Red Bull: Die Philosophie bremste das Solo

Zu grün: Der 19-jährige Lazaro musste gegen Rapid verteidigen und war gegen Gegenspieler Kainz heillos überfordert .
Das 3:3 bei Rapid zeigte alle Stärken und Schwächen der Salzburger Spielweise auf. Am Samstag geht es gegen Wr. Neustadt.

Es wäre mehr als eine Vorentscheidung im Titelkampf gewesen, wurde es aber nicht. Salzburg verspielte am vergangenen Sonntag bei Rapid ein 3:0 und liegt nach dem Remis weiter sechs Punkte vor dem ersten Verfolger. Noch sind acht Runden zu spielen. Am Samstag ist für den Tabellenführer ein Sieg Pflicht, geht es doch zu Hause gegen den Vorletzten Wr. Neustadt (zur Tabelle).

Gegen die Niederösterreicher hat Salzburg zuletzt zehn Spiele in Serie gewonnen. "Jedes Spiel ist nun wie ein Endspiel. Wenn wir so eine Leistung abliefern wie zuletzt in der ersten Halbzeit gegen Rapid Wien, bin ich überzeugt, dass wir einen Sieg feiern werden. Dazu braucht es aber 90 Minuten Konzentration", sagt Salzburg-Trainer Adi Hütter.

Aber war es nur die Konzentration, die die Salzburger nicht halten konnten, die dafür verantwortlich war, dass man in Wien nicht gewinnen konnte? Oder steckt mehr dahinter?

"Wenn man 3:0 führt und einen Mann weniger hat, dann würde ich als Trainer sagen: Jetzt gehen wir ein bisschen zurück. Jetzt müssen die anrennen", sagte Teamchef Marcel Koller kurz nach dem spektakulären 3:3 dem TV-Sender Sky. Das Gegenteil machte der Tabellenführer nach der 3:0-Führung – und das in Unterzahl. Die Folge: drei Gegentore, die zwar unterschiedlich zustande kamen, die aber eine defensive Unordnung gemeinsam hatten.

Offensive

Salzburgs Spielphilosophie ist eine extrem offensive, seit Ralf Rangnick 2012 zu Red Bull gekommen ist. Und sie muss durchgezogen werden. Ohne Wenn und Aber. Ohne Kompromisse.

Als Hütter etwas anderes probierte, aus einer gesicherten Abwehr mit weniger Aktivität in der gegnerischen Hälfte spielen ließ, wurde er von seinem Chef zurückgepfiffen. "Wir dürfen unsere Ansprüche nicht zu weit runtersetzen, nur weil die Ergebnisse stimmen", sagte Rangnick im Oktober, nachdem Salzburg nach drei Niederlagen in Serie in der Bundesliga immerhin bei Rapid 2:1 gewonnen hatte.

Der Deutsche zieht mit seiner Spielphilosophie seit Jahrzehnten von Verein zu Verein. Entwickelt hat er sie aber nicht alleine, sondern gemeinsam mit Helmut Groß.Der Bauingenieur gilt als Mentor, Berater und Ratgeber des Red-Bull-Sportchefs.

Vor über 30 Jahren, als in Deutschland die Manndeckung noch das Maß aller Dinge war, führte Groß als Trainer beim Amateur-Klub Geislingen die ballorientierte Raumdeckung ein. Mitte der 1980er kreuzten sich seine Wege mit jenen von Rangnick im Trainer-Lehrstab des württembergischen Fußball-Verbandes, begann eine gemeinsame Entwicklungsarbeit, die beide auch bei Red Bull fortsetzen.

Extreme

Schnelle Ballrückeroberung nach Ballverlust, überfallartiges Pressing im Schwarm, blitzschnelles Umschalten nach Ballgewinn, riskant hohes Verteidigen – Extreme prägen die Philosphie von Rangnick und Groß, der ein Fan des "kontrollierten Chaos" ist.

Beim Spektakel im Ernst-Happel-Stadion wurden alle Stärken des "System Rangnick/Groß" demonstriert, aber auch alle Schwächen aufgedeckt – so komprimiert wie vielleicht noch nie in Österreich.

40 Minuten setzte Salzburg alles um, was von der Sportlichen Leitung gefordert wird. Rapid wurde in der eigenen Hälfte zu Fehlern gezwungen. Nach Ballgewinn wurde der direkte Weg zum Tor gesucht und gefunden. Der Lohn für eine tolle Vorstellung: ein 3:0 – ein Vorsprung, der normalerweise reicht, um zu gewinnen. Doch normal war am Sonntag nichts.

Ein Ausschluss war der Wendepunkt. Andreas Ulmer sah bei einem Konter nach einem Foul Rot, das der Verteidiger tief in der Rapid-Hälfte begangen hatte – weit weg von seinem eigentlichen Arbeitsgebiet. Der zehnte Ausschluss in dieser Saison war auch der Spielweise geschuldet. Überall sollen die Salzburger den Ball erobern. Und begehen dabei zu oft unnötige Fouls – wie eben jenes von Ulmer.

Sturmlauf

In Unterzahl verlor Salzburg die Ordnung. Weil mit zehn Mann zu lange so weitergespielt wurde, als würde es nicht 3:0, sondern 0:3 stehen. Am Ende stand es 3:3. Weil niemand das Tempo drosselte, weil niemand für Ruhe sorgte, weil niemand einfach ausputzte. Damit hat Salzburg nun schon 38 Tore kassiert – so viele wie noch nie in der zehnjährigen Ära Red Bull nach 28 Bundesliga-Runden. Und das, obwohl man in den ersten sechs Runden nur einen einzigen Gegentreffer bekommen hatte.

Um die extrem aufwendige Spielweise umsetzen zu können, werden nur Talente verpflichtet, die noch lernfähig und -willig sind. Routine und Erfahrung spielen keine Rolle. Salzburgs Team ist extrem jung, für Extremsituationen wie die Nachspielzeit am Sonntag, in der Rapid ausglich, vielleicht zu jung. Da war Massimo Bruno der zweitälteste Feldspieler – mit 21 Jahren.

Gegen Wr. Neustadt wird die Mannschaft ein etwas anderes Gesicht haben als bei Rapid. Die zuletzt gesperrten Martin Hinteregger (22 Jahre) und Andre Ramalho (23 Jahre) sind nämlich wieder spielberechtigt. Dafür ist dieses Mal Andreas Ulmer (29 Jahre) gesperrt. Das Durchschnittsalter der Startelf wird also nicht extrem höher sein.

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