One-Man-Show am Staatsfeiertag

Thomas Müller (links) feierte gegen Portugal drei Mal, hier mit seinem Kollegen Sami Khedira.
Der deutsche Stürmer war gegen Portugal mit drei Toren der überragende Mann.

Was hatte sich Joachim Löw in den vergangenen Wochen nicht alles anhören müssen. Von "Jogis Chaos-Camp" war da oft die Rede, weil während der WM-Vorbereitung nichts von deutscher Gründlichkeit zu bemerken war und so viele Pannen und Probleme aufgetreten waren. Obendrein war dem deutschen Bundestrainer von seinen Kritikern und den Nörglern gerne auch noch seine miserable Kaderplanung vorgehalten worden, weil Löw nur mit einem klassischen Mittelstürmer (Miroslav Klose) nach Brasilien gereist war.

Aber wer braucht schon einen Strafraumstürmer alter Prägung, wenn er eine Allzweckwaffe wie Thomas Müller in seinen Reihen hat? Wer schreit nach einem echten Neuner, wenn es da einen unkonventionellen Spieler im Kader gibt, der ein Knipser, Vorbereiter und Schlitzohr in Personalunion ist?

Thomas Müller, dieses offensive Multitalent aus dem Fundus des FC Bayern, schloss in Brasilien nahtlos an seine herausragenden Leistungen bei der Weltmeisterschaft 2010 an. Damals hatte er sich bei seiner WM-Premiere in Südafrika als 20-jähriger Jungspund gleich die begehrte Torjägerkrone aufgesetzt.

Müllers beeindruckende Ausbeute nach den ersten 90 Minuten bei diesem Turnier in Brasilien: ein souveränes Elfmetertor zur 1:0-Führung (12.), ein Treffer zum 3:0 in bester Strafraumstürmer-Manier (45.), dazu noch nach der Pause ein Abstauber zum 4:0, wie ihn sein berühmter deutscher Namensvetter Gerd nicht besser hingekriegt hätte (78.).

Ausraster

Nicht zu vergessen: Thomas Müller hatte dann auch noch den portugiesischen Kampfhahn Pepe auf seiner Abschussliste – der impulsive Abwehrchef der Portugiesen, der immer für einen Aussetzer gut ist, flog früh vom Feld, nachdem er dem Deutschen in einem Anflug von Frust und Dummheit einen leichten Kopfstoß verpasst hatte.

Alles Müller, oder was?

Es passt irgendwie zu diesem unberechenbaren Thomas Müller, dass er unmittelbar nach seiner One-Man-Show gegen Portugal weniger die drei Tore bejubelte, sondern sich vielmehr Sorgen um seine Außenwirkung rund um den Ausschluss machte. "Ich hoffe, dass es nicht blöd ausgesehen hat und ich mich gut aus der Affäre gezogen hab’", meinte der 24-Jährige, "ich wollte wirklich nichts schinden."

Joachim Löw können solche Tore und Reaktionen längst nicht mehr überraschen. "So etwas ist typisch für Thomas Müller", sagt der Bundestrainer, der in Brasilien mit einer hochentwickelten Computer-Software die Stärken und Schwächen aller 736 WM-Teilnehmer entschlüsseln lässt.

Die Analyse von Thomas Müller könnte das System möglicherweise zum Absturz bringen. Es gibt kaum einen Spieler, der sich so schwer in eine Schublade stecken lässt wie der 24-Jährige, dessen außergewöhnliche Fähigkeiten seinerzeit vom heutigen Bondscoach Louis van Gaal entdeckt und gefördert worden waren.

Ausnahmetalent

Thomas Müller ist keiner dieser Stürmer, die immer im Mittelpunkt stehen – er taucht einfach immer auf, wo der Rauch aufgeht. Er ist kein Dribbelkünstler – schafft es aber trotzdem immer wieder, seine Gegenspieler stehen zu lassen. Er ist auch kein Kopfballungeheuer – trifft aber öfter einmal auch mit dem Kopf. Thomas Müller ist kein Kunstschütze und auch kein Sturmtank, er ist schlicht ein Phänomen – sogar für sich selbst. "Man findet keinen Spieler, der ähnlich komisch spielt wie ich", hatte er in einem Interview in der Münchner tz erklärt.

Acht WM-Tore hat Thomas Müller mit seinen 24 Jahren bereits auf seiner Habenseite, so viele wie Rudi Völler. Leicht möglich, dass gar nicht Miroslav Klose (14 Tore) der größte Konkurrent des Brasilianers Ronaldo (15 Tore) im Kampf um die ewige WM-Torjägerkrone ist: Es würde nicht verwundern, würde der komische Kauz mit dem Allerweltsnamen auch diesen Vogel abschießen.

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