Herbert Stepic: "Der Urwald ist ein Dreck dagegen"

Vom Banker zum Biker: Herbert Stepic fährt gern Motorrad-Touren.
Ex-Raiffeisen-Banker Herbert Stepic über Leidenschaften, einträgliche Geschäfte und die Türkei-Krise.

KURIER: Herr Dr. Stepic, Sie gelten als passionierter Motorrad-Fahrer. Wo sind Sie zuletzt herumgetourt?

Herbert Stepic: Ich fahre alle zwei Jahre mit mehreren Freunden aus dem Bankgeschäft zehn, zwölf Tage auf Leihmaschinen interessante Routen. Zuletzt tourten wir durch Ostanatolien, das war sensationell. Die schwierigste Tour war in Ladakh, Indien, da fuhren wir über 13 Pässe, der höchste lag auf 5665 Meter.

Da brauchten Sie aber eine Sauerstoff-Flasche?

Fast. Aber unsere Maschinen mussten für das Hinauffahren adaptiert werden, weil sie zu wenig Sauerstoff bekamen. Und das alles auf ungesicherten Wegen mit Schlamm und Geröll.

Also: Born to be wild mit fast 70 Jahren – erlaubt das Ihre Frau überhaupt?

Sie hat sich daran gewöhnt. Wenn man, wie ich, 43 Jahre Bankgeschäft überlebt hat, ist ein Trail durch den Urwald ein Dreck dagegen.

Sie sind im Mai 2013 als Chef der Raiffeisen Bank International zurückgetreten. Grund war eine Steurer-Affäre um Immobilieninvestments. Sie haben 500.000 Euro Steuern für zehn Jahre nachgezahlt. Der Fall ist damit erledigt. Ärgern Sie sich nicht über sich selbst, so ungeschickt vorgegangen zu sein?

Schmerzlich war die jahrelange Vorverurteilung. Die Vorwürfe haben sich ja allesamt als falsch erwiesen. Ich würde es nicht einmal meinem schlimmsten Feind wünschen, so eine Situation durchzumachen.

Das klingt etwas wehleidig für einen so durchsetzungskräftigen Manager wie Sie.

Ungerechtigkeit kratzt jeden Menschen an, unabhängig wie dick seine Haut ist.

Sie haben weiterhin ein Büro in der RBI und beraten die Bank.

Ich kümmere mich um alte Kundenbeziehungen und Problemlösungen. Und ich übe Aufsichtsratsmandate in sieben Ländern aus, die zu den schwierigen zählen – Russland, Ukraine oder Ungarn.

Wie lange läuft dieser Berater-Vertrag mit der RBI noch?

Bis Mitte 2017.

Füllt Sie diese Tätigkeit aus?

Nach meinem Rücktritt bin ich mit Anfragen überhäuft worden, und ich bin heute als selbstständiger Berater für viele Unternehmen im In- und Ausland tätig. Ich arbeite als Senior Adviser für die Investmentbank Lazard und für Großunternehmen in Asien.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 haben Sie die Osteuropageschäfte für Raiffeisen aufgebaut. Sie waren mit etlichen Oligarchen im Geschäft. Hatten Sie nie Berührungsängste?

Ich bin kein Mensch der Ängstlichkeit. Ich bin ein Funktionsdenker und Pfadfindertyp, der versucht, Wege in Ländern zu öffnen. Wir haben nach dem Fall des Eisernen Vorhangs Bankdienstleistungen in Länder gebracht, wo es noch keine gab.

Sind Sie nie mit der "Russenmafia" in Kontakt gekommen?

Wir hatten einen spezifischen Schutz der Zentralbanken. Es hat Situationen gegeben, wo mir meine Mitarbeiter berichtet haben, dass es Angriffe mafiöser Strukturen gäbe. Ich habe dann den Gouverneur der zuständigen Zentralbank kontaktiert, habe ihm mein Leid geklagt, und der hat uns geholfen, dass die Sache beendet wurde. Das hätte aber nicht funktioniert, wenn Raiffeisen für den Aufbau der lokalen Volkswirtschaften nicht so wesentlich gewesen wäre.

Die Osteuropa-Geschäfte haben den heimischen Banken viele Jahre hohe Profite gebracht, später auch hohe Verluste.

Die Osteuropa-Geschäfte haben nicht nur den Banken, sondern der gesamten österreichischen Wirtschaft mehr als 20 Jahre lang extreme Erträge gebracht. Die RBI hat in den vergangenen 15 Jahren, da sind aber auch acht Krisenjahre dabei, in CEE mehr als sieben Milliarden Euro nach Steuern verdient. Osteuropa in ein Kriseneck zu stellen, halte ich für fast fahrlässig. Auch heute verdienen österreichische Banken dort gutes Geld. Die meisten osteuropäischen Länder haben die Krise schneller bewältigt als Kerneuropa. Auch das Wirtschaftswachstum ist doppelt so hoch wie in Kerneuropa.

Aufgrund des Russland-Embargos bleibt Europa auf seinen Waren sitzen. Ist das nicht ein Schuss ins eigene Knie?

Wenn der Außenpolitik nichts mehr einfällt, dann zieht sie die Embargokarte. Das ist eine Bankrotterklärung. Beide Seiten verlieren. Außerdem trifft es einzelne Branchen besonders hart. In Österreich ist der Milchpreis in den vergangenen zwei Jahren um 30 Prozent gefallen. Das ist eigentlich eine unmittelbare Auswirkung des Embargos, weil der Absatz in Russland weggefallen ist.

Kanzler Kern forderte einen Abbruch der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei wegen der Massen-Verhaftungen und Entlassungen nach dem gescheiterten Putsch. Gleichzeitig nähern sich die Präsidenten Putin und Erdogan wieder an.

Das politische Tauwetter zwischen Russland und der Türkei halte ich für sehr interessant. Hier bahnt sich eine Freundschaft der zwei Abgelehnten an. Die Europäer haben es abgelehnt, Putin in Europa aufzunehmen, was ein Kardinalfehler war. Für mich ist Russland ein passenderer Partner als die Türkei.

Europa braucht aber die Türkei bei der Lösung der Flüchtlingskrise.

Die Türken haben überproportional viele Flüchtlinge aufgenommen – nämlich drei Millionen. Es bedarf wenig Fantasie, sich vorzustellen, was passieren würde, wenn sich diese Flüchtlinge Richtung EU-Europa bewegen. Ich bin für einen Weg der Gesprächsfortsetzung. Ich gebe aber auch Außenminister Kurz recht, der darauf pocht, dass die EU ihre Außengrenzen selbst schützen muss. In dieser heiklen Frage sollte Österreich aber keine Alleinstellung einnehmen, sondern Allianzen suchen und eher ein Brückenbauer sein.

Die politischen Differenzen innerhalb der EU sind offensichtlich. Ist da der Brexit, der EU-Austritt der Briten, nicht der sprichwörtliche Kropf, den keiner braucht?

Der Austritt eines EU-Mitgliedslandes führt zu einer massiven Verunsicherung in Gesamteuropa. Vor allem Firmen, die Großbritannien als Ausgangspunkt für internationalen Vertrieb und Produktion genommen haben, sind stärker betroffen. Für die österreichische Wirtschaft ist Großbritannien mit einem Exportanteil von 3,2 Prozent kein wesentlicher Absatzmarkt.

Brexit, Flüchtlingskrise, Russland-Embargo und Donald Trump – das müsste doch auch negative Auswirkungen auf die Kapitalmärkte haben. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Warum?

Der Kapitalmarkt reagiert heute im Vorhinein und hatte zu 50 Prozent den Brexit erwartet. Die negativen Auswirkungen werden nicht so schrecklich werden, wie man es anfänglich hinstellte. Die rational denkenden Wirtschafter sagen sich, man wird eine Lösung mit Großbritannien treffen müssen. Wir leben aber in einer Nullzins-Landschaft, wo normale Veranlagungen nichts bringen. Da bieten sich Investments in Aktien an.

Hat nicht die Europäische Zentralbank mit dem Ankauf von Staatsanleihen den Markt mit Kapital geflutet?

Natürlich, die lange Niedrigzins-Politik halte ich aber für verfehlt. Sie dient im Wesentlichen den stark verschuldeten Ländern. Für Anleger ist die Vermögensbildung seit Jahren nicht mehr möglich. Welcher junge Österreicher, der in den Arbeitsprozess einsteigt, kann sich noch etwas auf die Seite legen? Es bleibt ihm tatsächlich nichts übrig. Ich halte das sozialpolitisch für sehr nachteilig.

Sie sammeln schon seit Jahren afrikanische Kunst. Welche Rolle spielt sie in Ihrem Leben?

Sie ist quasi mein Batteriefüller. Kunst ist für mich die völlig andere Seite meines Ichs, die mir den nötigen Ausgleich bringt, um in meinem Job nachhaltig kreativ zu sein.

Vor neun Jahren haben Sie auch eine karitative Stiftung gegründet ...

... mit dem Ziel, den Schwächsten der Gesellschaft in Zentral- und Osteuropa, wo ich mit Raiffeisen die größten Erfolge hatte, etwas zurückzugeben.Die RBI ist ein wesentlicher Mitträger dieser Idee. Wir haben Waisenhäuser und Straßenkinder-Zentren gebaut, Erholungsheime und Spezialheime für behinderte Kinder. Dazu kommen noch Ausbildungsstätten für Roma. In Ländern, wo wir Raiffeisenbanken haben, ermöglicht es mir, Projekte zu machen. Der jeweilige regionale Raiffeisenleiter kann sich selbst vor Ort über den Fortschritt der Projekte ein Bild machen. Wir haben dadurch die Kontrolle darüber, dass die gesamten Spendengelder sinnvoll verwendet werden.

Bei der Raiffeisen Zentralbank ging Stepic 1973 an Bord. Seine Aufgabe war der Aufbau der internationalen Geschäfte. Ein Jahr später wurde er mit der Leitung des Raiffeisen-Handelshaus Elsner & Co. in Wien beauftragt, der Stammsitz war urspünglich in Innsbruck. Das Unternehmen betrieb sogenannte Bartergeschäfte, also Tauschgeschäfte, zum Beispiel Stahl oder Getreide gegen Öl. Stepic war jahrelang für Elsner vor allem im Mittleren Osten und im arabischen Raum tätig. Ende der 70-er Jahre war er auch in Afrika geschäftlich unterwegs. Er trieb vorwiegend für die Vorarlberger Textilindustrie, die ihre Produkte damals zu rund 80 Prozent nach Nigeria exportierte, die offenen Rechnungen ein. Nach dem Fall des Eisernen Vorhang 1989 begann Stepic mit dem Aufbau eines Netzwerkes der Raiffeisen Zentralbank in Osteuropa. Er gilt als Osteuropa-Pionier. Ab 1986 war er RZB-Direktor, ab 2001 Chef der Osteuropa-Sparte Raiffeisen International, und nach der Fusion der beiden Sparten war er von Oktober 2010 bis Mai 2013 Vorstandschef der Raiffeisen Bank International (RBI).

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