Dieter Kalt: Das Problem mit den Purzelbäumen

Starkes Team: Christoph Brandner, Headcoach Daniel RatushnyundDieter Kaltbei der WM in Prag
Der 197-malige Ex-Teamspieler Dieter Kalt spricht über die Herausforderungen als Nachwuchsleiter des KAC.

Wie fast jedes Jahr zählt der KAC auch heuer zu den Titelkandidaten in der Erste Bank Liga. Wie gut die Mannschaft von Headcoach Doug Mason tatsächlich ist, kann sie am Sonntag beim Auftakt der Champions Hockey League gegen München beweisen.

Spannend ist beim Rekordmeister aber auch das Geschehen im Nachwuchs: Zirka 240 Kinder werden vom KAC betreut. Von Trainern wie Ex-NHL-Profi Christoph Brandner, dem achtfachen Meister Dieter Kalt oder Ex-Teamspieler Alexander Mellitzer. Kalt ist seit einem Jahr Leiter der Nachwuchsabteilung und spricht im KURIER-Interview über seine Motivation, seine Definition von Erfolg und die Legionärsproblematik in der Liga.

Dieter Kalt: Das Problem mit den Purzelbäumen
EBEL. Eishockey Bundesliga. EC VSV gegen KAC. Trainer Christer Olsson, Co-Trainer Dieter Kalt (KAC). Villach, am 13.1.2013. Copyright Agentur Diener/Kuess Marktgasse 3-7/4/5/21 A-1090 Wien Austria Telefax +43 1 955 32 35 Mobil +43 676 629 98 51 Bank Austria Bank Nr. 12000 Account Nr. 00712 223 783 e-mail: agentur@diener.at Datenbank: www.diener.at ImageArchivist Demo
KURIER: Sie waren beim Titelgewinn 2013 Assistant-Coach von Christer Olsson. Sie sind Assistent von Dan Ratushny im Nationalteam. Warum sind Sie in den Nachwuchs gewechselt?

Dieter Kalt: Ich wollte eine neue Herausforderung. Ich kenne das Profileben seit 25 Jahren. Es gibt jetzt immer mehr Vereine, die verstärkt in den Nachwuchs investieren. Durch das Engagement von Red Bull haben viele Klubs mitziehen müssen. Jetzt haben wir beim KAC fünf hauptamtliche Trainer, drei Tormanntrainer für die Profis und den Nachwuchs. Insgesamt haben wir 17 ehemalige Nationalspieler, die im Nachwuchs mitarbeiten, auch wenn es nur phasenweise ist. Welcher Verein kann das noch von sich behaupten?

Dieter Kalt: Das Problem mit den Purzelbäumen
APA3787487-2 - 17032011 - VILLACH - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT SI - Erste Bank Liga, Halbfinale, Best of seven/2. Spiel zwischen Rekord Fenster VSV und KAC am Donnerstag, 17. März 2011, in Villach. Im Bild: KAC-Torjubel mit Dieter Kalt und Christoph Brandner. APA-FOTO: GERT EGGENBERGER
Weshalb sind österreichische Trainer so wichtig?
Wir sind in der glücklichen Lage, dass ein paar Österreicher auf dem Markt waren, die außergewöhnliche Spieler waren und Persönlichkeiten sind. Wenn die anderen Vereine diese Gelegenheit nicht beim Schopf packen, muss man solche Leute engagieren: Sie wissen, wie sich gewisse Situationen anfühlen. Und wir sehen beim Anfängertraining, warum die Kinder gerne kommen. Die kennen Kalt oder Brandner als Spieler gar nicht. Aber sie kommen gerne, weil z. B. der Große mit den dunklen Haaren ein so lieber Kerl ist. Oder weil der Kalt so lustig ist.

Wollen Sie den Nachwuchs so gut machen, dass Sie einmal als Cheftrainer davon profitieren?
Ziel ist es, einen Kern aus eigenen Spielern auszubilden. Die jetzigen Leistungsträger kommen in die Jahre. Der Kern einer Mannschaft muss aus einheimischen Spielern bestehen.

Aber der Übergang vom Nachwuchs zu den Profis funktioniert seit Jahren nicht. Auch beim KAC.
Wir versuchen einen Kooperationspartner in der zweiten Liga zu finden. Ein Farmteam mit einem Profitrainer wäre das Beste, weil der Schritt von der U20 in die EBEL ziemlich groß ist.

Gibt es genügend Talente?
Talente hätten wir die gleichen wie in Kanada, Russland oder Schweden oder Finnland. Wir können vielleicht nicht aus 200.000 Kindern auswählen, sondern nur aus 500. Auch darunter könnte der nächste Sidney Crosby sein. Aber: Alle Spieler, die es bei uns in den letzten 20 Jahren geschafft haben, waren talentiert, sie waren aber auch die härtesten Arbeiter. Zuletzt waren oft junge Spieler bei den Profis. Wenn ich aber sehe, dass 35-jährige Kanadier härter an sich arbeiten als 18-Jährige, dann stimmt etwas nicht. Als 18-Jähriger musst du dir den Respekt erkämpfen, weil du dir den Arsch aufreißt.

Scheitert es an den körperlichen Voraussetzungen?
Wir haben immer weniger Sportler-Kinder. In meiner Kindheit haben wir alles gemacht: Klettern, Bogenschießen, Fußball, Landhockey, Werfen usw. Die Gesellschaft hat sich geändert. Jetzt kommen Zehnjährige, die große Probleme beim Hopserlauf oder beim Purzelbaum haben. Wie soll aus einem 16-Jährigen, der koordinativ nicht geschult ist, ein guter Spieler werden? Gib einem Thommy Koch einen Tennisschläger in die Hand und er wird in zwei Monaten auf Landesliga-Niveau spielen.

Dieter Kalt: Das Problem mit den Purzelbäumen
KAC, Dieter Kalt
Was ist ein Erfolgskriterium für den Nachwuchs?
Erfolg ist nicht, wie viele Titel wir holen. Mein Ziel ist es, dass wir möglichst viele Profis herausbringen. Erfolgreich sind wir, wenn der KAC wieder viele Spieler im Nationalteam oder in Wien, Graz, Dornbirn oder Feldkirch hat. Im Moment ist der KAC in manchen Altersgruppen fast gar nicht vertreten. Und ich will es vermeiden, dass irgendjemand vom KAC mit gesenktem Kopf weggeht und glaubt, er ist ein Versager, weil er kein Profi geworden ist. Es sollen alle denken, es war eine super Zeit beim KAC, die für die weitere Ausbildung wichtig ist. Vielleicht bringen sie dann irgendwann ihre Kinder zu uns oder kommen als Fans oder Sponsoren zurück. Es ist ein Riesenerfolg, wenn wir viele Kinder für den Sport begeistern können. Die Werte, die dich beim Teamsport erfolgreich machen, können dich überall im Leben erfolgreich machen. In jeder Firma arbeitet man gerne mit Menschen, die teamfähig sind und soziale Intelligenz haben.

Wenn es einige Talente gibt, warum sind fast alle Teams mit zehn Legionären besetzt?
Die Frage ist auch: Wie viele von den Legionären sind richtig gut? Ein paar helfen sicher bei der Entwicklung. Aber es gibt viele, die keiner braucht. Die helfen dem Eishockeysport nicht weiter.

Im Nationalteam haben junge Spieler überrascht. Wird diesen im Klub zu wenig vertraut?
Es waren einige dabei, die bei ihren Vereinen nur Ergänzungsspieler sind. Im Team haben sie um zwei Klassen besser gespielt, weil sie andere Rollen übernehmen durften.

Dieter Kalt: Das Problem mit den Purzelbäumen
Im Eishockey Play-Off-Finale (best of seven) spielen am Dienstag, den 12. April 2005, in Wien die Vienna Capitals gegen den Klagenfurter AC. Im Bild Dieter Kalt mit dem Meisterpokal, rechts Sponsor Andreas Treichl. REUTERS/Stringer/Herbert Neubauer REUTERS
Umso wichtiger wären österreichische Headcoaches in der Liga, oder?
Das ist sicher ein großer Punkt. Ich freue mich, wenn ein österreichischer Spieler Erfolg hat, egal bei welchem Klub. Ich freue mich, wenn ein Hofer in Linz den Durchbruch schafft, oder ein Heinrich so spielt wie jetzt oder in Wien ein Fischer eine wichtige Rolle hat. Und wenn ich diesen Spielern irgendwie helfen kann, dann mache ich das. Da hat ein Österreicher sicher einen anderen Bezug als ein ausländischer Trainer, der die Spieler nicht kennt und sich erst von anderen beraten lassen muss. Ich habe in meiner Karriere nicht viele ausländische Trainer erlebt, bei denen der Vorsatz mit der Jugend zu arbeiten mehr als ein Lippenbekenntnis war. Ich habe aber auch noch keine Vorstände erlebt, die dem Trainer gesagt haben, du hast drei bis fünf Jahre Zeit, eine junge Truppe aufzubauen.

Man hört, die Kärntner Finanznot hat auch Folgen für den KAC?
50 Prozent der geförderten Eiszeiten wurden gestrichen. Eine Stunde kostet 160 Euro, es fehlen 800 Stunden im Jahr. Normal müsste man einen Trainer entlassen. Genau das Gegenteil von dem, was passieren sollte. Wir haben ausgerechnet, dass z.B. U13-Spieler 700-800 Stunden beim KAC betreut werden. Das ist eine Leistung des Sportvereins, die nicht zu unterschätzen ist.

Dieter Kalt: Das Problem mit den Purzelbäumen
Das Talent bekam Dieter Kalt jr. von seinem gleichnamigen Vater (jetzt Verbandspräsident) mit, der mit dem KAC zwischen 1966 und 1972 fünf Mal Meister wurde. Kalt jr. wurde 1974 geboren und kam mit 16 Jahren zu den Profis des KAC. Er wurde in Österreich fünf Mal Meister, mit Mannheim in der DEL und mit Färjestad in Schweden. Im Nationalteam spielte er 197 Mal, kam auf 97 Scorerpunkte und nahm an drei Olympischen Spielen teil. Nach zwei Jahren als Assistant-Coach beim KAC wurde er 2015 "Director of Play Development".

Kommentare