Suche nach vermisstem U-Boot Titan: Erste Lebenszeichen entdeckt
Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit: In der Nähe des "Titanic"-Wracks im Atlantik suchen Rettungskräfte nach fünf Vermissten in einem verschollenen U-Boot. Da der Sauerstoff in der knapp sieben Meter langen "Titan" nach Betreiberangaben für 96 Stunden reiche, "gehen wir davon aus, dass derzeit zwischen 70 und 96 Stunden verfügbar sind", sagte Kommandant John Mauger von der US-Küstenwache in Boston. Das Boot wird seit Montag vermisst.
Nun haben die Suchmannschaften erstmals eine Art von Lebenszeichen entdeckt. Noch am Dienstag sollen die Sonargeräte Klopfzeichen im Wasser aufgenommen haben. Wie aus einem internen Memo der US-Regierung hervorgeht, ist jedoch bisher unklar, wie lange diese Klopfgeräusche gedauert haben und wann genau die Sonargeräte diese Zeichen aufgenommen hatten. In einer Update-Nachricht in der Nacht zum heutigen Mittwoch ist nun davon die Rede, dass die Klopfzeichen erneut entdeckt wurden. Diese Zeichen geben "Grund zur Hoffnung auf Überlebende", zitiert CNN aus dem Regierungsdokument.
Unterdessen sind acht weitere Schiffe auf dem Weg, um die Suche nach dem vermissten Tauchboot "Titan" in der Nähe des "Titanic"-Wracks im Atlantik zu unterstützen. Dazu gehörten vier Schiffe der kanadischen Küstenwache, das französische Forschungsschiff L'Atalante sowie die kanadische HMCS Glace Bay, die eine Dekompressionskammer und medizinisches Personal an Bord habe, teilte die US-Küstenwache am Dienstagabend (Ortszeit) mit.
Verunglückte Taucher müssen nach ihrer Rettung möglichst schnell in eine solche hyperbare Kammer gelangen, um bleibende Schäden zu verhindern. Wenn Menschen längere Zeit unter hohem Umgebungsdruck stehen, wie er in großer Wassertiefe herrscht, nehmen sie mehr Stickstoff auf als normal. Dies kann zu Gasblasen in Blut und Gewebe führen, die tödlich sein können, wenn sie ins Gehirn gelangen.
Zudem hätten die US-Küstenwache, die US-Marine, die kanadische Küstenwache und die Betreiberfirma Oceangate Expeditions ein vereinigtes Kommando eingerichtet, um die Suche nach der "Titan" mit fünf Menschen an Bord gemeinsam zu koordinieren. "Dies ist eine komplexe Suchaktion, die verschiedene Kräfte mit Fachkenntnissen und Spezialausrüstung erfordert, die wir durch das vereinigte Kommando gewonnen haben", sagte Jamie Frederick von der US-Küstenwache.
Die US-Marine schickt zudem ein Gerät zur Bergung des Gefährts. Wie eine Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur sagte, soll das Tiefsee-Bergungssystem mit dem Kürzel "Fadoss" in der Nacht auf Mittwoch (Ortszeit) in der kanadischen Stadt St. Johns in Neufundland ankommen. Wann es das Suchgebiet Hunderte Kilometer weiter südlich erreichen könnte, blieb zunächst unklar.
Die US Navy beschreibt "Fadoss" als "tragbares Schiffshebesystem, das eine zuverlässige Tiefsee-Hebekapazität von bis zu 27 Tonnen für die Bergung großer, sperriger und schwerer versunkener Objekte wie Flugzeuge oder kleine Schiffe bietet." Winde und Seil des Geräts gebe es dabei in verschiedenen Größen je nach Art und Gewicht des zu hebenden Objekts. "Fadoss" könnte aber erst dann zum Einsatz kommen, wenn das Tauchboot gefunden wurde. Bisher fehlt von der "Titan" allerdings jede Spur.
Die Betreiberfirma Oceangate versprach, alles für die Rettung der fünf Vermissten zu unternehmen. "Unser gesamter Fokus liegt auf dem Wohlergehen der Besatzung, und es werden alle möglichen Schritte unternommen, um die fünf Besatzungsmitglieder sicher zurückzubringen", hieß es in einer Stellungnahme. "Wir sind zutiefst dankbar für die dringende und umfassende Unterstützung, die wir von mehreren Regierungsbehörden und Tiefseeunternehmen erhalten, während wir versuchen, den Kontakt mit dem Tauchboot wiederherzustellen."
Das 6,70 Meter kleine und 10,4 Tonnen schwere Gefährt wird seit Sonntagvormittag (Ortszeit) vermisst. Trotz fieberhafter Suche aus der Luft und im Wasser fehlt von ihm nach wie vor jede Spur. Die Zeit drängt: Schätzungen der Behörden zufolge dürfte der Sauerstoff nur noch bis Donnerstagmittag (MESZ) reichen. An Bord sind der französische Forscher Paul-Henri Nargeolet, der britische Abenteurer Hamish Harding sowie der britisch-pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood und dessen 19-jähriger Sohn Suleman. Kapitän war der Chef der Betreiberfirma, Stockton Rush.
250.000 Dollar für Titanic-Trip
Die fünf Vermissten in dem Boot des privaten Unternehmens Oceangate Expeditions hatten den Tauchgang den Angaben zufolge am Sonntagmorgen begonnen. Die Besatzung des kanadischen Begleitschiffs Polar Prince habe nach etwa einer Stunde und 45 Minuten den Kontakt verloren.
Das Tauchboot bringt von seinem Heimathafen St. John's auf der kanadischen Insel Neufundland für 250.000 Dollar (rund 229.000 Euro) pro Person gelegentlich Touristen zur"Titanic". Darunter sind maximal drei Touristen. Dabei handelt es sich bei der "Titan" im engen Sinne um ein Tauchboot, nicht um ein U-Boot, weil es nicht aus eigener Kraft in Häfen ein- und ausfährt. Nach Unternehmensangaben ist die "Titan" 6,70 Meter lang.
Oceangate zufolge dauern die Touren des Unternehmens, die von der kanadischen Insel Neufundland aufbrechen, insgesamt acht Tage. Das Unternehmen bewirbt die Fahrten mit dem Kohlefaser-Tauchboot laut BBC als Chance, "aus dem Alltag herauszutreten und etwas wirklich Außergewöhnliches zu entdecken". Die Firma hatte kürzlich mitgeteilt, dass eine Expedition unterwegs sei.
Der britische mutmaßliche Teilnehmer schrieb Medien zufolge, es handele sich voraussichtlich um die einzige solche Expedition in diesem Jahr.
Die "Titanic" war 1912 auf ihrer Jungfernfahrt von Southampton nach New York im Nordatlantik gesunken, mehr als 1.500 der 2.200 Menschen an Bord starben. Die Überreste des berühmten Luxusdampfers wurden 1985 in rund 3800 Metern Tiefe entdeckt. Filme wie der Blockbuster "Titanic" (1997) mit den Hollywood-Stars Kate Winslet und Leonardo di Caprio heizten das Interesse an der Katastrophe weiter an. Erst vor kurzem hatten Wissenschaftler mit Hilfe hochauflösender 3D-Bilder die bisher genaueste Darstellung des Wracks geboten.
Der Ozean-Forscher Robert Blasiak vom Stockholm Resilience Centre wies auf die schwierigen Bedingungen im Suchgebiet hin. "Der Ozean ist im Durchschnitt vier Kilometer tief, dieses U-Boot befindet sich also in großer Tiefe", sagte Blasiak der BBC. Licht dringe höchstens einen Kilometer weit in die Meeresoberfläche ein, es sei also stockfinster bei gleichzeitig erheblichem Wasserdruck. "Wir wissen, wo die "Titanic" ist, aber wir wissen nicht, wo das Tauchboot ist. Es könnte also sein, dass es bei weitem nicht so tief ist, und darauf sollten wir alle zum jetzigen Zeitpunkt hoffen."