OMV-General: "Sitze nicht mit Putin am Verhandlungstisch"

OMV-General Rainer Seele im KURIER-Interview
OMV-Konzernchef Rainer Seele über die geplante enge Kooperation mit Gazprom, den Iran und das Sparprogramm.

KURIER: Ein Gazprom-Manager hat Sie als "Gazproms bester Mann in Europa" bezeichnet. OMV-intern ist Ihr Spitzname "Russen-General". Befürchten Sie nicht, dass die OMV bei der geplanten Umarmung mit Gazprom erdrückt wird?

Rainer Seele: Spitznamen hin oder her, in erster Linie bin ich OMV-General und nichts anderes. Die Kooperation mit Russland ist eine von mehreren Optionen, um die OMV weiterzuentwickeln. Die Interessen der OMV werden in den Vordergrund gestellt, das ist von einer Umarmung weit entfernt. Die OMV hat seit 48 Jahren Geschäftsbeziehungen mit Gazprom, darauf werden wir aufsetzen. Zum Vorteil von beiden Partnern. Nicht weil wir die Gazprom so sehr lieben, sondern weil wir eine kostengünstige, wirtschaftlich attraktive Produktion erhalten.

Für Gazprom sehen wir etliche Vorteile, aber was hat die OMV davon?

Wir haben auch bei niedrigen Ölpreisen eine sehr günstige Kostenstruktur. Und die Kooperationen im Leitungssektor bringt uns Stabilität. Egal, ob die Sonne scheint, ob der Ölpreis hoch oder niedrig ist, ob der Gasverbrauch steigt oder abnimmt, wir werden eine attraktive Rendite erwirtschaften. Das übergeordnete Ziel dieser Kooperation ist die Versorgungssicherheit in Österreich. Dass das Gas den Weg nach Baumgarten findet. Wir haben Milliarden in den Aufbau unserer Infrastruktur investiert und können es uns nicht erlauben, diese zu mindern.

Aber Gazprom übernimmt den Verkauf und die OMV bekommt den russischen Inlandspreis. Das nennen Sie wirtschaftlich attraktiv?

Wir verhandeln gerade die Details und wir sind im Verhandeln nicht schlecht. Wir müssen einen Gas- und einen Kondensatpreis mit einer entsprechenden wirtschaftlichen Attraktivität bekommen. Das ist in jedem anderen Land auch so.

OMV-General: "Sitze nicht mit Putin am Verhandlungstisch"
OMV Chef, Rainer Seele, Interview in seinenm Büro in Wien
Mit der Pipeline Nordstream 2 hängt Österreich aber noch stärker von Russland ab. Das widerspricht doch der EU, die diese Abhängigkeit reduzieren will.

Das sehe ich vollkommen anders. Ich unterstütze den Ansatz, dass wir europäisch eine größere Diversifizierung unserer Bezüge anstreben sollen, die auch wirtschaftlich attraktiv und umsetzbar ist. Aber Versorgungssicherheit bedeutet auch die Diversifizierung der Importwege und genau das verfolgen wir mit dem Projekt. Die Verbrauchsstätten in der EU werden direkt mit der Produktion verknüpft. Das ist die höchste Versorgungssicherheit, die wir im Transport anbieten können.

Was macht Sie so sicher, dass Sie kein Problem mit der EU bekommen?

Wir werden alles daran setzen, die EU von unseren Argumenten zu überzeugen.

Wie zuverlässig schätzen Sie Russland und Putin ein?

Wir sind für die Versorgungssicherheit zuständig und kein politisches Unternehmen. Aber eines hören wir ganz klar von unseren deutschen Partnern, die Nordstream gebaut haben: Weder gibt es Lieferunterbrechungen noch Störungen. Ich bin überzeugt, dass sich diese positiven Erfahrungen auch für Nordstream 2 ableiten lassen.

Sie wollen beim Öl- und Gasfeld Achimov viel investieren, haben aber nicht einmal die Sperrminorität.

Die Corporate Governance, also die Art, wie wir bei dem Projekt zusammen arbeiten, ist auch noch Gegenstand von Verhandlungen. Aber wir sind nicht alleine. Gemeinsam mit dem deutschen Partner BASF halten wir 50 Prozent. Unsere Interessen sind die gleichen. BASF hat Erfahrung in dieser Region und das Engagement jüngst weiter erhöht. Glauben Sie mir, BASF ist ein exzellenter Weltkonzern und wägt die Aspekte, die Sie angesprochen haben, sehr genau ab. Das ist ein Erfolgsprojekt.

Die Frage nach Putin haben Sie noch nicht beantwortet.Ich sitze ja nicht mit Herrn Putin am Verhandlungstisch oder führe mit ihm einen politischen Dialog. Daher kann ich diese Frage nicht so kompetent beurteilen, wie Sie es jetzt wahrscheinlich hören möchten. Aber was ich in der politischen Arena erkennen kann, ist, dass die Umsetzung des Minsk-Abkommens sehr deutlich signalisiert wird. Daran wird sich entscheiden, wie sehr Europa zu einem engeren Dialog mit Russland bereit ist. Die internationale Gemeinschaft hat ein Interesse an einem Dialog mit Russland, gerade um die Probleme im Mittleren Osten zu lösen.

Gazprom will unbedingt in die westliche Infrastruktur. Auch kein Problem?

Wenn Sie die Veräußerung der Gas Connect Austria ansprechen – wir starten den Prozess erst Anfang 2016. Ich vermute so starkes Interesse der anderen Partner, dass die Wahrscheinlichkeit eines Gazprom-Einstiegs sehr gering ist.

Es gibt sehr konkrete Spekulationen, dass die OMV die Raffinerie Schwechat in eine Sondergesellschaft ausgliedert, an der sich dann Gazprom beteiligt. Eine direkte Beteiligung an der OMV wurde zwar dementiert, aber könnten Sie dazu nochmals klar Stellung beziehen?

Wir kommentieren Gerüchte grundsätzlich nicht. Wir werden im ersten Halbjahr 2016 gemeinsam mit Gazprom die Komponenten des Asset-Tausches publizieren. Eine Komponente ist festgelegt, nämlich die in Russland. Wir unterhalten uns derzeit nur noch über eine ganz kleine Auswahl an Assets im Portfolio der OMV.

OMV-General: "Sitze nicht mit Putin am Verhandlungstisch"
OMV-Boss Rainer Seele spart bei der Werbung
Ihre geheime Shortlist.

Ich wiederhole jetzt in aller Deutlichkeit: Wir besprechen eine direkte Beteiligung der Gazprom am OMV-Konzern überhaupt nicht. Das können wir ausschließen. Gazprom ist auch nicht daran interessiert.

Und die Raffinerie?

Habe ich doch schon beantwortet. Wir werden uns zu den Assets erst dann äußern, wenn wir uns mit Gazprom darüber verständigt haben.

Ein Dementi klingt aber anders.

Ich habe keinen Grund, etwas zu dementieren oder zu kommentieren.

Kommen wir zum Iran. Warum ist die OMV dort an Öl interessiert und nicht an Gas?

Wir haben zwei Öl-Lagerstätten gefunden. Dort kennen wir uns aus. Machen wir uns beim großen Gasprojekt doch nichts vor. Die dafür notwendigen Milliarden-Investitionen sind für die OMV derzeit nicht gesund. Wir haben die Investitionen ohnehin schon gekürzt. Nicht, weil wir keine guten Öl- oder Gasfelder hätten, sondern weil wir auf Grund des schwachen Ölpreises unseren Cash-Flow, also unseren finanziellen Mittel, im Auge haben müssen. Wir müssen bereits in Norwegen und Rumänien investieren.

Mit dem Engagement in der Türkei – Tankstellen und das Kraftwerk Samsun – sind Sie vermutlich nicht sehr zufrieden? Die Sorgen um unser Türkei-Geschäft hängen mit der staatlichen Festlegung der Energiepreise zusammen. Wir müssen mit den Behörden den Dialog aufnehmen. Ich gebe gerne zu, dass bei mir eine gewisse Schmerzgrenze erreicht ist und ein Zeichen der Hoffnung kommen muss.

Zum Sparprogramm, das ja 2016 weiter läuft. Da ist doch sicher der Abbau von Mitarbeitern geplant?

Wir unterscheiden uns da von unseren Wettbewerbern. Wir sagen nicht, dass wir einen Personalabbau ansteuern, um die Kosten zu reduzieren. Sondern wir nehmen uns die großen Kostenblöcke vor.

Ausschließen können Sie den Abbau von Mitarbeitern aber nicht?

Wenn uns der Ölpreis noch mehr im Stich lässt, werden wir vielleicht so eine Diskussion führen. Ich schließe einen Mitarbeiter-Abbau nicht aus, aber wir diskutieren derzeit im Vorstand nicht darüber. Unser heuriges Kostensenkungsziel haben wir beinahe realisiert. Die OMV-Mannschaft hat mich in diesem Jahr so überzeugt, dass wir diese Mitarbeiter 2016 brauchen werden, um die Kosten weiter zu senken. Ob es alle sind, müssen wir abwarten.

Karriere
Seit Juli steht der Deutsche (55) nach dem umstrittenen Abgang von Gerhard Roiss an der Spitze der OMV. Er begann beim Chemiekonzern BASF und wechselte 1996 zur Tochter Wintershall, einem Öl- und Gasproduzenten. Seele hat gute Russland-Kontakte und steht der der Deutsch-Russischen Außenhandelskammer vor.

Konzern
Leidet unter dem Ölpreis und muss 2015 eine Milliarde Euro wertberichtigen. Das operative Ergebnis aber verbesserte
sich um fast ein Drittel auf 367 Millionen. Die OMV beteiligt sich am russischen Öl-Gas-Gebiet Achimov und an der Pipeline Nordstream 2, dafür erhält Gazprom Beteiligungen an OMV-Assets. Die genaue Liste der Beteiligungen hält Seele noch geheim.

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