Wintermärchen und Alltagsgeschichten

Ganz in Weiß: Das Ötztal präsentierte sich am Donnerstag tief verschneit.
In Sölden beginnt am Wochenende die Saison – für Schnee ist gesorgt, die Ski-Stars sind bereit.

Schnee. Glitzernder Schnee, so weit das Auge reicht. Er türmt sich auf Hausdächern, er verstopft die Gehsteige, er wirbelt durch die Tiroler Lüfte. Im Ötztal herrscht Alarmstufe Weiß. Praktisch über Nacht ist der Winter eingefallen, pünktlich zum Auftakt des Ski-Weltcups in Sölden. Wo bisher grüne Wiesen und Herbstlaub den Ton angaben, wo der Föhn für spätsommerliche Hitze sorgte, ist plötzlich ein anderes Wort in aller Munde: Winterwunderland.

Winterwunderland?

Mit dem Schnee ist das ja so eine Sache. Wer dieser Tage nach Sölden kommt, der lernt sehr schnell, dass Schnee nicht gleich Schnee ist. Es gibt den guten, ja durchaus erhofften, der leise dahinrieselt und sich prächtig auf Bäumen, Berggipfeln und Postkarten macht. Jenen Schnee, bei dessen Eintreffen Mitglieder der Tourismus-Branche ein weihnachtliches Glitzern in den Augen bekommen. Und dann gibt es noch den anderen, den nicht ganz so guten Schnee. Den lästigen Spielverderber, der nur sinnlos im Weg herumliegt. Den findet man seit gestern auf dem Rettenbachferner hoch oberhalb von Sölden.

Welch Ironie!

Denn ebendort, auf jener Piste, auf der am Samstag und Sonntag mit den ersten Riesentorläufen der Saison der Ski-Winter eingeläutet wird, hält sich die Freude über den radikalen Wintereinbruch in Grenzen. Er könne sich nicht daran erinnern, jemals auf dem Gletscher solche Schneemassen gesehen zu haben, berichtet ÖSV-Trainer Rainer Gstrein, ein Ötztaler. "Vor uns liegen 36 Stunden Arbeit, Arbeit, Arbeit."

Es war gestern für die 120 Mann starke Eingreiftruppe schon ein Kraftakt, über die Gletscherstraße zum Weltcuphang zu gelangen. Und dort fing das Schneechaos dann erst richtig an: Lawinengefahr, vier Meter hohe Schneeverwehungen und eine Rennpiste, die als solche nicht mehr wieder zu erkennen war, machten den Ötztalern zu schaffen. Nachtschichten bis zum Damen-Riesentorlauf am Samstag sind unerlässlich, heute werden sogar 500 Leute auf die Piste geschickt, um die Rennen zu ermöglichen.

Und trotzdem – Überstunden hin, Schneechaos her – überwiegt in Sölden die Freude über den Wintereinbruch. Bei den Veranstaltern über die Bilder, die um die Welt gehen werden – soll es am Wochenende doch zusätzlich zum Schnee-Panorama strahlenden Sonnenschein geben. Bei den Sportlern sowieso. Endlich heißt es für sie wieder: Piste frei.

Medien-Slalom

Im Ötztal stehen freilich nicht nur zwei Riesentorläufe auf dem Programm, in Sölden findet alle Jahre wieder auch ein munterer Slalomlauf zwischen den Terminen statt. Skifirmen präsentieren ihre neuen Errungenschaften und Erfindungen und lassen dabei gar eine Rockband aufspielen, Sponsoren erklären ihre frischen Partnerschaften, die Athleten geben im Stundentakt Einblick in ihr Seelenleben und Ausblick auf die WM-Saison.

So erfährt man in Sölden, dass US-Altstar Bode Miller auf den Spuren von Slalom-Olympiasieger Mario Matt wandelt und neuerdings Pferde züchtet.

So schildert Aksel Lund Svindal (Nor), wieso er trotz seines Achillessehnenrisses einen WM-Start noch nicht abgeschrieben hat.

So versichert der dreifache Sölden-Sieger Ted Ligety (USA) glaubhaft, dass er in diesem Winter Marcel Hirscher den Gesamtweltcup streitig machen wolle.

So berichten die geschäftstüchtigen Söldener, dass sie neuerdings auch auf Schweizer Gäste hoffen und deshalb für die nächsten drei Jahre die Radler der Tour de Suisse ins Ötztal geholt haben.

Und so erfuhr die Welt in Sölden auch von einer hartnäckigen "Verletzung", die Anna Fenninger seit ihrer famosen Vorjahressaison plagt. "Ich habe einen Muskelkater vom Grinsen", sprach’s in Richtung Dutzender Mikrofone und grinste munter weiter. Der Muskelkater dürfte sie noch länger begleiten: Gestern wurde die 25-Jährige für Olympia-Gold und Weltcupgesamtsieg ausgezeichnet. Als beste Skifahrerin des Vorjahres erhielt Fenninger den begehrten Skieur d’Or.

Gletscherrennen Es hat bereits Tradition, dass der Weltcup-Winter in Sölden beginnt. 1993 machten die Skistars das erste Mal Halt auf dem Rettenbachferner. Inzwischen sind die Riesentorläufe von Sölden aus dem Weltcup-Kalender nicht mehr wegzudenken. Den Auftakt machen die Damen am Samstag, am Sonntag heißt’s Piste frei für die Herren (jeweils 9.30/12.45 Uhr).

Die Österreicher Der ÖSV schickt 19 Läufer in die Heimrennen.

Damen: E.-M. Brem, A. Fenninger, A. Fischbacher, E. Görgl, R. Haaser, M. Kirchgasser, C. Thalmann, R. Schneeberger, R. Siebenhofer, K. Zettel.

Herren: M. Feller, M. Hirscher, R. Leitinger, M. Mathis, Ch. Nösig, B. Raich, H. Reichelt, F. Scheiber, P. Schörghofer.

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