Das unglaubliche Jahr des Marcel Hirscher

Marcel Hirscher hat in dieser Saison so ziemlich alles erlebt.
Der Salzburger fährt vielleicht nicht seine dominanteste Saison, sicher aber seine spektakulärste.

Schrecklich werde dieser Winter im alpinen Skirennsport, mutmaßten einige bereits im Herbst 2015. Schrecklich langweilig. Keine Anna Fenninger, kein ernst zu nehmender Herausforderer für Marcel Hirscher, keine Weltmeisterschaften, keine Olympischen Spiele. Ja nicht einmal Schnee gab es zu Beginn.

Ein Übergangsjahr. Ein Begriff, der so prickelnd ist wie lauwarmer Kamillentee. Tatsächlich aber bietet dieser Weltcup-Winter beste Unterhaltung.

Dank Marcel Hirscher.

Der 26-jährige Salzburger, zuletzt vier Mal in Folge Sieger im Gesamtweltcup, fährt vielleicht nicht seine beste Saison, sicher aber seine spektakulärste. Die vergangenen Wochen im Sportlerleben des Skistars gleichen einem rasanten Auf und Ab aus Meilensteinen und Missgeschicken. Ein Auszug ...

Ohne Sicht

Erst Dienstagabend sehen 40.000 Fans vor Ort in Schladming und fast 1,7 Millionen Fernsehzuseher im ORF (Rekord), wie Hirscher unter Flutlicht den Durchblick verliert. Ein beschlagenes Brillenglas bremst ihn auf dem Weg zum Sieg im Nachtslalom. Im zweiten Lauf macht er den gigantischen Rückstand (2,59 Sekunden, Zwischenrang 22) beinahe komplett wett – Platz zwei. Nur Henrik Kristoffersen ist schneller. Noch so eine erstaunliche Erscheinung der Saison. Der norwegische Seriensieger ist Hirschers hartnäckigster Gegenspieler überhaupt.

Ohne Haftung

Das unglaubliche Jahr des Marcel Hirscher
epa05106833 Marcel Hirscher of Austria reacts after dropping out during the Men's Slalom race at the FIS Alpine Ski World Cup at the Lauberhorn in Wengen, Switzerland, 17 January 2016. EPA/PETER KLAUNZER
Hirscher ist längst der erfolgreichste aktive Rennläufer des Weltcups und seit dieser Saison auch auf einer Stufe mit Benjamin Raich (36 Siege). Gejubelt hat er beinahe schon an jedem klassischen Ort des Skirennsports – nur noch nie auf dem Lauberhorn. Und Wengen bleibt auch heuer ein weißer Fleck. Im Slalom fährt er sich beide Kanten an den Skiern kaputt und scheidet nach einer Ewigkeit wieder einmal aus. Sein frustrierter Kommentar: "Arsch-Wochenende. Es kann sein, dass alles vorbei ist: Slalomkugel weg, Gesamtweltcup weg. Jetzt sind andere Favoriten."

Ohne Blick zurück

In seiner Paradedisziplin Slalom ist Hirscher zwar nicht mehr unantastbar (Stichwort: Kristoffersen), aber dennoch vom Glück verfolgt. Bestes Beispiel ist Madonna di Campiglio zwei Tage vor Weihnachten. Eine Kamera-Drohne kracht wenige Zentimeter hinter ihm in den Schnee. "Dichter Flugverkehr in Italien", scherzt er auf Twitter.

Ohne Skier

Bereits zwei Tage davor weiß Hirscher die Lacher auf seiner Seite. Nach dem Sieg im Riesentorlauf von Alta Badia verschwinden seine Skier, via Internet bittet er um tatkräftige Unterstützung bei der Fahndung:
WANTED – Mein Rennski. Länge: 195 cm, Alter: 3 Monate, Geburtsort: Altenmarkt, Familienname: Atomic, Vorname: Nr. 22, zuletzt gesehen: Heute im Zielraum.

Ohne Furcht

Das unglaubliche Jahr des Marcel Hirscher
epa05052339 Marcel Hirscher of Austria in action during the men's FIS Alpine Ski World Cup Downhill training run in Beaver Creek, Colorado, USA, 02 December 2015. EPA/JOHN G. MABANGLO
Gleich zu Saisonbeginn gelingt dem Technikspezialisten ein weiterer Meilenstein. In Beaver Creek gewinnt er – auch vom Wetter begünstigt – mit dem Super-G sein erstes Speedrennen.

Und was kommt nun? Zur Unsterblichkeit fehlt nur noch eine Auferstehung á la Hermann Maier oder die Feuertaufe der Marke Niki Lauda. Aber wem will man so etwas schon wünschen?

Fahrer 1. Lauf Ziel Verbesserung Rennen
Mattias Hargin (SWE) 30. 3. 27 Zagreb ’10/11
Marc Berthod (SUI) 27. 1. 26 Adelboden ’06/07
Naoki Yuasa (JPN) 26. 3. 23 Madonna ’12/13
Benjamin Raich (AUT) 23. 1. 22 Schladming ’98/99
Steve Missillier (FRA) 25. 3. 22 Val d’Isère ’10/11
Marcel Hirscher (AUT) 22. 2. 20 Schladming ’15/16
Andre Myhrer (SWE) 22. 3. 19 Schladming ’04/05
Pierrick Bourgeat (FRA) 21. 3. 18 Sestriere ’00/01
Stephane Tissot (FRA) 19. 2. 17 Beaver Creek ’05/06
Sébastien Amiez (FRA) 18. 2. 16 Aspen ’98/99
Mario Matt (AUT) 18. 3. 15 Sankt Anton ’03/04

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