Chronik/Österreich

Waldhäusl: „Letzte Chance“ für den Angezählten

Unten, vor den Toren des Landeshauses in St. Pölten (NÖ), schrillten die Trillerpfeifen der Demonstranten, die dem Wind am Traisenufer trotzten. Fünf Stockwerke weiter oben, im Sitzungssaal der Landesregierung war die Stimmung eisig. Kam es dort doch zum Showdown zwischen ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und dem angezählten FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl.

Er war wegen seiner Flüchtlingspolitik und der Unterkunft samt Stacheldraht in Drasenhofen in die Kritik geraten, die Landeshauptfrau hatte kurz darauf mit einem „Geht gar nicht“- Sager deutlich geantwortet.

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Politische Zukunft

Deshalb ging es am Dienstag um die politische Zukunft des Freiheitlichen. Abgelöst oder aus der Regierung geworfen werden kann Waldhäusl gemäß Verfassung nicht. Die Landeshauptfrau kann ihm aber seine Kompetenzen entziehen – im äußersten Fall säße er als Landesrat ohne Funktion in der Regierung.

Die Aktivisten mit ihren Transparenten verkündeten ihre Meinung lautstark. „Waldhäusl hat den Boden der Rechtsstaatlichkeit verlassen. Dagegen muss man stark auftreten“, sagte Michael Kögl von der Jungen Generation ( SPÖ). Gemeinsam mit Melanie Zvonik von der Sozialistischen Jugend hatte er die Demo, die von einer Handvoll Polizisten bewacht wurde, organisiert. „Stacheldraht geht gar nicht“, betonte Albert Dlabaja vom KZ-Verband Niederösterreich.

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„Sehr deutlich“

Als zwei Stunden später Johanna Mikl-Leitner vor die Kameras trat, hatten die Demonstranten ihre Transparente wieder eingerollt und waren abgezogen. „Ich habe dem Landesrat deutlich gemacht, dass er sein Ressort aufzugeben hat, wenn er seine Verantwortung nicht annimmt. Dazu gebe ich ihm jetzt eine letzte Chance“, erklärte die Landeshauptfrau dem KURIER. Das Gespräch in der Regierungssitzung beschreibt sie als „ernst“ und „sehr deutlich“.

Mikl-Leitner: „Ich bin davon überzeugt, dass wir mit einer Zusammenarbeit aller in der Regierung vertretenen Parteien mehr für unsere Landsleute erreichen können. Meine Geduld hat aber ihre Grenzen.“

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"Nicht zum ersten Mal auffällig geworden"

SPÖ-Chef Franz Schnabl – er sitzt als LH-Stellvertreter in der Regierung – akzeptiert das letzte Ultimatum für Waldhäusl. „Er ist in seinem Zuständigkeitsbereich nicht zum ersten Mal auffällig geworden.“ In diesem Fall habe er aber eine besonders kinderrechtswidrige und unmenschlich Aktion gesetzt. „Die ÖVP hat beschlossen, ihm eine letzte Chance einzuräumen. Wir werden die Landeshauptfrau hier beim Wort nehmen.“ Hoffnung auf eine Besserung Waldhäusls hegt Schnabl nämlich keine.

Der FPÖ-Landesrat attackiert wiederum die für Kinder- und Jugendhilfe zuständige SPÖ-Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig. Sie habe „in einer beispiellosen Nacht- und Nebelaktion die in Drasenhofen einquartierten jungen Männer nach St. Gabriel gekarrt“. Er habe von der Verlegung nur aus den Medien erfahren. „Nachdem nun rechtliche Unschärfen geklärt wurden und feststeht, dass die ehemaligen Drasenhofen-Bewohner in meinen Zuständigkeitsbereich fallen, nehme ich selbstverständlich umgehend die Arbeit auf“, sagte Waldhäusl.

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Visite in St. Gabriel

Noch am Dienstag besuchte er die Caritas-Unterkunft St. Gabriel in Maria Enzersdorf (Bezirk Mödling), wo derzeit 16 der Jugendlichen aus Drasenhofen untergebracht sind. Vor Ort unterhielt er sich ausgiebig mit Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner.

Nach dem Gespräch war klar: Die Jugendlichen können in St. Gabriel bleiben. Waldhäusl resümierte: „Wir werden das Ganze so schnell wie möglich auf rechtliche Beine stellen (derzeit sind die unbegleiteten minderjährigen Flüchlinge (UMF) aufgrund der Eile der Überstellung nach dem Kinder- und Jugendwohlfahrtsgesetz untergebracht, es soll ein Standard-UMF-Vertrag erstellt werden, Anm.).“

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Noch bis Weihnachten wird alles auf Schiene gebracht – so auch die Konzepte für Betreuung, Pädagogik und Sicherheit. „Dabei werden Bürgermeister und Polizei eingebunden, das war dem Landesrat wichtig“, ergänzte Schwertner, der sagte, es sei ein gutes Gespräch gewesen. Sie würden die gemeinsame Ansicht vertreten, dass der Bericht der Kinder- und Jugendanwaltschaft ernst genommen werde und es keine freiheitsbeschränkende Maßnahmen gebe, sondern dass die Minderjährigen gut betreut würden. Waldhäusl sagte zum Abschluss: „Ich sehe es als Chance, dass wir das Problem lösen.“

Unterdessen schilderten die Minderjährigen, wie sie nach Drasenhofen gebracht wurden: „Ich musste innerhalb von zwanzig Minuten in Anwesenheit von Securitys all meine Sachen packen“, erzählte S., der durch die befristete Ausgangszeit in Drasenhofen seine B1-Deutschprüfung verpasste. M. wiederum war fest verankert in dem kleinen Ort in NÖ, wo er in einem Familienbetrieb als Kellner tätig war. St. Gabriel sei viel besser als Drasenhofen, dennoch würde er am Liebsten dahin zurück, wo er noch vor zwei Wochen gelebt hat.

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