Deutsches Handwerk, nordisches Design

Dagur Sigurdsson führte die Deutschen zurück an die Weltspitze.
Der isländische Trainer Dagur Sigurdsson, einst in Österreich, führt Deutschland zurück zur Weltspitze.

Auch fünf Jahre in Deutschland konnten nichts von seinem beißenden, zum Teil subtilen Humor vertreiben. Die Klimaanlage hat den Pressekonferenz-Saal in der olympischen Handball-Arena von Rio auf klirrende 15 Grad heruntergekühlt, die Horde deutscher Journalisten zittert, während sie auf den Isländer Dagur Sigurdsson, den Teamchef der deutschen Auswahl, wartet.

Als der Mann aus dem hohen Norden endlich den Raum betritt und die leidenden Medienvertreter sieht, sagt er kurz und knapp: "Ihr hält ja gar nichts aus. Kommt mit! Machen wir die Interviews draußen in der Sonne!" Das Frage-Antwort-Spiel nach dem souveränen 34:22-Viertelfinalsieg über Katar ist dann nur noch Formsache.

Schwierig

Dagur Sigurdsson versteht es, Menschen zu führen. Es ist die vielleicht größte Stärke des 43-jährigen Handball-Fachmanns, der vor etwas mehr als zwei Jahren den schwierigsten, aber wohl auch prestigeträchtigsten Job im Welt-Handball angetreten hat: Herren-Teamchef im größten Handball-Verband der Welt.

Er, der Isländer, erklärt den Deutschen, die lange Zeit das Patent auf diese Sportart gehabt haben, den Handball neu. Das war auch dringend notwendig. Bevor Sigurdsson den Job übernahm, verpasste die Großmacht Deutschland drei Mal nacheinander die Qualifikation für eine Endrunde. Seither liest sich Sigurdssons Drei-Turnier-Bilanz: WM-Viertelfinale 2015, EM-Titel 2016, und nun zumindest Olympia-Halbfinale 2016.

Heute, Freitag, treffen die Deutschen auf Topfavorit Frankreich. Ein großes Spiel. Der amtierende Europameister gegen den amtierenden Weltmeister und Titelverteidiger in Rio, die Aufsteiger gegen die Etablierten.

"Wenn man bei großen Turnieren immer unter den Top 4 steht, ergeben sich irgendwann Chancen auf Titel", sagt Sigurdsson selbstbewusst wie eh und je. "Ich weiß, wovon ich spreche. Ich war als Favorit bei großen Turnieren und auch als Außenseiter. Im Halbfinale hat jedes Turnier seine eigene Dynamik." 215 Spiele bestritt er für die isländische Nationalmannschaft, er ist EM-, WM- und Olympia-Teilnehmer. Danach tingelte er mit seiner Familie um die Welt: Hiroshima, Bregenz, Wien, Reykjavik, nun Berlin. "Du musst immer in Bewegung bleiben, neugierig, Sprachen lernen, Kulturen kennenlernen", sagte er einmal. Seine Zeit als österreichischer Teamchef endete 2010 mit Rang neun bei der Heim-EM und mit der WM-Qualifikation triumphal. Am liebsten hätten sie Sigurdsson ein Denkmal gesetzt in der österreichischen Verbandszentrale.

Kritisch

So weit sind sie in Deutschland noch nicht. Noch immer wird er kritisch beäugt, der Mann, der so wenig spricht und dennoch vieles richtig macht. Ob Deutschland nun zurück sei in der Weltspitze, wollen die Journalisten wissen.

Schwierige Frage. "Wir haben zumindest einen weitere Bestätigung abgegeben", antwortet Sigurdsson. Das Viertelfinal-Spiel gegen Katar war tatsächlich ein Statement. Im WM-Viertelfinale von 2015 konnte Katar noch knapp gewinnen, nun wurde die Söldner-Truppe aus Eingebürgerten von den Deutschen überrollt. "Man hat gesehen, wer für ein Land gespielt hat und wer für sein Land gespielt hat", sagte Bob Hanning.

Der deutsche Vizepräsident war es auch, der Dagur Sigurdsson engagierte – mit dem Fernziel: Olympia-Sieg 2020 in Tokio. Es könnte schneller gehen.

Kommentare