So lernt das Gehirn entspannen

Neurofeedback: Elektroden sind am Kopf platziert, ein Computerspiel läuft automatisiert am Bildschirm, Musik im Hintergrund..
Ein Raumschiff, Musik und ein vibrierender Teddybär und Elektroden am Kopf sollen meinen Stresspegel senken.

"Reiben Sie das mal zwischen Zeige- und Mittelfinger", sagt Thomas Flatz. Er gibt mir eine sandige Paste. Die kommt nun an die Hinterseite meiner Ohrläppchen, an zwei Stellen an der rechten Seite meines Oberkopfs und auf die Stirn. Dazu noch eine schmierige weiße Paste. Dann platziert Thomas Flatz die Elektroden des EEG darauf. Ich liege auf einem sündteuren weißen Eames Chair und bin nervös, denn gleich werden meine Hirnströme am großen TV-Bildschirm sichtbar sein. Oder nicht, denn das PC-System steckt plötzlich fest. Hoffentlich liegt das nicht an meinen Gehirnströmen.

Wenige Minuten später machen wir mit einem anderen Laptop weiter. Der Flatscreen an der Wand zeigt meine bunten Gehirnströme. Dann erscheint ein Raumschiff, das durch eine knallbunte Kanalwelt floatet und dabei lila und rosa Rauch ausstößt. Ich versuche sinnloserweise, es mit meiner Gedankenkraft zu steuern. "Das tun viele", lacht Thomas Flatz, während er mir einen Teddybären auf den Bauch drückt. Der vibriert, ich muss lachen. Irgendwie komme ich mir vor wie ein Kind an seinem Geburtstag. Im Hintergrund läuft Entspannungsmusik. Irgendwann will mein Blick das Raumschiff nicht mehr lenken, sondern gleitet mit ihm mit.

Das ganze Prozedere nennt man Neurofeedback. Thomas Flatz ist von Beruf EEGinfo-Dozent dafür. Im Jahr 2012 hat er gemeinsam mit Michaela Gleußner, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, das Wiener BrainBalance Neurofeedback gegründet. Im Vorgespräch hat er mir erklärt: Das EEG misst die Ströme in ausgewählten Gehirnregionen, das Gehirn gibt auf verschiedene Signale Feedback, die Gehirnströme verändern sich. Die Signale kommen auditiv über die Musik, taktil über den Teddy und visuell über das Raumschiff. Thomas Flatz verändert die Signale so, dass das Gehirn sich immer weiter entspannt. Das nennt man operante Konditionierung. Die Musik wird leiser, das Raumschiff langsamer. Ich bemerke die Entspannung.

"Mit Neurofeedback lernt das Gehirn, sich selbst zu regulieren. Es nimmt sich selbst wie durch einen Spiegel wahr", erklärt Flatz. Alles geschehe unbewusst, "es ist wie beim Schwimmenlernen, der Moment, wo man es plötzlich kann, geschieht unbewusst."

Stress lass nach

Zuvor hat er mich gefragt, was ich erreichen möchte. Ich wollte meinen Stresspegel senken, daher sind die Elektroden dort angebracht, wo An- und Entspannung gemessen wird. "Das machen wir generell bei der ersten Sitzung, damit das Gehirn sich daran gewöhnt", sagt er.

Nach einer Anamnese wird ein Behandlungsplan für den Patienten erstellt. Neurofeedback hilft bei Traumata und Ängsten, aber auch bei Lernblockaden, Stress, Burn-out und mangelndem Selbstbewusstsein. Schüler, Studierende und Mitarbeiter zählen zur Klientel, Manager und Opernsänger kommen zu Thomas Flatz, um sich zu geistigen Höchstleistungen zu trimmen. "Peak Performance" nennt sich das. Gearbeitet wird stets mit EEG und verschiedenen Signalen in den gewünschten Hirnarealen. Das klingt wie ein Wundermittel: Elektroden, ein bisschen Kuscheln mit dem Teddy – und schwupps ist man ein neuer Mensch? "Neurofeedback ist keine Wunderwaffe", relativiert Thomas Flatz. Bei regelmäßiger Anwendung könne das Gehirn sich selbst in positive Zustände bringen. Flatz empfiehlt in den ersten drei Wochen je zwei Behandlungen, danach eine pro Woche, bis sich der gewünschte Effekt dauerhaft einstellt: "Vor Präsentationen oder Prüfungen sind zwei Mal täglich sinnvoll", sagt er. In meinem Fall wäre ich nach ein paar Wochen stressresistent.

Die Elektroden sind vom Kopf entfernt, ich fühle mich leicht benommen, aber entspannt. Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Effekt nicht auch mit Entspannungsmusik und Teddybär zu Hause auf der Couch gehabt hätte. Doch ich bin neugierig, ob Neurofeedback nachhaltig funktioniert. Eine Sitzung zu 45 Minuten kostet 90 Euro.

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