Blatter will keinen Boykott der Russland-WM

Sepp Blatter bei seiner Begrüßungsrede in Wien.
Die Autonomie des Sports müsse gewährleistet, auf politische Einmischungen achtgegeben werden.

FIFA-Präsident Joseph Blatter hat am Dienstag bei seiner Begrüßungsrede zum UEFA-Kongress in Wien statutengemäß auf Wahlkampfparolen verzichtet. Stattdessen warb der Schweizer um "Einheit und Solidarität" in der Fußball-Familie. Einem möglichen Boykott der kommendem WM 2018 in Russland aus politischen Gründen sprach Blatter noch einmal die Sinnhaftigkeit ab.

"Ein Boykott hat niemals irgendwelche Ergebnisse gebracht", betonte Blatter. "Wir müssen dahin gehen." Zuletzt war es aufgrund des Konfliktes mit der Ukraine verstärkt zu Boykottforderungen europäischer Politiker gekommen. "Wir müssen auf politische Einmischungen achtgeben", sagte Blatter. "Die Autonomie des Sports muss gewährleistet bleiben."

Die FIFA hatte die Weltmeisterschaften 2018 und 2022 im Dezember 2010 an Russland und Katar vergeben. Zum umstrittenen Thema der Winter-WM 2022 verlor Blatter in Wien keine Worte. Stattdessen forderte er zwei Monate vor seiner angestrebten Wiederwahl als Präsident des Fußball-Weltverbandes Zusammenhalt ein.

"Der Fußball kann nur stark sein, wenn die Strukturen und die Dachverbände einig sind", betonte Blatter. Die Delegierten der 54 europäischen Verbände - mit Ausnahme von Gibraltar auch alle FIFA-Mitglieder - sind dem FIFA-Präsidenten gegenüber kritisch eingestellt. Der 79-Jährige darf bei der Wahl am 29. Mai in Zürich aber auf die Unterstützung aller anderen Kontinentalverbände vertrauen.

Kein Wahlkampf

Die Europäer haben sich bisher auf keinen gemeinsamen Gegenkandidaten geeinigt. Beim Kongress in der Messe Wien durften der frühere Weltfußballer Luis Figo, der Niederländer Michael van Praag und Prinz Ali bin Al-Hussein aus Jordanien am Nachmittag ihre Programme präsentieren. Blatter sprach als FIFA-Präsident zu Beginn der Veranstaltung. Wahlkampfwerbung war ihm untersagt. Er glaubt sie auch nicht notwendig zu haben.

Stattdessen dankte Blatter der UEFA und deren Präsidenten Michel Platini "für die bemerkenswerte Entwicklung des Fußballs, nicht nur in Europa". Die europäischen Bewerbe hätten eine weltweite Wirkung. "Das Spiel der Spiele hat in Europa seinen Ursprung gehabt", sagte Blatter. "Wir bitten Europa, weiterhin ein Promoter des Fußballs zu sein. Fußball ist eine Kraft, die in unserer Welt etwas bewegen kann."

Blatter erinnerte in diesem Zusammenhang auch an den Wiener Kongress von 1815. "Vor 200 Jahren haben die wichtigsten Mächte die Grenzen in Europa neu gezogen und die Basis für die heutige Weltordnung gelegt", erklärte der Schweizer. Wien sei auch eine Brücke zwischen Osten und Westen. Blatter: "Es ist ein Schmelztiegel der Kulturen."

Fischer-Videobotschaft

Begrüßt wurden die Delegierten nicht nur von ÖFB-Präsident Leo Windtner, sondern per Videobotschaft auch von Bundespräsident Heinz Fischer, einem bekennenden Fußball-Fan. Der erste von mittlerweile vier UEFA-Kongressen in Wien ging 1955 über die Bühne. "Das ist auch für uns ein historisches Datum", erinnerte das Staatsoberhaupt.

Windtner warb in seiner Rede um ein geschlosseneres Auftreten der UEFA. "Ein geeintes Europa mit gemeinsam getragenen Positionen wird notwendig sein, um die Stärke des führenden Kontinentalverbandes auch tatsächlich umsetzen zu können", meinte der ÖFB-Präsident. Der europäische Fußball stehe vor großen Herausforderungen - etwa einen Ausgleich zwischen großen und kleinen Fußball-Märkten zu finden.

Mit der laufenden EM-Qualifikation wurde die Zentralvermarktung eingeführt. "Die EM-Qualifikation und die 'Week of Football' sind bereits zu einer starken Marke geworden. Nun gilt es, das mit der UEFA Nations League weiterzuführen", forderte Windtner. Der neue Bewerb wird ab 2018 die freundschaftlichen Länderspiele ersetzen. Auch EM-Tickets werden darüber vergeben. Über Details wurde ebenfalls in Wien beraten.

UEFA-Präsident Michel Platini hat die Regierungen Europas zu mehr Unterstützung im Kampf gegen Nationalismus und Extremismus im Fußball aufgefordert. "Wir fühlen uns an diesen Fronten, an denen wir kämpfen, etwas auf uns alleine gestellt", erklärte der Franzose am Dienstag in seiner Eröffnungsrede zum Kongress der Europäischen Fußball-Union (UEFA) in Wien.

Es sei "sehr lange her, seit wir in Europa zuletzt einer so starken Zunahme von Nationalismus und Extremismus gegenübergestanden sind", meinte Platini. "Diese schleichende Tendenz ist in unseren Stadien wiederzufinden, da der Fußball einen Spiegel der Gesellschaft darstellt. Aufgrund seiner Beliebtheit ist unser Sport ein Gradmesser für die Probleme auf unserem Kontinent." Und dieser Gradmesser zeige Beunruhigendes an.

"Die letzten Monate waren geprägt von Bildern, die ich nicht mehr für möglich gehalten hätte", sagte Platini. "Einige von uns haben diese Zeit miterlebt. Für mich liegt sie genau 30 Jahre zurück." Beim Meistercup-Finale 1985 in Brüssel waren bei schweren Ausschreitungen und einer folgenden Massenpanik 39 Menschen getötet worden. Das Spiel wurde dennoch angepfiffen. Platini schoss Juventus Turin per Elfmeter zu einem 1:0-Sieg gegen Liverpool.

"Niemand möchte so etwas jemals wiedererleben", betonte Platini. Der UEFA-Chef appellierte an die "Einsicht der Behörden", eine "nicht allzu ferne finstere Vergangenheit, in der Hooligans und Fanatiker jeglicher Art in bestimmten europäischen Stadien das Sagen hatten" zu verhindern.

Platini forderte eine Verschärfung der europaweiten Stadionverbote. Zudem sprach er sich erneut für die Schaffung einer europäischen Sportpolizei aus. Die UEFA sei aber weder Gesetzgeber noch Polizist. "Wir kämpfen allein mit unseren eigenen Mitteln, mit begrenzten Mitteln", erinnerte Platini. "Wir können jedoch nur dann als Sieger hervorgehen, wenn wir von den Behörden unterstützt werden."

Kommentare