Warum es den perfekten Sommer nicht gibt

Wann häufen sich Regenbögen? Dieser Frage ist ein deutscher Datenjournalist nachgegangen und hat dafür Instagram-Fotos analysiert.
Warum alle über das Wetter reden und wie es sich auf Stimmung und Flirtchancen auswirkt.

Das Wetter ist an allem schuld – an den Kopfschmerzen, am Ziehen im Knie, an der guten und der schlechten Laune. Es ist schuld, wenn wir keine Lust haben zu sporteln oder uns beim Shoppen verausgaben. Und es beeinflusst sogar das Flirtverhalten.

Kein Wunder also, wenn darüber ständig geredet wird. "Der Mensch ist seit drei Millionen Jahren vom Wetter abhängig, von Tag und Nacht, sowie von Wetterphänomenen. Das hat sich tief in uns eingegraben", erklärt der Biopsychologe Prof. Peter Walschburger von der Freien Universität Berlin. "Wir haben die Tendenz, nach draußen zu blicken und unsere Stimmungslage mit dem Wetter abzugleichen. Es gibt keinen anderen Umweltfaktor, der öfter für unsere Unpässlichkeiten verantwortlich gemacht wird, als das Wetter."

Subjektiv betrachtet, machen wir diesen Sommer ein Wechselbad der Gefühle durch. Dabei ist der Sommer meteorologisch gesehen gar nicht so schlecht, sagt der Klimatologe Alexander Orlik vom Zentralamt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Ein Blick auf die Temperaturen zeigt: Der heurige Juni war um 1,1 Grad, der Juli um 1,2 Grad wärmer als im 30-jährigen Mittel. Im nördlichen Österreich gab es sogar bis zu 15 Prozent mehr Sonnenstunden. "Es gab ein paar heiße Tage und dazwischen viel Niederschlag", sagt Orlik. "Wenn man allerdings den Sommer vom Vorjahr oder von 2013 als Maßstab nimmt, hat man völlig falsche Vorstellungen. 2015 hatten wir den heißesten Sommer, der jemals gemessen wurde."

Flirten & Shoppen

Den perfekten Sommer für alle gibt es nicht. "Wir klagen schon, wenn es länger über 30 oder unter 20 Grad hat", sagt Walschburger. "Das Wetter ist am besten zu ertragen, wenn es schön, aber durchwachsen ist und es immer wieder Hoffnung auf bessere, warme Tage gibt." Neben der Wetterfühligkeit, die sich bei jedem Dritten mit Symptomen wie Kopfschmerzen, Müdigkeit oder Schlafstörungen bemerkbar macht, spielen Sonne und Wolken auch in andere Lebensbereiche hinein. So fanden französische Forscher heraus, dass Flirtversuche an sonnigen Tagen erfolgreicher enden. Für ihr Experiment sprachen junge Männer im Namen der Wissenschaft Frauen in einer Fußgängerzone an – bei wolkenlosem Himmel verrieten 22 Prozent der Frauen ihre Telefonnummer, bei trübem Wetter lag die Erfolgsquote nur bei 14 Prozent.

Andere Experimente zeigten, dass bei Schönwetter das Börserl lockerer sitzt: Die Testpersonen waren bereit, höhere Preise zu bezahlen und gaben mehr Trinkgeld. Umgekehrt dürfte Schlechtwetter Online-Shopper beflügeln – je ungemütlicher es draußen ist, desto mehr Bestellungen verzeichnen Online-Einkaufsportale.

Thermoregulation trainieren

Und dennoch ist das menschliche Empfinden nicht vollends dem Wetter unterworfen. Zwar heben Sonnenschein und Schönwetter die Laune und die Lust, aktiv zu sein. . „Doch das Erleben des Wetters ist auch von Vergleichsreizen abhängig und wir können es in Maßen durchaus optimieren“, sagt Walschburger. Ein Beispiel: Je nachdem, ob man vor dem Schwimmbad kalt oder warm duscht, wird die Wassertemperatur als wärmer oder kälter wahrgenommen. „Wer sich den ganzen Tag mit Rollos und Klimaanlage vom Wetter abschottet, darf sich nicht wundern, wenn ihn beim Rausgehen das Wetter „kalt erwischt“.“ Der Biopsychologe empfiehlt, sich den Wetterreizen regelmäßig auszusetzen, sich abzuhärten und die Thermoregulation zu trainieren.

Das dürfte in den kommenden Tagen nicht schwierig sein – laut ZAMG werden die letzten Augusttage für Sonnenanbeter vielversprechend. Vielleicht ergibt sich beim Shoppen auch die eine oder andere Flirtchance.

Übers Wetter reden alle, so die These. Also reden alle übers Wetter. Sätze wie Ist das nicht ein Prachttag? gelten als Eisbrecher in jeder Small-Talk-Nordsee. Daher wird das meteorologische Geschehen von Benimmgurus gerne als idealer Aufhänger für Gespräche empfohlen. Wäre da nicht … der Klimawandel. Der macht – gefühlt – nicht nur das Wetter komplizierter, sondern auch die bisher leichtfüßigen Gespräche darüber. Nix geht mehr ohne diese Metaebene. Jedes Wie wird das Wetter morgen-Blabla landet zügig im Betroffenheitsnebel der Wetterfühligen, die mit Begriffen wie Treibhausgase, Polkappenschmelze oder El Niño jede Party crashen. Wobei Letzterer zuweilen mit einem kubanischen Cocktail verwechselt wird. Trotzdem: Es bleibt schwierig, ähnlich wie in der Politik. Wer Klimakatastrophen-Szenarien weglächelt, gilt als naiver Schönwetter-Willkommensklatscher. Wer zu viel darüber schwadroniert, als Verschwörungstheoretiker mit Chemtrail-Hintergrund.

Aber alles wird gut: Jetzt kommt Gerd. Und der ist ein Hoch.

gabriele.kuhn@kurier.at

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