vermerkt ist, ob bereits früher festgestellte Mängel behoben wurden. Dies betrifft unter anderem solche an Brandschutztüren, Brandschutzklappen und an der automatischen Brandmeldeanlage.

In manchen Bereichen ist die Säumigkeit hingegen ganz offensichtlich: „Es wären die zu Teil über mehrere Jahre aufgezeigten Mängel an den Brandrauchabsauganlagen beheben zu lassen“, lautet etwa Empfehlung Nummer 6.

Neue Buchführung: Chaos bei der Umstellung

Auf Basis der Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung von 2015 müssen Körperschaften ihr Rechnungswesen neu führen. Das gilt auch für die Gemeinde Wien.

Im Zuge der Umstellung erstellte sie zum 1. Jänner 2020 eine Eröffnungsbilanz inklusive einer Bewertung des gesamten Sachanlagevermögens. Dieses machte 14,81 Milliarden Euro aus – und somit rund 50 Prozent der Aktiva der Gemeinde Wien.

Allerdings kam es im Detail zu massiven Fehlern, wie nun der Stadtrechnungshof in einer stichprobenweisen Prüfung feststellen musste.

Einige Beispiele: Aufgrund eines Buchungsfehlers wurde der ermittelte Zeitwert für Straßenbauten um beachtliche 1,64 Milliarden Euro zu niedrig ausgewiesen. Noch schlimmer erging es dem Ernst-Happel-Stadion und dem Stadionbad, die wegen der Erfassung unrichtiger Abschrei- bungsstartdaten gar nicht berücksichtigt wurden.

Die Prüfer kritisieren weiters, dass „die Dienststellen im Rahmen der Schätzwertverfahren teils uneinheitliche und teils nicht plausible Einschätzungen vornahmen, die in weiterer Folge zu einem mangelhaften Vermögensausweis führten.“ Und so kam es etwa, dass die Grundstücksflächen der Freibäder Gänsehäufel (Donaustadt) und Krapfenwaldbad (Döbling) als Bauland bewertet wurden.

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Mehr noch: Die Aufnahme der städtischen Flächen im Biosphärenpark Wienerwald, im Nationalpark Donau-Auen und in den Quellschutzgebieten in die Liste der nicht bewerteten Kulturgüter führten dazu, dass „mehr als 3/4 der Grundstücksflächen der Stadt Wien nicht Teil des bewerteten Sachanlagevermögens waren“, wie der Stadtrechnungshof bemängelt.

Wien Holding: Zu fein für die U-Bahn

Bereits in einem Prüfbericht im März hatte sich der Stadtrechnungshof kritisch über den Dienstwagen-Fuhrpark für Führungskräfte in der Wien Holding geäußert. So wären etwa, hieß es damals, die intern festgelegten Anschaffungskostenobergrenzen herabzusetzen und der steuerlichen „Luxustangente“ von 40.000 Euro anzunähern.

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Nur: Die Wien Holding ist nicht bereit dazu. Eine Überschreitung der Angemessenheitsgrenze sei bei den großen Unternehmen der Holding aus Sicht der Konzernspitze wegen „des gebotenen repräsentativen Charakters in einzelnen Fällen vertretbar“, lässt man wissen. Eine Argumentation, die die Prüfer nicht nachvollziehen können, wie aus dem Follow-up-Bericht hervorgeht. Die Prüfer hatten auch empfohlen, den Mitarbeitern – wenn möglich – anstelle eines Dienstwagens eine Jahreskarte der Wiener Linie zur Verfügung zu stellen. Auch das sei nicht „mit dem repräsentativen Charakter der entsprechenden Funktion vereinbar“, kontert die Holding.

FPÖ-Obmann Dominik Nepp: „Während Hunderttausende Wiener mit überfüllten U-Bahnen, Straßenbahnen und Bussen vorliebnehmen müssen, ist den leitenden SPÖ-nahen Mitarbeitern deren Nutzung offenbar nicht zuzumuten.“

Pratervorplatz: Massive Verluste

Mit ihrer massiven Kostenüberschreitung und der fragwürdigen Architektur sorgte die Umgestaltung des Riesenradplatzes (gemeinhin „Pratervorplatz“ genannt) für einen der größten Wiener Bauskandale der vergangenen Jahrzehnte.

Doch auch die Gegenwart ist alles andere als rosig. Das ergab eine Prüfung des Stadtrechnungshofs der Riesenradplatz GmbH. Sie ist unter anderem für die Verwaltung des Areals und der dort befindlichen Gebäude zuständig.

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Dies allerdings mit mäßigem Erfolg: Im gesamten Prüfzeitraum (von 2017 bis 2020) konnte kein positives Ergebnis erwirtschaftet werden. Insgesamt belief sich das Minus auf 3,86 Millionen Euro.

Mitverantwortlich seien die Leerstände auf dem Areal: „Im Betrachtungszeitraum standen pro Jahr durchschnittlich circa 25 Prozent der verpachtbaren Flächen leer“, heißt es im Bericht. Ein Bauteil stehe sogar seit 2013 durchgehend leer. Schuld daran sei laut Betreibern die schwierige Nutzbarkeit aufgrund seiner architektonischen Gestaltung.

Hinzu kommen laut Prüfer jährliche Abschreibungen von bis zu 1,7 Millionen Euro, welche aus der Investitionssumme für den Riesenradplatz resultieren würden.