Mysterium Friedrich Felzmann: Hunderte Hinweise, keine Spur
Stiwoll am äußersten westlichen Zipfel von Graz-Umgebung. Ein bisschen mehr als 700 Einwohner, die sich in Sportverein, Jägerverein und beim Pfarrfest engagieren. Ein beschauliches Stückchen Steiermark.
Der 29. Oktober 2017 hat das alles geändert, zumindest für eine geraume Zeit. An diesem Sonntag, am Vormittag, knallen Schüsse in einem lang gestreckten Gehöft oberhalb von Stiwoll: Zwei Menschen sterben, eine Frau überlebt schwer verletzt.
„Es war ein komplettes Schockerlebnis“, erinnert sich ÖVP-Bürgermeister Alfred Brettenthaler. Edwin Benko vom Kriseninterventionsteam macht deutlich, weshalb: „Das ist kein Routinefall in einer kleinen Gemeinde, wo jeder jeden kennt. Ein mutmaßlicher Doppelmord und ein flüchtiger Täter.“
Spektakulärster Fall
Das ist der Punkt, der Stiwoll über die Tragödie mit Todesopfern noch hinaus hebt und zu einem der spektakulärsten Kriminalfälle Österreichs macht. Der mutmaßliche Schütze, Friedrich Felzmann, schaffte es, zu flüchten. Er blieb bis heute verschwunden. Nicht einmal eines der größten Aufgebote an Einsatzkräften, die in der jüngeren Kriminalgeschichte Österreichs in Stiwoll im Dienst waren, konnte ihn finden. Die Beamten entdeckten nicht einmal eine Spur des Mannes, sieht man vom Fluchtwagen ab, den der Verdächtige in einem Waldstück versperrt zurück ließ.
Oberst René Kornberger, Leiter der in der Woche nach dem mutmaßlichen Doppelmord installierten „Sonderkommission Friedrich“, muss zugeben: Die Polizei hat keinerlei brauchbare Anhaltspunkte, wo sich Felzmann aufhalten könnte, so er überhaupt noch lebt. „Wir haben nichts, keine DNA, keine Bilder aus Wildkameras, nur Mutmaßungen.“
Dabei ließ die Polizei nichts unversucht und sparte auch nicht: Die Suche nach Friedrich Felzmann kostete 3,5 Millionen Euro. Samt Überstunden waren Polizeikräfte 85.600 Stunden lang seinetwegen im Einsatz, Drohnen wurden angemietet, die das weitläufige Areal der Gemeinde überflogen. Das Bundesheer wurde um Assistenz gebeten, Beamte suchten die weitverzweigten Stollen und Höhlen des aufgelassenen Bergwerks ab.
Doch vergeblich. Je mehr Zeit verstreicht, desto sicherer werden sich die Behörden, dass Felzmann tot ist. Die Staatsanwaltschaft Graz hat das Verfahren wegen des Verdachts des Mordes längst abgebrochen. Das ist Routine bei Verdächtigen, derer man nicht habhaft werden kann. Die internationale Fahndung samt 5000 Euro Belohnung bleibt dennoch aufrecht: Friedrich Felzmann steht gleich neben Tibor Foco auf der Liste der meistgesuchten Flüchtigen Österreichs ganz oben. Er wurde auch in die Liste der meistgesuchten Flüchtigen Europas aufgenommen.
440 Hinweise auf Felzmann arbeitete die Polizei ab, sogar Tipps von Esoterikern mit ihren Pendelruten. „Da waren wir ein wenig getrieben“, kommentiert Oberst Kornberger. In Stiwoll selbst habe man zu „normalen Abläufen zurück gefunden“, versichert der Bürgermeister. „Es wird wieder gelacht.“