Hannes Reichelt: "Das muss man irgendwann stoppen"

Kritischer Geist: Der Skistar prangert manche Entwicklungen an.
Der Abfahrer spricht über seinen Sturz in Kitzbühel und übt Kritik an Veranstaltern und der FIS.

Es war eine illustre Runde, die sich da dieser Tage auf einen Streifzug über die berühmteste Abfahrtsstrecke der Welt begab. Die vier Mitglieder des ÖSV-Teams haben alle mit der Hahnenkamm-Abfahrt noch ein Hühnchen zu rupfen. Max Franz (Knöchelverletzung), Georg Streitberger (Kreuzbandriss), Hannes Reichelt (Knieprellung) und Coach Martin Sprenger (Bänderrisse in beiden Knien) kehrten auf die Streif zurück, die sie im vergangenen Winter so brutal abgeworfen hatte.

Der Humor ist bei den vier Sturzopfern jedenfalls nicht auf der Strecke geblieben. Georg Streitberger gab für die Wanderung auf den Hahnenkamm das Motto aus: "Auf der Suche nach dem Kreuzband." Und Hannes Reichelt scherzte nach seiner Inspektion an der Hausbergkante: "Es war leichter Verwesungsgeruch in der Luft."

Weit weniger lustig findet der Super-G-Weltmeister einige Entwicklungen im Skisport. Also sprach Hannes Reichelt im Trainingslager im Stanglwirt in Going über ...

... die Streif "Die Strecke löst bei mir gemischte Gefühle aus. Heuer hat sie mich brutal abgeworfen, andererseits habe ich 2014 dort gewonnen und einen meiner größten Erfolg feiern dürfen. Da sieht man, dass gerade auf dieser Strecke Glück und Leid eng beieinander liegen. Ich denke, dass man den Respekt gegenüber der Streif nie verlieren darf."

... die Rückkehr "Ich hab’ mir die Stelle am Hausberg ganz genau angesehen. Jetzt im Sommer kriegt man ja die Geländeformen besser mit, und da merkt man dann auch: Es war im Winter beim Rennen zu wenig Schnee. Ich bleibe bei meiner Kritik: Die Strecke war nicht in einem Top-Zustand, die Linie war schlecht präpariert."

Hannes Reichelt: "Das muss man irgendwann stoppen"
ABD0100_20160123 - KITZBÜHEL - ÖSTERREICH: Hannes Reichelt (AUT) nach seinem Sturz am Samstag, 23. Jänner 2016, anl. der Abfahrt der Herren auf der Streif in Kitzbühel. - FOTO: APA/HANS KLAUS TECHT
... den Sturz "So eine Brez’n steckst du nicht ganz locker weg. Es gibt Leute, denen solche Stürze scheißegal sind – aber die haut’s dann meistens auch öfters. Ich denk’ mir: Mit den Trainingskilometern wird sich wieder alles legen. Man tastet sich ans Limit heran. Das vergeht."

... die Lehren "Aus den Fehlern muss man lernen. Aber ich persönlich kann mir keinen Fehler vorwerfen – außer dass ich vielleicht zu viel riskiert habe. Aber ich gehe als Läufer ja davon aus: Wenn ich oben die Startfreigabe kriege, dann ist es fahrbar. Aber das Motto in Kitzbühel, "The show must go on", das darf nicht sein."

... Hilfsmittel wie Flutlicht oder bunte Streckenmarkierungen "Die neuen Farben, die nach Kitzbühel in Garmisch verwendet worden sind, haben nichts gebracht. Die sind verschwommen und am Ende erkennst du gar nichts mehr. Man sollte wieder back to the roots gehen und die kleinen Ästchen streuen, das hat in der Vergangenheit immer funktioniert. Und das mit dem Flutlicht ist sicher ein guter Ansatz. Da werden Millionen investiert, dann werden sie wohl auch noch ein Paar Scheinwerfer aufstellen können."

... den Ehrgeiz der FIS, die Rennen durchzuboxen "Man muss meiner Meinung nach schon fragen: ,Wo wollen wir eigentlich hin?‘ Wollen wir die Leute wirklich bei jeder Witterung runterschicken? Was ich nicht verstehen kann: Wenn das Wetter am Wochenende nicht passt, wieso kann man nicht das Rennen auf Montag verschieben. Bei den French Open oder in Wimbledon funktioniert das ja auch: die spielen einfach nicht, wenn es rutschig ist. Wieso können die ein Finale am Montag spielen, wieso schaffen es die Tennisspieler? Die sind nicht einmal in Lebensgefahr. Das muss man irgendwann stoppen. Und wenn es vonseiten der FIS nicht geht, dann müssen sich eben alle Athleten zusammensprechen."

... die Solidarität unter den Rennläufern "Es entwickelt sich immer besser. Als Athletensprecher und Ansprechpartner für den Speedbereich kriege ich das mit. Wenn die Topleute sich zusammenreden, und sagen ,wir fahren nicht‘, dann wird auch nicht gefahren. Die Funktion als Athletensprecher ist gar nicht so ohne. Ich führe da viele Gespräche mit den Läufern, schreibe viele Mails, die Arbeit sieht man gar nicht."

Hannes Reichelt: "Das muss man irgendwann stoppen"
Hannes Reichelt, Fischteich
... seine x-te Sommervorbereitung"Der Sommer ist schon zäher. Und vor allem das Gletschertraining ist mühsam: Du trägst unten im Tal kurze Hosen, es ist heiß, und oben auf dem Gletscher sollst du dann Skifahren. Mühsam. Ich habe heuer bewusst beim Konditionstraining einiges umgestellt, damit ich nicht mehr so viel alleine mache. Meistens bin ich mit einem Trainingspartner unterwegs, damit ich mehr gepusht werde. Wenn du immer alleine trainierst, dann freut dich das irgendwann nicht mehr. Dass wir dann zum Training nach Chile fliegen, das stört mich gar nicht so. Denn da bist du dann schon im Wintermodus."

... die österreichische Abfahrtskrise "Wenn wir es hundertprozentig wüssten, woran es gelegen ist, dann wäre es einfach. Wir haben jetzt überall die Schrauben angesetzt. Dumm waren natürlich die vielen Verletzten im letzten Winter. Wir hatten acht Ausfälle, 80 Prozent der Nationen hätten da kein Abfahrtsteam mehr. Durch die vielen Ausfälle ist auch der interne Vergleich abgegangen. Das war aber gerade für mich immer wichtig, dieser Austausch mit anderen Siegläufern. Ich für mich kann nur sagen: Ich bin nach Kitzbühel sukzessive schlechter gefahren. Da haben sich technische Fehler eingeschlichen, alte Fehler, ganz leichte Fehler. Ich bin plötzlich drei Mal auf dem Innenski ausgerutscht, das passiert mir normal nicht. Aber vielleicht hat sich durch die Brez’n bei mir ja wieder was gelockert."

... die Karriere danach "Ich mach’ mir schon ein bisschen Gedanken, was danach kommt. Ich habe in Innsbruck inzwischen ein Studium angefangen: Internationale Wirtschaftswissenschaften. Die Materie taugt mir, ich habe auch schon Prüfungen gemacht, aber ich habe gesehen, dass das neben dem Skifahren fast unmöglich ist. Die Gefahr besteht, dass das Skifahren darunter leidet. Und das will ich nicht. Ich fahre sicher noch bis 2018."

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