Eiskunstlauf: Als halb Wien vor den Fernsehern saß

Wienerin in Bratislava: Kerstin Frank kam im Damen-Bewerb der EM auf Platz 22.
Heute stehen die Eiskunstläufer im Schatten.

Nur sechzig Kilometer von Wien entfernt drehten soeben Europas Eis-Artisten ihre Pirouetten. Nur: Kaum wer fuhr hin. Selbst Olympiasiegerin Trixi Schuba saß nicht in der Eishalle von Bratislava, sah die EM auch nicht via Eurosport, sondern zu gleicher Zeit eine Theaterpremiere am Wiener Schwedenplatz. Als sie selbst noch als Talent galt und davon träumte, so erfolgreich zu sein wie die Europameisterinnen Hanna Eigel, Hanna Walter oder Regina Haitzer, hockte halb Wien in Gasthäusern vor Schwarz-Weiß-Fernsehapparaten.

Da wurde sogar jede nationale Meisterschaft von einem Freiluft-Eislaufplatz übertragen. Da dominierte das Duell zwischen dem beliebten Weltmeister Emmerich Danzer und dem schwierigen Olympiasieger Wolfgang Schwarz die Schlagzeilen. Da entsandte der KURIER den damaligen Sportchef Josef Huber zur Eis-WM nach Colorado, mit der Bitte, falls er Zeit habe, beim Skiweltcup-Rennen vorbeizuschauen. Die Bezeichnungen Doppel-Axel, Salchow und Rittberger hörte man so oft wie Mausefalle, Steilhang, Abfahrtshocke.

Heute sind nicht einmal allen Sportjournalisten die Namen Kerstin Frank, Mario-Rafael Ionian, Barbora Silna/ Juri Kurakin und Miriam Ziegler/Severin Kiefer geläufig, obwohl es sich um Österreichs aktuelle EM-Teilnehmer handelt. Daher weiß auch niemand, dass sie mehrheitlich im Ausland trainieren. Dort trainieren müssen. Weil sonst nichts weitergeht.

Schlechte Infrastruktur, Gerangel um Eiszeiten, fehlende Trainer, aber auch der Wohlstand, sagt Schuba, seien die Gründe, weshalb in Österreich nicht mehr von Medaillen geträumt werden kann. "Aber in Deutschland und in der Schweiz haben sie ähnliche Probleme." Denn wer tue sich heute noch ein mindestens sechsstündiges tägliches Training an, teilweise schon vor Schulbeginn?

Schuba war selbst Österreichs Eiskunstlauf-Präsidentin, ehe sie – zermürbt vom Hickhack der Funktionäre – w.o. gab. Der Vorwurf, nur die Vergangenheit zu glorifizieren, kann der Olympiasiegerin 1972 allerdings nicht gemacht werden.

Sie würdigt den spanischen Europameister Javier Fernández, und der japanische Olympiasieger Yuzuru Hanyū sei sowieso "zum Niederknien". Auch vom 28-jährigen Österreicher Viktor Pfeifer, der nach den Winterspielen 2014 seine Karriere beendete und Trainer wurde, schwärmt die Wiener Olympiasiegerin von 1972.

"Er hat ein Studium erfolgreich abgeschlossen. Ein zweites begonnen. Und steht trotzdem als Trainer zehn Stunden täglich auf dem Eis. Seine Schüler schwärmen von ihm."

Wo? Nicht in Österreich, sondern in der Nähe von Philadelphia. In den USA.

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