MEL-Affäre: Atrium muss für frühere Fehler blechen

MEL-Affäre: Atrium muss für frühere Fehler blechen
Brisantes Urteil des OGH: MEL-Nachfolgerin Atrium muss Anleger wegen falscher Ad-Hoc-Mitteilung entschädigen.

In der Anlageaffäre um die frühere Immobilienholding Meinl European Land (MEL) hat der Oberste Gerichtshof (OGH) ein bahnbrechendes Urteil gesprochen. In diesem Musterverfahren wurde die MEL-Nachfolgegesellschaft Atrium rechtskräftig dazu verdonnert, einen Anleger zu entschädigen, weil sie eine falsche Ad-hoc-Meldung über eine Kapitalerhöhung veröffentlicht hat. Gleichzeitig wurde eine Insiderinformation, die den Kurs der MEL-Papiere beeinflusst hätte, verheimlicht.

Richtungsweisende Entscheidung

Laut dem OGH-Urteil mit der Geschäftszahl 4 Ob 239/14x hat die MEL ihre Anleger im Februar 2007 darüber informiert, dass "die bisher größte Kapitalerhöhung in der Unternehmensgeschichte erfolgreich bzw. vollständig platziert" worden sei. Sie erweckte mit der irreführenden Ad-hoc-Meldung den Eindruck, so die Höchstrichter, "dass sämtliche angebotenen Aktien auf dem Markt untergebracht worden seien, also ein lebhaftes Interesse an den Wertpapieren bestehe". Dabei habe sie den Anlegern verschwiegen, dass 42 Prozent der Zertifikate (620 Millionen Euro) von der MEL selbst über eine Meinl-Konzerngesellschaft erworben wurden.

Starker Tobak

"Diese nicht veröffentlichte Information war geneigt, den Kurs der MEL-Zertifikate erheblich zu beeinflussen", heißt es im Urteil. "Denn diese Information hätte den Anlegern signalisiert, dass auf dem Kapitalmarkt keine ausreichende Nachfrage von Anlegern an diesen Wertpapieren bestand."

"Wenn die MEL eine richtige Ad-hoc-Meldung publiziert hätte, sagt der OGH, hätten die Analysten und Großanleger reagiert und somit wäre der MEL-Kurs schon früher nach unten gegangen", erklärt Anwalt Ulrich Salburg, der für den Prozessfinanzierer AdvoFin das Urteil erstritt, dem KURIER. Außerdem hätten viele Kleinanleger nicht mehr in die MEL-Papier investiert.

Anleger musste Ad-Hoc-Meldung nicht lesen

"Auch wenn der Kläger (Anleger) die Ad-Hoc-Meldung vom 9. Februar 2007 nicht gelesen habe, so könne die Kausalität nicht von vornherein verneint werden, zumal der Kurs von Wertpapieren auch von professionellen Käufern und Verkäufern bestimmte werde, die auf den Inhalt von Ad-Hoc-Meldungen reagieren und deren Verhalten den Kurs in die eine oder andere Richtung beeinflusse,", heißt es wörtlich im OGH-Urteil. "Bei dem hier maßgeblichen Tatbestand der Marktmanipulation nach Paragraf 48 Börsegesetz ist eine tatschliche oder mögliche Kursbeeinflussung nicht notwendiges Tatbestandsmerkmal."

Marktmanipulation nicht widerlegt

Der Geschädigte müsse daher eine Marktmanipulation nicht beweisen, so die Höchstrichter, sondern der Schädiger (MEL/Atrium) die konkrete Behauptung der Marktmanipulation widerlegen. "Die Beklagte (Atrium) zeige nämlich nicht auf, aufgrund welcher Umstände der Kläger (Anleger) ihre Marktmanipulation hätte durchschauen müssen", heißt es im Urteil auf Seite 13.

5029 MEL-Anleger

Dieses erste OGH-Urteil gegen Atrium gilt als Trumpf für die weiteren Anlegerprozesse. "Wir vertreten derzeit 5029 MEL-Anleger mit einem Schadensvolumen in Höhe von rund 200 Millionen Euro", sagt AdvoFin-Chef Franz Kallinger zum KURIER. "Neun Millionen Euro haben wir bereits eingeklagt, jetzt werden wir Zug um Zug die weiteren Klagen einbringen."

Stellungnahme von Atrium

Atrium European Real Estate weist in einer Reaktion auf einen Bericht im heutigen Kurier zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (4 Ob 239/14x) die dargestellten Informationen des Prozessfinanzierers AdvoFin als unvollständig und irreführend zurück. Atrium-Rechtsvertreterin Daniela Karollus-Bruner von der Kanzlei CMS Reich-Rohrwig Hainz: "Diese OGH-Entscheidung ist nur eine von mehreren Gerichts-Entscheidungen in dieser Angelegenheit. AdvoFin verschweigt beispielsweise eine kürzlich erfolgte und wichtigere OGH-Entscheidung zu Gunsten von Atrium. Mehrere weitere OGH-Entscheidungen in der Vergangenheit erfolgten ebenfalls zugunsten von Atrium.“

Entgegnung von AdvoFin

„In der Sache Atrium wurde der OGH bisher nur zwei Mal befasst, im ersten OGH-Urteil wurde bereits die Verletzung der Ad-Hoc-Meldepflicht festgestellt, und der Fall lediglich zur Ergänzung in die erste Instanz zurückgeschickt“, sagt AdvoFin-Chef Franz Kallinger zum KURIER. "Der Anleger muss nachweisen, wie er sein investiertes Kapital alternativ veranlagt hätte, und ob er allenfalls auch Kenntnis von Ab-Hoc-Mitteilungen hatte.“ Nachsatz: „Wir sind aber verwundert, dass die neue rechtskräftige OGH-Entscheidung von Atrium noch nicht mittels Ad-Hoc-Meldung dem Finanzmarkt mitgeteilt wurde.“

Aus MEL wurde Atrium

Im August 2008 wurde die Übernahme der problembehafteten Immobilienholding Meinl European Land (MEL) durch den internationalen börsennotierten Einkaufszentrumbetreiber Gazit-Globe abgeschlossen. Co-Investor war die Citigroup. In der Folge wurde Meinl European Land in Atrium European Real Estate Limited umbenannt und ein neuer Verwaltungsrat und ein neues Management eingesetzt. Indes laufen die Geschäfte der börsennotierten Atrium derzeit eher flau. Im ersten Quartal 2015 sanken die Netto-Mieteinnahmen von 51 Millionen auf 49 Millionen Euro, der Gewinn brach von 27,9 Millionen auf 11,1 Millionen Euro ein. Dazu trugen neben den geringeren Netto-Mieteinnahmen auch Wechselkursverluste in Höhe von 12,4 Millionen Euro bei; ebenso ein deutlich niedrigeres Bewertungsergebnis.

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