Real Madrid lockt 13-Jährigen aus Österreich

Real Madrid lockt 13-Jährigen aus Österreich
Für einen Flüchtling aus Afghanistan geht ein Traum in Erfüllung.

Es klingt wie ein Märchen und ist doch ganz real. Zum zweiten Mal in nur zwei Jahren will Real Madrid ein Talent eines österreichischen Vereins zum größten Fußball-Klub der Welt holen.

Flavius Daniliuc kickt seit 2011 in der Jugendabteilung des „Weißen Balletts“. Von Rapid wechselte der Sohn rumänischer Flüchtlinge zum erfolgreichsten Verein der Welt. Vergangene Woche traf der 12-Jährige im Trainingszentrum der Madrilenen plötzlich einen anderen Flüchtling, der in Österreich eine Heimat gefunden hatte:

Hamed Rezai. Den Kriegswirren in Afghanistan entkommen, um in fünf Jahren zu einem Vorbild an gelebter Integration zu werden. „Unser erster Stopp war Kärnten“, erzählt der 13-jährige Hamed in akzentfreiem Deutsch. Vom berüchtigten Flüchtlingslager auf der Saualm (wo manche Politiker eher potenzielle Kriminelle denn außergewöhnliche Talente vermuten) ging es für die traumatisierten Eltern und ihre fünf Kinder nach Oberösterreich.

Hamed wurde auf der Straße von einem Jugendtrainer von Blau-Weiß Linz entdeckt. „Ich war auf der Donaulände spazieren, als mir plötzlich dieser Bursche aufgefallen ist. So wie der mit seinen Freunden gekickt hat, musste ich ihn zu einem Probetraining einladen“, erzählt Tino Ebertshuber, der zu mehr als einem Trainer für Hamed wurde.

Spätstarter

„Mich hat Fußball am Anfang gar nicht so sehr interessiert. Aber ich bin immer besser geworden und war gleich der Torschützenkönig“, erinnert sich Hamed, der bald den Scouts von Rapid auffiel. Für ein Jahr wechselte der Linksaußen nach Hütteldorf, dann klopfte schon das Red-Bull-Imperium an. Und Salzburg verpflichtete den Burschen.

Rund um das Talent tummelten sich auch jene Manager, die das große Geld im Ausland versprachen. Hamed Rezai und sein Mentor Ebertshuber setzten auf Nicolas Oliva und dessen Partner in Spanien. Oliva, ein früherer Fischrestaurant-Besitzer, der die meisten in Österreich spielenden Spanier vertritt, brachte den Burschen zu Espanyol Barcelona. „Sie hätten mich nach einem Probetraining verpflichtet. Mit der Bedingung, dass meine komplette Familie mitkommt. Das konnten wir nicht erfüllen.“

Die siebenköpfige Flüchtlingsfamilie in einem von der Wirtschaftskrise gebeutelten Land ohne Arbeitsgenehmigung? Unmöglich. Das Märchen schien zu Ende.

„Aber Hamed war schon immer anders als übliche Kinder. Er hat den Krieg erlebt, er ist ein Kämpfer und charakterlich sehr stark“, erklärt Ebertshuber. Der 13-Jährige setzte sein tägliches Zusatztraining fort, bis Oliva ein Vorspielen bei Real Madrid einfädeln konnte. Die ersten Eindrücke waren so positiv, dass Reals U-14-Trainer Rojo, ein früherer Profi, Hamed am Wochenende gleich beim größten Nachwuchs-Turnier Spaniens einsetzte.

„Er hat in allen Partien gespielt, erst das Finale gegen Atletico Madrid ging verloren“, sagt Oliva, der eine Zusage der „Königlichen“ bekam. Letzter Haken: Vor der Unterschrift muss noch geklärt werden, ob der Verein auch für die Unterkunft des Afghanen (mit Hoffnung auf die österreichische Staatsbürgerschaft) aufkommt. Ein Problem, das auch Familie Daniliuc kennt. Flavius wurde als Zehnjähriger von seinem Vater Michael nach Madrid begleitet. Während der Papa das Leben abseits des Feldes für den Spielmacher organisiert (und die Ersparnisse knapp werden), sorgt die Mama in Österreich für die Zukunft der insgesamt achtköpfigen Familie. Flavius spielte am Wochenende für die U 13 von Real ebenfalls bei einem Turnier. Erst im Finale war Barcelona zu stark.

Alter Bekannter

Weil die Welt auch im Fußball eine kleine ist, fielen sich Flavius und Hamed beim zufälligen Treffen in die Arme: Hamed ging mit den beiden Zwillingsbrüdern von Flavius in Salzburgs Fußballschule in eine Klasse.

„Ich wünsche Hamed alles Gute. Aber er muss ohne Familie besonders stark sein. Real kann das Paradies sein. Aber die Konkurrenz im Klub und das Leben hier können auch die Hölle sein“, meint Michael Daniliuc. „Ich habe einen Traum. Das macht mich stark“, sagt Hamed, der auf Tino Ebertshuber zählen kann: „Hamed braucht in Madrid eine Bezugsperson. Ich bin bereit, ihn zu begleiten.“

Derzeit spielen rund 200 Österreicher im Ausland Fußball. Zirka 40 von diesen Legionären sind jünger als 20 Jahre. Allein 26 österreichische Fußball-Hoffnungen ruhen bei deutschen Erstligisten. Bei David Alaba haben sich die großen Hoffnungen auf eine Weltkarriere erfüllt, nachdem er mit 16 Jahren von der Austria zu den Bayern gewechselt ist.

Die Münchner setzen schon seit einigen Jahren auf Rot-Weiß-Rot. Mit Yilli Sallahi (19), Christian Derflinger (19), Oliver Markoutz (18), Alessandro Schöpf (19), Kevin Friesenbichler (19), Stefan Hager (18), Patrick Puchegger (18) und Marco Friedl (15) tragen derzeit neben David Alaba gleich acht Österreicher das Bayern-Trikot. Während Alaba mit seinen 21 Jahren schon ein alter Hase im Profikader ist, durften im Sommer Markoutz und Schöpf das Trainingslager im Trentino unter Trainer Guardiola mitmachen.

Nachwuchs-Coach

Vor 23 Jahren hatte Harald Cerny den gleichen Schritt wie Alaba gewagt. Zwar blieb er nur drei Jahre, schaffte über Innsbruck und Admira aber danach den Durchbruch bei 1860 München. Cerny, seit Kurzem 40 Jahre alt, ist derzeit Nachwuchstrainer bei den Bayern. „Ob es der eine oder andere bei den Bayern schafft, kann man nie voraus sagen. Österreicher haben wir immer im Blickfeld – auch in den unteren Nachwuchsbereichen. Sie haben alle ihre Fähigkeiten, aber es ist immer schwierig über Jahre Prognosen zu stellen.“

Es haben sich nicht alle durchgesetzt. Dominik Burusic ging mit 16 zu den Bayern und kickt jetzt bei den Admira Juniors. Er ist 20 Jahre alt – wie Philipp Prosenik. Auch der Sohn von Ex-Teamspieler Christian verließ Österreich mit 16. Er ging zu Chelsea, wechselte danach zu Milan – und ist jetzt vereinslos. Englands Nachwuchsteams bringen bis auf Andreas Weimann Österreichern kein Glück. Hofbauer, Dau (Aston Villa) und Krenn kicken in der Erste Liga. Lösch (Derby) gar nur in der Landesliga.

Austria – Porto 3:0. Chelsea – Basel 4:0. Galatasaray – Real 1:1, Bayern – ZSKA Moskau 0:2. Das sind keine Druckfehler, sondern die Auftakt-Resultate in der neuen Champions League für Unter-19-Teams.

Zu ihrem zweiten Match werden die Austria-Junioren am 1.Oktober um 11 Uhr in St. Petersburg einlaufen. Auch dort sind die Wiener keine Außenseiter, zumal sie beim 3:0 gegen Porto nicht von Glück und Konterfußball, sondern von einer spielerischen Überlegenheit profitierten.

Auch das Abschneiden anderer Mannschaften bei internationalen Turnieren zeigt: So schlecht kann die österreichische Ausbildung nicht sein. Trotzdem lassen sich immer öfter Ausnahmetalente schon im Kindesalter von Ausländern ködern. Meist sind es Knirpse mit Migrationshintergrund, deren Eltern hierzulande wenig Perspektiven sehen und die vom Millionenklub für ihre Unterschrift einen Pseudo-Job bekommen.

Bei Lionel Messi war’s ähnlich. Dessen Vater begleitete ihn von Argentinien nach Europa. Auch weil der schüchterne Lionel sonst als 13-Jähriger in Barcelona am Heimweh zerbrochen wäre.

Anders als Messi erleben viele Wunderkinder am Weg zum Erwachsenwerden ihre blauen Wunder. So kickt das (während seiner Austria-Zeit zum „El Maestro“ umgetaufte) Ballgenie Nikon Jeftic nach Gastspielen in Valencia, Schalke, Wr. Neustadt, Ungarn aktuell bei Sloga Petrovac na Mlavi: in der zweiten serbischen Liga.

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