Österreich erwacht aus dem Lockdown: "Wollte unbedingt wieder raus"
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Nach nun 12 Wochen Lockdown - zählt man die Unterbrechung um Weihnachten mit - gibt es heute eine Teil-Öffnung des Landes. Der Handel sperrt auf. Ein Ansturm, auf Baumärkte und Kleidungsgeschäfte wird erwartet.
Auch sogenannte „körpernahe Dienstleistungen “ – etwa Friseursalons – können wieder öffnen. Und zumindest einige Freizeit-Aktivitäten werden ab heute wieder möglich – etwa der Besuch von Tiergärten, Zoos und Museen.
Meterlange Schlangen vor Modegeschäften
Auf der Mariahilfer Straße, der Wiener Einkaufsstraße, bilden sich am Montagvormittag bereits die ersten Menschen-Schlangen vor Mode-Geschäften. Zahlreiche Geschäfte locken mit Rabatten.
"Die Geschäfte hatten schon zu lange zu, es ist langweilig daheim. Aber ich gebe ihnen eine Woche, bis sie wieder zusperren, weil die Zahlen steigen werden", sagt Marcela Grosgova. Sie steht vor dem Modegeschäft Pimkie an. Hier gibt es heute bis zu Minus 70 Prozent.
Vor dem Geschäft TKMaxx ist wie bei den ersten Öffnungen im vergangenen Jahr, am meisten los. Dort hat sich um 10.30 Uhr bereits eine über 100 Meter lange Schlange gebildet.
Almaleiki Sajad ist der letzte in der Schlange. Er rechnet damit, dass er sicher eine Stunde anstehen muss, bis er in den TKMaxx kommt. "Ich will einfach mal wieder schaun, was es neues gibt, die nächsten Tage ist sicher noch mehr los". Außerdem glaubt er, dass die Geschäfte bald wieder zusperren.
Im Beautysalon von Judit Kelemen im mittelburgenländischen Oberpullendorf ist es am Montagvormittag noch ruhig. Eine Kundin ist zur Maniküre gekommen. „Ich wollte unbedingt wieder raus und meine Nägel lass ich hier sonst alle vier Wochen machen“, sagt Kundin Katerina Schiefer.
"Keinen Termin zum Testen bekommen"
Geschäftsführerin Judit Kelemen hatte noch am Freitagnachmittag einen vollen Terminkalender. „Leider haben viele den Termin abgesagt, weil sie keinen Termin zum Testen mehr bekommen haben, oder weil es für sie zu umständlich ist, zum Testen zu fahren.“
Sie habe vor allem ältere Kundinnen, für die das Registrieren für eine Testung zu kompliziert ist und die auch nicht mobil sind. Die Mobilität sei vor allem in ländlichen Regionen für Ältere ein Problem. Schiefer hatte Glück: „Ich hab noch einen Termin in der Teststraße bekommen - auch für meine Schwiegermutter. Dass ich heute hierher zu Judit kommen konnte, war mir der Aufwand wert.“
"Kunden scharren bereits in Startlöchern"
Ganz genau durchgetaktet ist der Montagvormittag bei Friseurin "Christa Krista" in der Wiener Muthgasse. Ihre Kunden „scharren bereits in den Startlöchern“, wie sie erzählt. Kein Wunder, denn gerade in Zeiten von Zoom-Meetings und Online-Konferenzen sei es besonders wichtig, dass die Frisur sitzt.
Aus diesem Grund hat sie während des Lockdowns auch viel Haarfarbe verkauft und ihre Stammkunden telefonisch beraten. „Aber das ist jetzt zum Glück vorbei, wir haben elf Stunden am Tag geöffnet, so haben wir für alle genug Zeit und können auch die Abstände einhalten“, erzählt die Salon-Besitzerin. Ihr Handy klingelt am Montagvormittag regelmäßig – alle paar Minuten will sich jemand einen Termin ausmachen.
Das Erste, was sie von ihrer Kundschaft bei Betreten verlangt, ist ein negativer Corona-Test – auch einen Ausweis müssen sie vorlegen, obwohl sie die meisten bereits seit Jahren kennt, wie selbst sagt. „Das muss jetzt einfach sein. Es ärgert mich auch, wenn ich höre, dass andere Friseure nicht kontrollieren. Genau die sind es dann, die sich beschweren, wenn wir wieder zusperren müssen.“
Kunden tauschen "Test-Erfahrungen" aus
Typisch für diese Zeit drehen sich auch die Gespräche im Salon vor allem um das Coronavirus. Zwei Kundinnen, denen gerade die Haare gefärbt werden, tauschen „Test-Erfahrungen“ aus. Sicher sind sie, dass es noch einen weiteren Lockdown geben wird – vor allem jetzt, wo die Rabattschlachten losgehen. „Dass ich heute da bin, ist reiner Zufall. Ich habe mir meinen Termin noch vor Weihnachten ausgemacht. Ein paar Wochen ohne Friseur kommt man schon mal aus. Man weiß sich eben selbst zu helfen“, meint die 74-Jährige Heidrun Strasser.
In Oberpullendorf im Burgenland hat der Salon „Seitnscheitl“ seit 8. 30 Uhr geöffnet. „Es kommen laufend Kundschaften, die sich extra für den Friseurbesuch haben testen lassen“, sagt Mitarbeiter Josef Hauser.
In Baumärkten noch recht ruhig
Auch in den Baumärkten war ein Ansturm erwartet. Am Montagvormittag ist es in den Baumärkten in Wien und dem Burgenland jedoch noch recht ruhig.
Mit einer Klobürste in der Hand kommt ein glücklich grinsender Kunde aus dem Bauhaus Jägerstraße in Wien-Brigittenau. „Die hab ich jetzt schon seit Wochen gebraucht und im Internet bestelle ich nicht“, erklärt der Mann, der namentlich nicht genannt werden möchte – genau genommen sei er nämlich im Homeoffice.
Heimwerker Werner wollte hingegen im Internet bestellen, die gewünschten Bretter waren aber nur in Graz lieferbar. „Man kann ja momentan eh nichts machen, drum habe ich beschlossen, dass ich mein Bad renoviere. Die Möbel bau ich mir selbst, dazu brauch ich allerdings Holz und das habe ich mir jetzt schnell geholt."
Als er am Parkplatz ankam, war er unsicher, da dieser schon recht voll war. Im Geschäft hätte sich dann aber alles verlaufen. „Sonst hätte ich einfach umgedreht, auf die paar Tage kommt es nicht an.“ Dass sich der Andrang in Grenzen hält, bestätigt auch ein Mitarbeiter, an einem Montag sei normalerweise mehr los.
Verkäufer froh über Zurückhaltung
Der Verkäufer wirkt darüber nicht ganz unglücklich: „Die Leute halten sich an keine Regeln, wenn ich zurückgehe, um den Abstand einzuhalten, kommen sie einfach näher.“ Im selben Moment kommt ein Kunde vorbei, der die Maske am Kinn trägt. Der Angestellte schüttelt nur den Kopf, bevor er den Mann laut auffordert: „Die Maske gehört über die Nase. Wir sind hier nicht im Kindergarten.“
Die meisten Kunden tragen die Masken aber richtig und haben auch einen guten Grund für ihren ersten Einkauf nach dem Lockdown-Ende. So auch Horst: „Ich bin beruflich viel im Ausland. Meine Frau hatte eine Schulteroperation und uns geht das Holz zum Heizen bald aus. Da musste ich natürlich heute noch schnell einkaufen, bevor ich wieder in den Flieger steige. Wenn ich zum Spaß einkaufen gehen würde, müsste ich ja deppat sein.“
Auch in den Baumärkten in der Wiener SCS ist es recht ruhig. Die größte Schlange ist auch hier, die vor dem Geschäft TKMaxx. Vor dem Ikea hat sich eine kleine Schlange gebildet, einige Menschen bringen Sachen zurück.
Achtung: In Geschäften dürfen sich nur wenige Personen gleichzeitig aufhalten, nach 20 Uhr gelten. Ausgangsbeschränkungen.
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