Chronik/Österreich

Dem Wal a scheene Leich’

Güner Ayaz gibt sich bescheiden. Stolz? Nein, stolz ist er nicht, dass er ein Wiener Wahrzeichen gerettet hat. Das sei eher Zufall gewesen, meint Ayaz zurückhaltend. Als Geschäftsführer einer Abbruchfirma sollte er den dreieinhalb Meter großen Wal, eine markante Blechskulptur, aus dem Prater in Richtung Schrottplatz bringen, nachdem das bekannte Gasthaus „Walfisch“, dessen Maskottchen das Blechtier gewesen war, geschlossen wurde. Ayaz erkannte den kulturellen Wert des Riesentieres und rettete damit ein Stück Lokalhistorie: Der Wal wurde dem Wien Museum übergeben, restauriert und wartet nun auf seinen Auftritt in der Dauerausstellung Museums.

Olfaktorisch fordernd

Wie aber wurde das Meerestier überhaupt so prominent? In der Topografie der Stadt gibt es dafür zwei Schwerpunkte, in der Walfischgasse sowie im Wiener Prater. Zwischendurch gab es mehrere Walfischhäuser, einerseits inspiriert von der Legende vom Propheten Jona, andererseits wollte man damit wohl dem Wunsch nach Exotisch-Fremdem Genüge tun, schreiben Thomas Hofmann und Mathias Harzhauser in ihren "Wiener Naturgeschichten" (Böhlau, 233 Seiten, 36 Euro)

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Ein erstes echtes Walskelett war in Wien 1838 zu sehen, es tourte durch Europas Hauptstädte. 1889 wurde ein toter Wal von Berlin nach Wien gebracht, um hier ausgestellt zu werden. Schaulust und echtes naturwissenschaftliches Interesse vermengten sich, Tausende kamen, obwohl das bereits seit Längerem verstorbene Tier eine olfaktorische Herausforderung war.

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Bald aber ersetzten (lebende) Seelöwen seinen Status als Sommerattraktion und der arme Wal wurde zerstückelt. 18 Pferde sollen den Wagen gezogen haben, der die bedauernswerte Ex-Attraktion zur Tierkörperverwertung nach Simmering brachte. Ein würdevolles Ende, immerhin. Sein Skelett kam ins Naturhistorische Museum.

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Findige Praterwirtsleute profitierten unterdessen vom mittlerweile etablierten Wal-Interesse und montierten Walknochen eines 1895 erlegten Pottwales am Eingang ihres Gasthauses neben der Grottenbahn. Ein Riesenerfolg. 1945 war es damit vorbei, der Prater lag in Schutt und Flammen. Als man in den 1950er Jahren nach einem neuen Wahrzeichen suchte, erinnerte man sich an die einstige Berühmtheit und schuf einen zehn Meter langen Blechwal, den man aufs Dach des Entrees der wiedereröffneten Restauration hievte. Die grotesken roten Lippen sollen übrigens an die Praterprinzessin erinnern, heißt es.