Kriegsspiele in Wiener Moschee
Burschen, die in Uniformen salutieren. Mädchen mit Kopftüchern, die die türkische Flagge tragen. Und stolze Eltern, die diese Szenen mit ihren Handys festhalten.
Die Bilder aus der Wiener ATIB-Moschee in der
Dammstraße sorgen für Befremden. Auf den Fotos, die in den sozialen Medien kursieren und auf die die Stadtzeitung Falter stieß, werden Szenen aus der Schlacht von Canakkale nachgespielt.
Jedes Jahr wird dieser Schlacht aus dem Ersten Weltkrieg in der türkischen Community gedacht. Doch dass Kinder in Uniformen die Szenen in einer Moschee nachstellen, sorgt auch innerhalb der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) für Unverständnis. „Das bringt eine Optik mit sich, die das Ansehen der Muslime in Österreich schwer schädigen kann. Es steht im Raum, dass die damalige Opferbereitschaft instrumentalisiert wurde, um das türkische Nationalgefühl und die Märtyrerbereitschaft anlässlich aktueller kriegerischer Konflikte zu stärken. Dass dazu Kinder herangezogen wurden, wirkt dabei besonders verfehlt“, kritisiert Esad Memic, Vizepräsident der IGGÖ. Man habe ATIB aufgefordert, dazu eine eindeutige Stellungnahme abzugeben, heißt es von Seiten der IGGÖ. „Wir fordern auch Maßnahmen ein.“ Wie genau diese aussehen sollen, blieb vorerst unbeantwortet.
Ein ATIB-Vertreter, der namentlich nicht genannt werden will, bestätigt eine „interne Prüfung“: „Es gibt ein Verfahren. Wir prüfen, ob es eine Genehmigung für diesen Auftritt gab oder ob der Verein in der Dammstraße individuell agiert hat.“ Wenig später wurde eine offizielle Stellungnahme veröffentlicht. In der heißt es, man habe bereits vor Wochen reagiert und den Obmann zum Rücktritt veranlasst. Diese „Entgleisung“ sei nicht mit der Linie von ATIB in Einklang zu bringen
Stadt und Bund schieben sich Ball zu
Auch der Wiener Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky ( SPÖ) verurteilt die Fotos:„ Für mich sind die Bilder extrem verstörend. Sie zeigen Militarismus und Nationalismus, und dafür werden offenbar Kinder missbraucht, was absolut inakzeptabel ist. Ich habe daher das Jugendamt beauftragt, eine Prüfung in Hinblick auf Kindeswohlgefährdung einzuleiten“, sagt er. „Die Erhebungen sind im Gange“, bestätigt eine Sprecherin des Amts. Um eine Gefährdungsabklärung durchführen zu können, gelte es nun, die betroffenen Kinder zu identifizieren.
Die Frage sei laut Czernohorszky auch, was das für die Kontrolle von Moscheen zuständige Kultusamt im Bundeskanzleramt in dem Fall eigentlich mache. „Ich kann nur dringend plädieren, tätig zu werden.“ Diesem Appell kam Gernot Blümel (ÖVP) prompt nach: Er sei „entsetzt“ und habe das Kultusamt mit einer Prüfung der Fakten beauftragt. Den Ball spielte er sogleich an die Stadt zurück: „Es ist bezeichnend, dass solche Fälle erneut in Wien auftreten. Hier wurde viel zu lange weggeschaut.“
Verdacht der Veruntreuung
Brisant ist auch, dass am vergangenen Wochenende eine Abstimmung über den neuen Vorstand der Moschee abgehalten werden sollte. Zwei Kandidaten standen zur Wahl, von denen einer in der Gunst des konservativen Vorstandes stand. Nach Meinungsverschiedenheiten trat der Gegenkandidat zurück und beschuldigte den ehemaligen Vorstand, Gelder veruntreut zu haben. Konkret geht es um jährliche Einnahmen, die statt mit 1,35 Millionen nur mit 400.000 Euro angegeben worden sein sollen. Die Einnahmen dürften sich größtenteils aus der Kantine und Spenden zusammensetzen.
Die Moschee in der Dammstraße war bereits vor fast zehn Jahren in der Mitte des öffentlichen Interesses. Das Gebetshaus wurde um mehrere Stockwerke, eine Kantine und einen Kindergarten erweitert. Dagegen formierten sich mehrere Bürgerinitiativen. Während des Umbaus hängten Unbekannte einen Schweinekopf an die Tür der Moschee.