Besuche im Seniorenheim: Plauderei im 15-Minuten-Takt
Seit mehr als sieben Wochen haben die Ehepartner Josef und Maria G. einander nicht gesehen – so lange wie noch nie zuvor in ihrem gesamten bald 60-jährigen gemeinsamen Leben. Am Donnerstag hat Josef G. erfahren, dass ab Montag Besuche in Seniorenheimen wieder erlaubt sind.
Bereits am Samstag hat er mit der Heimleitung einen Termin für Mittwoch fixiert. "Es ist zwar nur eine Viertelstunde und man muss den Mund-Nasen-Schutz tragen und so weiter, aber besser als nur zu telefonieren", beteuert der Senior. Und auch sonst wird dieser erste Besuch nach der vollkommenen Abschottung der Seniorenheime anders werden, als alle anderen bisher. Denn es gilt eine Fülle an strengen Regeln.
Als Hochrisiko-Gruppe war es Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen in den vergangenen Wochen strikt untersagt, Besucher zu empfangen, um Infektionen mit dem Coronavirus zu verhindern. Auch das Verlassen der Häuser war erheblich eingeschränkt – was, wie berichtet, auch für erhebliche Kritik sorgte.
Seit Montag ist wieder ein Stück Normalität eingekehrt. Unter Auflagen sind nun Besuche wieder erlaubt.
Große Vorfreude
Die Vorfreude auf ein Wiedersehen ist groß, überrannt werden die Seniorenheime in Niederösterreich aber nicht, ergab ein KURIER-Rundruf am Montag. Dafür wurde im Vorfeld gesorgt. "Nur wer einen Termin hat, kommt auf Besuch", erklärt Gerhard Reisner, Direktor des Pflege- und Betreuungszentrums Mödling. So würden die Besucherinnen und Besucher gut verteilt und Menschenmengen vermieden.
"Es gibt also keinen großen Ansturm, wir haben uns gut auf diesen Tag vorbereitet. Die Besucher teilen sich auf alle Tage gleichmäßig auf, das wurde so organisiert", sagt Reisner.
Auch der anstehende Muttertag am kommenden Sonntag bringt den Pflegeheimdirektor aus Mödling daher nicht aus der Ruhe: "Manche verlegen ihren Muttertagsbesuch vor, andere holen ihn nach. Natürlich kommen am Sonntag auch Besucher, aber wie an allen anderen Tagen, nur mit Termin und organisiert", sagt Reisner. "Es freuen sich jedenfalls alle wirklich sehr", beschreibt er die Stimmung.
Genauso wird es auch im Pflege- und Betreuungszentrum Baden gemacht, erzählt Direktorin Susanne Stanzel. Die Vorgaben kommen vom Land Niederösterreich und sind für alle Heime gleich. Weil der Garten groß genug ist, konnten die Badener Bewohner auch in den vergangenen Wochen mit viel Distanz Besuch empfangen. "Besucher und Bewohner waren durch einen Zaun getrennt. Zusätzlich zum Zaun gab es ein Absperrband, dass einen Abstand von zwei Metern garantiert hat", sagt Stanzel.
Am Montag, dem ersten offiziellen Besuchstag, war es daher in Baden noch "recht ruhig". Für den Muttertag ist man allerdings auch dort gewappnet: „Es werden Termine vereinbart und alles organisiert“, kündigt Stanzel an.
Fieber messen
Zusätzlich zur telefonischen Terminvereinbarung gelten auch beim Besuch selbst strenge Regelen in den niederösterreichischen Pflegeheimen. Um trotz der nun anlaufenden Besuche das Ansteckungsrisiko so klein wie möglich zu halten, gibt es genaue Abläufe, die eingehalten werden müssen.
Was man sonst eher vom Einchecken für den Flug in den Urlaub gewohnt ist, soll nun auch in den Pflegeheimen Usus werden: Wer rein will, muss sich zuerst kontrollieren lassen. Statt Gepäck wird hier die Körpertemperatur kontrolliert – beim Eingang wird kontaktlos Fieber gemessen.
Nicht nur im Supermarkt oder in öffentlichen Verkehrsmitteln – auch im Pflegeheim braucht man den Mund-Nasen-Schutz: Es herrscht Maskenpflicht für alle Besucher; die Hände müssen desinfiziert werden.
Soziallandesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) betont, die neuen Regeln seien nur "erste Lockerungen, die ein baldiges Wiedersehen ermöglichen sollen, und keine generelle Erlaubnis für Besuche in Pflegeheimen".
Beschränkte Zeit
Das lang ersehnte Wiedersehen ist vorerst auch nur ein kurzes Vergnügen. Für den Besuch gibt es klar geregelte Zeitfenster. Die maximale Besuchszeit beträgt 30 Minuten, wenn man sich im Freien trifft oder durch ein Besucherfenster plaudert. Sollte das nicht möglich sein, darf man sich laut nö. Richtlinien in eigens vorbereiteten Räumen zusammensetzen – dann aber nur für maximal 15 Minuten.
In Wiener Pflegeheimen, wie im "Haus Prater" im 2. Bezirk ist man etwas großzügiger. Erlaubt sind dort 45 Minuten. Mitarbeiter achten darauf, dass die Regeln eingehalten werden. Wobei sie den Auftrag haben, so dezent wie nur möglich aufzutreten. "Wir nennen sie daher auch nicht Kontrollore, sondern Corona-Lotsen. Primär setzen wir aber auf den Hausverstand der Bewohner und Besucher", sagt Claudio May, Direktor des Hauses, das zum Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser gehört.